Ich kannte schon ein voriges Buch von Daniela Arnold – das „Tränenmädchen“. Ich finde, dass sie sich deutlich gesteigert hat. „Frostkind“ hat mir wesentlich besser gefallen, wenngleich auch noch einige „Eigenheiten“ der Autorin erhalten geblieben sind.
Die Figuren der ermittelnden Personen finde ich diesmal überzeugender gewählt. Nicht eine entfernte Schwester, sondern eine waschechte Kommissarin und eine Psychiaterin stehen im Fokus. Es handelt sich um zwei starke Frauen, die in ihren Charakteren überzeugend geschildert werden. Paula, die Kommissarin, lebt in Hamburg, hat ihren eigenen Kopf, und gerät so manches Mal mit ihren Kollegen aneinander. Emilia, die Psychiaterin, lebt auf Sylt, ist alleinerziehend nach etlichen Schicksalsschlägen, und wird am Rande in den Fall gezogen.
Der Fall selbst ist spannend, und ausgesprochen schnell getaktet. Es geschehen grausige Frauenmorde in Hamburg. Die Anzahl der Opfer überschlägt sich fast. Paula schlägt vor, die Psychiaterin Emilia hinzuzuziehen – die aus Hamburg stammt, und nur wegen eines damals unglücklich erstellten Gutachtens nach Sylt „geflüchtet“ ist. Kaum ist Emilia im Team, verschwindet auch noch ihre kleine Tochter… ob das mit den Morden zu tun hat?
Der Spannungsbogen wird die ganze Zeit gehalten, und erst kurz vor Ende gelöst. Das Buch ist wirklich rasant, und auf die Lösung wäre ich nicht gekommen. Hut ab! Dabei ist das Geschehen nicht einmal wirklich blutig. Das Augenmerk liegt vielmehr auf dem Innenleben der handelnden Personen.
Hier setzt auch gleich meine Kritik an, die ich nicht verhehlen möchte. Ich bewerte das Buch insgesamt immer noch gut, möchte aber nicht verschweigen, was mir aufgefallen ist.
Erstens einmal ist das Buch, wie auch schon das „Tränenmädchen“, relativ dialoglastig. So würden sich manches Mal die Menschen nicht verhalten! Es geht einfach zu Lasten von Beschreibungen, die mir teils gefehlt haben. Es hat einfach zu wenig Lokalkolorit. Es könnte im Grunde in jeder beliebigen Umgebung spielen. Sylt und Hamburg kommen fast nur dem Namen nach vor. Mal abgesehen davon, dass im „wahren Leben“ Hamburg polizeilich gar nicht für Sylt zuständig wäre, sondern Kiel- wie ich zu wissen glaube. Insofern ist auch die Bezeichnung „Sylt-Thriller“ irreführend. Denn die Haupthandlung spielt in Hamburg.
Wie im „Tränenmädchen“ auch, erliegt die Autorin der Versuchung, den Fall am Schluss ein wenig zu schnell zu lösen. „Plötzlich“ hat jemand „einfach so“ eine Intuition, und der Fall ist gelöst. Da hätte ich mir lieber ein wenig mehr Ermittlungsarbeit gewünscht.
Schade sind auch ein paar lose Fäden. Warum zum Beispiel wird eigens erwähnt, dass Paula mit einer Frau zusammenlebt? Im weiteren Verlauf des Buches wird das fast nicht mehr erwähnt; es spielt einfach keine Rolle. Das Privatleben von Emilia hingegen wird relativ breit erzählt; obwohl sie ja eigentlich „nur“ die unterstützende Psychiaterin ist. Ich hätte auch gerne mehr über Paulas Kollegen erfahren.
Wie gesagt, ich habe die Lektüre dennoch genossen. Ich würde jedem Leser defintiv raten, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Wir haben hier eine junge, unabhängige Autorin, die es verdient, mehr gelesen zu werden. Nicht nur in Skaninavien oder Amerika gibt es gute Thriller-Autoren!
Meine Wertung:4/5