Gretchen Dutschke - 1968: Worauf wir stolz sein dürfen

  • Autorin: Gretchen Dutschke

    Titel: 1968 - Worauf wir stolz sein dürfen

    Seiten: 217

    ISBN: 978-3-96196-006-4

    Verlag: kursbuch.edition


    Autorin:

    Gretchen Dutschke wurde 1942 in Oak Park/Illionois geboren und ist eine Autorin und ehemalige Studentenaktivistin. Sie wurde als Witwe fes 1979 verstorbenen Rudi Dutschke bekannt. Nach einem Theolgiesttudium begann sie ein Kurs am Goethe-Institut in Münschen und lernte in West-Berlin 1964 Rudi Dutschke kennen, nach einer vorrübergehenden Rückkehr in die USA, zog sie 1965 nach Deutschland und bgegann ein Theologiestudium in Hamburg und Berlin, welches sie 1971 abschloss. 1966 heiratete sie Dutschke und half ihn nach dem Attentat seine Sprache wieder zu erlangen. Nach seinem Tod zog sie 1985 wieder zurück in die USA, lebt heute jedoch wieder in Berlin.


    Inhalt:

    "Die drei Jahre zwischen 1966 und 1969 verliefen wie im Rausch, mal strahlend hell, mal im tiefsten Dunkel, euphorisch und verzweifelt, fast wie im Kino. Nur mit dem Unterschied, dass wir keine Zuschauer waren, sondern Akteure, mittendrin. Die Zeit hat uns geprägt, und wir haben die Zeit geprägt. Das gilt heute. darauf können wir und all die Millionen Menschen in Deutschland, die etwas von dem damals Erreichten verstanden haben und ihr Leben frei, bewusst, auch kritisch gestalten, stolz sein." (Klappentext)


    Rezension:

    Im Reigen der seit kurzem zahlreich erschienenen Bücher über die späten 1960er Jahre, die allesamt die Studentenproteste in Deutschland zum Thema haben, sticht ein Werk besonders hervor. Weil es dieses Stück Zeitgeschichte aus unmittelbarer Nähe der Akteure beleuchtet, mit den Errungenschaften und zugleich den Fehlern der Neudenker, diese Formulierung ist gewollt, kritisch umzugehen vermag. "1968 - Worauf wir stolz sein dürfen", ist das Werk von niemand Geringeren als Gretchen Dutschke, der Lebensgefährtin des Mannes, der zeitweilig zum Wortführer der Studentenproteste werden sollte, Dreh- und Angelpunkt der Veränderungen, die sich abseits von dem sich noch bildenden Terrorismus der RAF formieren und Deutschland mit Hilfe von Diskussionen verändern wollten, die in eine revoplutionäre Umwälzung der Verhältnisse führen sollte. Wie das von statten gehen sollte, was auf das althergebrachte System folgen sollte, wussten die Studenten auch nicht, doch Gretchen Dutschke macht deutlich, welche Rolle ihr Mann und seine Mitstreiter in dieser turbulenten Zeit spielten.


    Es ist eine turbulente Zeit, die hier sehr klar und reflektiert beschrieben wird. In einfühlsamer Sprache wird der Strudel des Zeitgeschehens, in dem sich die Akteure befanden, beschrieben. Der kritische Blick geht dabei nicht verloren. Schon das ist eine Meisterleistung. So reflektiert ihre Situation zu hinterfragen, hätte ich einem Teilnehmer oder Teilnehmerin der dort beschriebenen Ereignisse nicht zugetraut, handelt es sich hier doch um ein sehr intensives Stück Personengeschichte, bei der man sich eindeutig positionieren muss. Für Leser, die diese Zeit nicht erlebt haben, ist es ein unaufgeregter, aber positiver Blick auf Geschehnisse, die heute teils unwirklich erscheinen mögen, aber damals folgerichtig wohl auf die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse auch folgen mussten.


    Erstaunt folgt man den Gedankengängen der Dutschkes und ihrer Mitstreiter, sieht Wendepunkte und vor allem, dass der Weg der 68er keine Einbahnstraße war, sondern vielfältige Richtungen einschlug. Manche davon liefen sich tot, andere führten in die Irrungen der Illegalität, andere widerum veränderten mit Diskussion und praktischen kleinen Schritten die Gesellschaft deutschlands. Gretchen Dutschke ist ins Gelingen verliebt, und stellt, ohne den kritischen Blick zu verlieren, die positiven Aspekte dieser Zeit heraus. Zugleich auch die größte Schwäche ist die Knappheit der Schilderungen, von denen man gerne noch ein paar hundert Seiten mehr gelesen hätte. An manchen Stellen fehlt die Ausformulierung des einen oder anderen interessanten Gedankengangs, der sich weiter zu verfolgen lohnen würde, insgesamt liegt dennoch ein ausgewogenes zeitgeschichtliches Portrait vor, welches sich trotz seiner Schwächen zu lesen lohnt.

