Alice Camden - Der Geschmack von Honigmuffins

  • Klappentext:
    Nur für einen Moment bestaunt Julian den honigfarbenen Mond und ist sich sicher: Dort oben müssen alle schwulen Traumprinzen wohnen, warum sonst hat er noch keinen getroffen? Doch im nächsten Augenblick ändert sich sein Leben dramatisch. Denn ein Unbekannter hat ihn beim Sex mit einem anderen Mann gefilmt und verbreitet das Video im Internet. Plötzlich hat der angehende Grundschullehrer ganz andere Sorgen. Er sieht seine Zukunft in Gefahr und sucht Halt bei seiner Familie, doch dort findet er nur Misstrauen.

    Ausgerechnet Rock, ein Kollege aus dem Café Cinnamon, mit dem Julian bisher kaum Kontakt hatte, hilft ihm schließlich. Der muskulöse Ex-Häftling mit den vielen Tattoos lässt ihn sogar in seiner Wohnung übernachten. Zögerlich nimmt Julian die Hilfe an und stellt fest, dass sich hinter dem wortkargen Rock ein liebenswerter und zärtlicher Mann verbirgt. Dankbar für den Beistand will er sich erkenntlich zeigen, doch Rock lehnt alles ab, was Julian ihm geben will. Täglich kommen sie sich näher und doch kann Julian die Mauer um Rocks Seele nicht durchbrechen. Verwirrt von seinen Gefühlen für den dreizehn Jahre älteren Mann muss Julian auch noch feststellen, dass er weiterhin von einem Unbekannten verfolgt wird.

    Meine Meinung:
    Dieses Buch habe ich mir aufgrund der positiven Bewertungen gekauft und weil ich das Cover schön fand. Es startet auch ganz großartig und ich dachte eigentlich, dass es ein richtiger Pageturner werden wird. Leider sollte es für mich nicht so bleiben und spätestens ab der Hälfte des Buches war ich immer wieder am überlegen, ob ich abbreche und es zur Seite lege. Manchmal muss man einfach ehrlich sagen, dass weniger mehr wäre (von der Seitenzahl gesehen), denn die Geschichte drehte sich einfach nur noch im Kreis, ohne dass etwas Nennenswertes passiert wäre.

    Die eigentliche Story, nämlich, dass von Julian ein sehr privates Video veröffentlicht wurde und er um seine Zukunft sorgt, diente leider nur als Einstieg in die Geschichte. Eine wirkliche Rolle spielt das Thema im Verlauf des Buches nicht mehr. Wir erfahren nicht, wie Julians Freunde, Verwandte oder Bekannte damit umgehen. Er schottet sich einfach von seinem vorherigen Leben ab und es scheint auch, bis auf eine ganz kurze Szene, keine Berührungspunkte für ihn mit seinen Leuten zu geben. Halte ich für sehr unwahrscheinlich, dass niemand versucht Kontakt zu ihm aufzunehmen. Hier wurde definitiv Potential verschenkt. Am Ende wird diese Geschichte selbstverständlich noch aufgelöst, aber auf mich wirkte sie doch ein bisschen konstruiert.


    Julian selbst fand ich als Figur gut aufgebaut. Er ist 22 Jahre alt, hat noch nicht viel erlebt und wohnt noch sehr behütet zuhause bei seinen Eltern. Dass er mit der Situation nicht wirklich umgehen kann fand ich durchaus realistisch. Auch sein weiteres Verhalten, dass ich zwar manchmal nicht nachvollziehen konnte, passte zu ihm und seinem bisherigen Lebensstil. Er ist sehr unsicher, was das Leben insgesamt angeht und auch in Bezug auf seine Beziehung (oder eher Nicht-Beziehung) zu Rock. Seine Gefühle gingen mir persönlich zu schnell zu tief, als dass ich sie ihm wirklich abkaufen konnte.


    Rock empfand ich zuerst als interessanten Protagonisten, der nach und nach aber leider immer langweiliger wurde. Er kommt aus seinem Schneckenhaus nicht heraus, macht auch überhaupt keine Anstalten dazu. Als im Verlauf der Geschichte sein persönlicher Hintergrund (Kindheit, bisherige Beziehungen) offenbart wurde, wurde sein Verhalten etwas besser durchschaubar. Dennoch hätte ich mir deutlich mehr Entwicklung gewünscht.


    Oma Irmi war die Person, die mir am Meisten gefallen hat. Sie blickt mit einem unheimlichen Scharfsinn auf die Welt und ist für Rock der Fels in der Brandung. Sie hat ein großes Herz und versteht sehr schnell, dass Julian der Mann sein kann, der Rock bedingungslos lieben könnte. Oma Irmi hat definitiv in dieser Geschichte als Einzige den Durchblick und scheut sich nicht, ihre Gedanken auch in Worte zu fassen.


    Der Schreibstil von Alice Camden ist super. Sehr leicht und fluffig zu lesen. Ich flog nur so durch die Seiten, angetrieben von ihren schönen Sätzen. Nur die Ausarbeitung der Geschichte hat mir persönlich nicht zugesagt. Aus meiner Sicht hätte die Autorin deutlich straffen können und den Kreislauf von “ich möchte deine Nähe” (Julian) und “ich bin Müll, du hast was Besseres verdient” (Rock) früher durchbrechen. Für mich wurde es irgendwann einfach nur noch ermüdend die beiden in immer wieder ähnlichen Situationen immer wieder ähnliche Dinge sagen und tun zu sehen. Dadurch ging für mich die Spannung leider ein bisschen verloren.


    Ich habe das Buch bis zum Ende gelesen, weil ich wissen wollte, wie sich die Geschichte entwickelt und weil ich durchaus für Julian und Rock gehofft und mit ihnen gelitten habe. Es war keine verschwendete Zeit, aber empfehlen kann ich das Buch leider auch nicht wirklich. Von mir gibt es 2 Sterne.

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)