Rafel Nadal - Die letzten Tage meiner Kindheit / La senyora Stendhal

  • April 1939. Am letzten Tag des Spanischen Bürgerkriegs wird die Mutter des achtjährigen Lluc vor seinen Augen erschossen. Da Lluc sonst keine Familie mehr hat, kommt er in einem kleinen Ort bei Senyora Stendal und ihrem Sohn Dani unter, die fortan seine neue Familie sind. Senyora Stendal behandelt Lluc wie ihren eigenen Sohn, auch Dani wird für Lluc schnell zu einem engen Freund und Vertrauten, bei dem er sich sicher und geborgen fühlt. Eines Tages verschwindet Dani spurlos und Lluc verliert erneut sein gerade gewonnenes Zuhause, um in einem Internat zu wohnen. Da er keine Familie und kein Geld hat, gehört er dort der niederen Gruppe an, die ihren Platz durch harte Arbeit sichern müssen. Der Krieg um ihn herum und die politische Lage reißen ihn immer wieder aus gerade gewonnener Sicherheit. So beschließt Lluc, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und geht in den Untergrund, um gegen Franco zu kämpfen. Er erhofft sich, endlich irgendwo dazuzugehören und für etwas zu kämpfen, dass sich lohnt: die Freiheit.


    Rafel Nadal hat mit seinem Buch „Die letzten Tage meiner Kindheit“ einen eindrucksvollen und gefühlvollen historischen Roman vorgelegt, der vor der Kulisse des Spanischen Bürgerkrieges und vor allem während des Franco-Regimes stattfindet. Der Schreibstil ist detailliert und verlangt Aufmerksamkeit und Konzentration vom Leser, um all den politischen Details während der Handlung folgen zu können. Der Autor hat den historischen Hintergrund gut recherchiert, er dient gleichzeitig der Geschichte, um die verzweifelte Lage der Menschen zur damaligen Zeit aufzuzeigen und wie es vielen Familien und Angehörigen ging, die alles verloren haben, um sich in einer zerrissenen Welt wiederzufinden und ständig in Angst zu leben, darauf bedacht, bloß kein falsches Wort oder eine falsche Ansicht preis zu geben. Die Geschichte wird rückblickend von Lluc erzählt, der sich 1990 Erinnerungen hingibt.


    Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und mit Leben versehen worden. Lluc ist noch ein kleiner Junge, als er seine Mutter verliert und sein Leben fortan immer wieder vom Schicksal gebeutelt wird durch die Auswirkungen des Krieges und durch verbotene politische Gesinnungen, die die Verfolgung und Inhaftierung derjenigen zur Folge hatte. Freiheit im Denken und Handeln gab es zur damaligen Zeit im Franco-Regime nicht, sondern nur Unterdrückung und Diktatur. Lluc muss früh erwachsen werden, denn auch seine Pflegefamilie verliert er und muss sich dann allein durchs Leben schlagen. Die ständigen Rückschläge und Verluste lassen ihn hart werden, aber auch mutig und kämpferisch, so dass es nur eine logische Folgerung ist, in den Untergrund zu gehen, um sein Leben dem Freiheitskampf zu verschreiben. Die Entwicklung von Lluc während der gesamten Geschichte ist sehr schön zu beobachten.


    „Die letzten Tage meiner Kindheit“ ist ein eindringlicher Roman über die Zeit während der Franco-Diktatur und über eine Kindheit und Jugend, die niemals eine war. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung!


    Eindringliche :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Mario

    Hat den Titel des Themas von „Rafel Nadal - Die letzten Tage meiner Kindheit“ zu „Rafel Nadal - Die letzten Tage meiner Kindheit / La senyora Stendhal“ geändert.
  • Autor: Rafel Nadal

    Titel: Die letzten Tage meiner Kindheit

    Seiten: 239

    ISBN: 978-3-404-17678-6

    Verlag: Bastei Lübbe

    Übersetzerin: Ursula Bachhausen


    Autor:

    Rafel Nadal wurde 1954 in Girona geboren und ist ein spanischer Journalist und Schriftsteller. Er schrieb für mehrere große spanische Zeitungen, heute für die Tageszeitung La Vanguardia. Daneben arbeitet er für verschiedene Radio- und Fernsehsender. Der mehrfach ausgezeichnete Autor veröffentlichte bisher drei Romane. Sein Buch "Das Vermächtnis der Familie Palmisano" gehört zu den am zahlreichsten übersetzten katalanischen Werken.


