Nachdem Lilian mit Hilfe der silbernen Spieldose ihres Großvaters endlich ihre Familie wiedergefunden und einige Zeit mit Vater, Großmutter und Freunden in deren neuer Heimat Kapstadt verbracht hat, lassen sie die Gedanken an ihre ältere Schwester Margarethe alias Emma nicht los. Sie möchte diese unbedingt ebenfalls finden und reist mit Freund Sam und Vater Peter nach London, um dort mit der Suche zu beginnen, während sie mit Sam ihre Brücken in London abbaut, um gemeinsam nach Kapstadt überzusiedeln. Durch das rote Kreuz erfahren sie, dass Emma bei der Familie Murphy als Pflegekind gewohnt hat und bei einem Bombenangriff ums Leben kam. Doch diese Informationen sind nicht einwandfrei, da sich auch die Polizei für den Fall interessiert, denn Emmas Totenschein wurde von einem Arzt ausgestellt, der wegen Dokumentenfälschung ins Gefängnis musste. Bei der Suche begegnet Lilian weiteren Pflegekindern der Murphys und erhält immer mehr Spuren, das Emma doch noch am Leben ist. Werden sich die Schwestern doch noch einmal in den Armen liegen und die Familie endlich vereint sein? Und welche Rolle hat die silberne Spieldose diesmal?
Mina Baites hat mit ihrem Buch „Träume aus Silber“ die
Fortsetzung ihres Romans „Die silberne Spieldose“ vorgelegt, der dem Vorgänger
in punkto Spannung und Gefühl in Nichts nachsteht. Der Handlung kann man zwar
ohne Kenntnisse des ersten Bandes gut folgen, aber es wäre zu empfehlen, den
ersten Teil zu lesen aufgrund der familiären Geschichte und der Beziehungen der
Protagonisten untereinander. Der Schreibstil ist flüssig, fesselnd, bildhaft
und ebenso gefühlvoll, der Leser steigt schon mit dem spannenden Prolog in die
Handlung ein, der einem während der atemberaubenden Handlung immer wieder ins Gedächtnis
kommt. Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt, die eine lässt den
Leser teilhaben an Lilians Nachforschungen in England, der zweite berichtet von
Großmutter Lottes Leben in Kapstadt und der dritte gibt Einblick in das Leben
der irischen Schreinerin Ceara Foley. Durch den Wechsel der Perspektiven wird
die Spannung immer weiter in die Höhe geschraubt und gleichzeitig fügen sich
nach und nach alle Puzzlesteine zu einem vollständigen Bild zusammen. Die
Autorin hat auch für diesen Roman wieder gründliche Hintergrundrecherche
betrieben und neben Themen wie traumatische Verdrängung durch einschneidende
Erlebnisse, den Verkauf von Kriegswaisen auch den Rassismus in Südafrika Teil
ihrer Handlung werden lassen. Mina Baites alias Ines Klockmann ist eine
Meisterin darin, den Leser die Gefühlswelt ihrer Protagonisten auf sehr
einfühlsame und lebendige Weise zu beschreiben, dass diese beim Lesen fast
greifbar sind.
Die Charaktere wurden liebevoll und individuell
ausgearbeitet und mit Leben versehen. Sie wirken durchweg real und authentisch,
der Leser fühlt sich ihnen auf besondere Weise verbunden, als wären sie enge
Freunde oder Familienangehörige und kann sich gut in sie hineinversetzen. Lilian
ist eine liebenswerte und lebenslustige Frau, die endlich den Großteil ihrer
Familie wiedergefunden hat. Der Verlust ihrer älteren Schwester nagt an ihr wie
ein Stachel, was ihr genug Hartnäckigkeit verleiht, die Suche nach ihr zu
intensivieren. Aufgrund ihrer freundlichen Art öffnen sich ihr schnell einige
Türen, hinter denen sie Hilfe findet. Sam ist ein warmherziger Mann, der seine
zukünftige Frau in jeder Lebenslage unterstützt. Vater Peter lässt den Verlust
seiner ältesten Tochter nicht los, er hofft, sie doch noch einmal in die Arme
zu schließe. Lotte ist eine resolute Frau, die sich aufopferungsvoll für die
Schwachen und Benachteiligten einsetzt, aber nicht gefeit ist vor dem Hass und
dem Neid der anderen. Friedrich weicht nicht von ihrer Seite und hat in Lotte
auf seine alten Tage noch die Liebe gefunden. Ceara lebt mit Ehemann Aidan und
Mutter Rhonda in Ballygall, einem Vorort von Dublin. Sie hat Gedächtnislücken
und große Narben am Körper. Sie fürchtet sich vor Menschenmengen und hat sich
bisher sämtlichen Behandlungen in Bezug auf ihre Ängste und Albträume
verweigert, so dass fast ihre Ehe auf dem Spiel steht. Die anderen
Protagonisten stützen die Handlung und geben ihr weitere Spannung. Die absolute
Hauptrolle aber hat wieder einmal die silberne Spieldose inne, die sich mal als
Original, mal als Nachbildung aus Holz wie ein roter Faden durch die Geschichte
zieht und das Bindeglied für die Familienzusammenführung ist.
„Träume aus Silber“ ist ein wunderschöner historischer Roman über die Suche nach geliebten Menschen, alte Erinnerungen und schwere Schicksalsschläge. Die Geschichte berührt von der ersten Zeile an und klingt noch lange nach, wenn die letzte Seite gelesen ist. Absolute Leseempfehlung für eine besonders gelungene Lektüre!
Zauberhafte !!!