  • Ich finde es ja lustig wenn die Jugend heute über diese Zeit liest, ich war gerade 20 Jahre alt und natürlich bei einigen Demos dabei, auch in Österreich ging die Jugend auf die Strasse, mein Mann hat noch immer eine Narbe weil ihn ein Ziegestein getroffen hat.

    findo du solltest dieses Buch nachschieben, damit es nicht zu einseitig ist.:lol:

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • ich war gerade 20 Jahre alt und natürlich bei einigen Demos dabei

    Neid :mrgreen: Ich saß nämlich vor dem Fernseher und ärgerte mich, weil Kinder noch nicht mit demonstrieren durften. Worum es ging, habe ich erst einige Jahre später begriffen. :cry:

    Darüber hinaus kann ich mich dunkel an die Schimpferei meiner Großeltern erinnern, die befürchteten, die Kultur ginge den Bach runter und mit ihr Höflichkeit, Anstand und Etikette. Dass ich eine Ohrfeige bekam, weil ich fragte, was daran so wichtig sei, weiß ich auch noch. Meine Schmerzen waren mein Anteil an der 68er Bewegung.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • findo

    Schöne Rezension. :-,Ich finde es auch klasse, dass du generell Bücher zu diesem Themenbereich liest, weil ich das Gefühl habe, es geht etwas stark unter. In meinen Kreisen, sogar in der Universität findet es sich tatsächlich nicht mehr so oft. Es will schon gesucht werden, wie in den Bereichen der Soziologie, den Gesellschaftswissenschaften allgemein oder den Erziehungswissenschaften. Was ich sehr schade finde.

    Aber interessant auch, dass du Gretchen Dutschkes Reflexion so feierst. Mit den 68er Themen bin ich hin und wieder in Berührung gekommen und mich hat immer diese absurde Widersprüchlichkeit beeindruckt. Je nach Perspektive ist die eine Person DIE Schlüsselperson der "gesamten" Bewegung, während die Schlüsselfigur aus anderer Perspektive vielleicht 1-2 Mal als unbedeutender Nebencharakter auftaucht. Ich erinnere mich noch, dass meine Anfangslektüren oft weniger gut über Gretchen und Rudi geschrieben haben, was sich natürlich bei mir eingebrannt hat. Dann hatte ich irgendwann einmal einen Aufsatz von Gretchen Dutschke gelesen und es war plötzlich alles anders. :loool:

    Aber spannend und wichtig ist das Thema auf jeden Fall. Hat uns schon weit gebracht, glaube ich.


    Ich finde es ja lustig wenn die Jugend heute über diese Zeit liest, ich war gerade 20 Jahre alt und natürlich bei einigen Demos dabei, auch in Österreich ging die Jugend auf die Strasse, mein Mann hat noch immer eine Narbe weil ihn ein Ziegestein getroffen hat.

    findo du solltest dieses Buch nachschieben, damit es nicht zu einseitig ist.:lol:

    Ja, Einseitigkeit ist gefährlich. Immer und überall, weil dadurch schnell die Wahrheit, soweit sie überhaupt ermittelt werden kann, verloren geht. Doch ist es halt echt schwierig, hier Objektivität zu erreichen. Was sind überhaupt die verschiedenen beteiligten Parteien ? Von deren artikulierten Widersprüchen muss ich ja gar nicht anfangen. :loool: Die 68er Ereignisse haben mir das erste Mal die Grenzen der historisch neuesten Objektivität aufgezeigt und offenbart, dass sogar Ereignisse unserer eigenen nationalen Zeitgeschichte nicht auf einen objektiven Punkt runtergebrochen werden können. Vorher war ich etwas blauäugig und dachte, man müsse nur genug recherchieren und lesen und irgendwann glangt man zur Wahrheit, hahaha.

  • Cato Censorius Ich mag es einfach, etwas über eine Zeit zu erfahren, die ich nicht selbst erlebt habe. Und die Autorin sieht auch die Kritkpunkte an der Bewegung und nicht alles von damals positiv, zumal ihre Beziehung zu Dutschke auch nicht immer leicht war. Und einseitig darf es nicht sein, das Buch von Bettina Röhl, deren Mutter Ulrike Meinhof einen ganz anderen Weg beschritten hat, liegt auch schon bereit.

  • findo

    Aber offensichtlich sieht sie auch nicht alles negativ. :loool: Ich meine mich auch zuerinnern, dass das, was ich vn Gretchen Dutschke gelesen hatte, recht erkenntnisreich war. Sie verliert sich nicht in memoirenartigen Nacherzählungen ihrer Erlebnisse, sondern bleibt beim zentralen der Thema des Überblicks der 68er. Glaube ich.

    Dabei interessiert mich dieses Thema seit einiger Zeit schon ziemlich. Aber die Literatur dazu ist ja wirklich unverschämt umfassend. :shock:

  • findo

    Aber offensichtlich sieht sie auch nicht alles negativ. :loool: Ich meine mich auch zuerinnern, dass das, was ich vn Gretchen Dutschke gelesen hatte, recht erkenntnisreich war. Sie verliert sich nicht in memoirenartigen Nacherzählungen ihrer Erlebnisse, sondern bleibt beim zentralen der Thema des Überblicks der 68er. Glaube ich.

    Dabei interessiert mich dieses Thema seit einiger Zeit schon ziemlich. Aber die Literatur dazu ist ja wirklich unverschämt umfassend. :shock:

    Ich habe auch Butz Peters' "Tödlicher Irrtum" über die Geschichte der RAF gelesen, sowie den "Baader-Meinhof-Komplex" von Stefan Aust. Habe heute mal stichprobenartig in Bettina Röhls Buch reingelesen. Es war bis eben noch eingeschweißt. Mein erster Eindruck ist, dass sie die 68-er bewegung ziemlich auseinander nimmt, besonders kritisch auch mit ihrer Mutter umgeht, die die beiden Töchter zugunsten der RAF verlassen hatte. Was man ihr auch nicht verdenken kann. Wie gesagt, nur mein erster Eindruck. Mal schauen, zur Zeit lese ich jedoch erst einmal einen kleineren Roman.