    Inhalt:

    "Die welt ist in zwei Lager geteilt: ihres und unseres. Wir sind in der Überzahl, verlieren aber trotzdem immer." Diese lektion lernt Lluc schon früh. Am letzten Tag des Spanischen Bürgerkriegs muss der Achtjährige mit ansehen, wie seine Mutter erschossen wird. Bei der fürsorglichen Senyora Stendhal und ihrem Sohn Dani findet er ein neues Zuhause - nur, um es kurz darauf wieder zu verlieren. Lluc sinnt auf Rache. er träumt davon, in die Berge zu ziehen und sich dem Widerstand gegen Franco anzuschließen. Denn er will nicht sein leben lang auf der Seite der Verlierer stehen. (Klappentext)


    Rezension:

    Es ist eines dieser Romane, die zumindest gefühlt nicht großartig beworben und daher in der Wahrnehmung nicht ganz so weit oben auf den Büchertischen zu finden sind, wie es vielleicht andere Werke dieses Formats täten. Erzählt wird, was der Klappentext hergibt, eben die geschichte eines kleinen Jungen, der im Spanischen Bürgerkrieg seine Mutter, ein paar Jahre später praktisch seine liebgewonnene Adoptivfamilie verliert und überhaupt den ganzen Schmerz, die ganzen offenen Wunden ertragen muss, die der Spanische Bürgerkrieg in die Herzen der Bevölkerung getrieben hat.


    Wir erleben die Bewohner eines Dorfes nahe Girona, so detailliert beschrieben, dass man dem Autoren jede Zeile für bare Münze abnimmt, stammt Nadal doch selbst aus dieser Stadt, und können den die Verzweiflung, die Sehnsüchte, die Wut des Jungen nachvollziehen. Trotz der nicht gerade schwierigen Sprache, dies so kunstvoll umzusetzen, ist hier großartig gelungen. Die Protagonisten sind detailliert ausgearbeitet, bleiben jedoch, je mehr Nebencharakter, manchmal zu blaß, was aber im Fortgang der Handlung nicht stört. Der Spannungsbogen gleicht viele Schwächen des Romans aus.


    Aber eben nicht alle. In manchen Teilen plätschert die Handlung dann eben doch dahin, wie ein ums Überleben kämpfendes Rinnsal unter der spanischen Sonne, auch sind Schreib- und Erzählstil in manchen Abschnitten nicht passend zum Alter des Protagonisten. Die Hauptfigur ist sich selbst ein Rätsel. Zwei- bis dreihundert Seiten mehr, und Nadal hätte ein großartiges spanisches Epos schreiben können, so aber ist ein fast zu vernachlässigender Roman entstanden. Kann man lesen, muss man jetzt nicht unbedingt.


    Das Ende des Romans besteht aus Zeilen verpasster Chancen. Der Abschluss lässt den Leser unbefriedigt zurück. Da fehlt das gewisse Etwas. Die Abrundung, wie sie anderen familiären Romanen mit geschichtlichen Beiwerk zugrunde liegt, ist hier nicht vorhanden. Vielleicht ist das kennzeichnend für die spanische Gesellschaft direkt nach den Bürgerkrieg oder nach dem Ende der Franco-Diktatur, mit dessen Aufarbeitung man sich immer noch schwer tut. In sofern vielleicht ein nicht ganz unwichtiges Buch. In der gleichen Liga wie andere Romane dieses Genres spielt "Die letzten Tage meiner Kindheit" dennoch nicht.