Gaito Gasdanow – Schwarze Schwäne/Cygnes noirs/Черные лебеди

  • Kurzmeinung

    tom leo
    Vier Kurzgesch von meist Russen im Exil. Gute Personenbeschreibungen und unvergessliche Konstellationen.
  • In der von mir gelesenen französischen Ausgabe eine Sammlung von vier Erzählungen unter dem Titel von einer unter ihnen. Eingeleitet und übersetzt von Elena Balzamo, 2015


    INHALT :


    - Schwarze Schwäne/Cygnes noirs/Черные лебеди (1930), 20 S.
    Der Erzähler steht in Kontakt mit Pavlov, der kaltblütig seinen Selbstmord für einen bestimmten Tag ankündigt. Dieser exilierter Russe, vielseitig begabt, sieht keinen Sinn mehr in seinem verloren eingeschätzten Leben als Fabrikarbeiter. Gewisser Existenzialismus ? Pavlov entzieht sich jeglicher Kategorisierung, hängt nicht am Leben. Oder gab es doch mal zumindest etwas, was ihn wirklich berührt hat ? Wird dies ein letztes Gespräch mit dem Erzähler zutage bringen ?

    (siehe auch Veröffentlichung auf Deutsch : Schwarze Schwäne. In: Sinn und Form 6/2013, S. 773–787 ; eine Erzählung, übers. von Rosemarie Tietze : ISBN 978-3-943-29714-0 )


    - Compagnon du soir (1939), 35 S. (in etwa : Abendgefährte)
    Ein Exilrusse (der Erzähler) trifft in einem Park auf ein bekanntes Gesicht : ein inzwischen gealterter, pensionierter französischer Politiker mit gewissem Bekanntheitsgrad. Er strahlt fast Düsternis aus, steht allem abgeklärt und kalt gegenüber, sarkastisch fast. Ohne Illusionen über die Menschen… Aber gab es eventuell auch für ihn mal eine Beziehung, eine Frau, die ihn diskret und ohne Erwartung auf öffentliche Anerkennung unterstützt hat ? Wird er sie vor seinem Ende nochmals aufsuchen ? Oder war auch das nur Illusion ?


    - Office des morts (1960), 15 S (in etwa : Totenamt)
    Diese Erzählung spielt in der Besatzungszeit Frankreichs durch die Deutschen, und sieht mit sehr kritischem Auge das Treiben so mancher russischer « Abstauber und Profitierer » : Sie befanden sich in steter Revolte und gewissenslos gegnüber den westeuropäischen Verhältnissen. Wie in einer Blase. Manche profitieren vom Krieg, und spielen Vermittler zwischen Besatzern und französischen Geschäftsleuten. Aber was zählt wirklich ? Das Leben ist zerbrechlich und geht vorüber… Beim Tode von Grischa wird ein russisch-orthodoxes Totenamt improvisiert : unvergesslich, herzzereissend. Den Tod akzeptieren…


    - Les lettres d’Ivanov (1963), 28 S (in etwa : Die Briefe von Iwanow)
    Nikolai Franzovitsch erscheint wie ein gemachter Mann, steht über allen Dingen, verfügt über Geld, ist unberührbar. Aber auf den Erzähler wirkt er auch ein wenig distanziert, fast unverständlich. Gibt es einen Riss in seinem Leben, einen Bruch ? Verbirgt er etwas ? Und was enthüllen da die gefundenen Briefe… ?



    In jeder dieser vier Erzählungen handelt es sich um einen Blick eines betrachtenden, teils teilnehmenden Erzählers auf (in dreien von ihnen) Exilrussen in Paris, die er aus den Augen verloren hat oder wiederfindet. Diese Auslandsrussen infolge der Revolution und des Bürgerkrieges sind Entwurzelte auf der Suche nach ihrer Identität. Gasdanow beschreibt ihr Leben auf unbeschreibliche Art und Weise… Hier nicht mehr in der Betrachtung auf eine Vergangenheit, sondern in der Auseinandersetzung mit dem « neuen Leben » als Exilierte in Frankreich, so wie der Schriftsteller es selber war. Diese Menschen verbildlichen das Tragische, das Absurde und den Zufall des Schicksales… Man vergisst sie nicht so leicht. Was macht eine Existenz aus ? Was fehlt einem (Frage des Exilierten in reinster Form?!) ? Man beachte die Spannbreite der Erscheinungsdaten: von 1930 bis 1963!


    Zitat

    In Gasdanows Prosa vermischen sich Reflexionen und Assoziationen eines Ich-Erzählers und seiner Figuren mit der Schilderung von Situationen und Ereignissen. Die Fabel lässt sich nur aus vielen Fragmenten erschließen. Da seine Prosa immer wieder an die Fragen nach dem Sinn der menschlichen Existenz rührt, nannten ihn manche Kritiker den „russischen Camus“.
    (aus dem Wikipedia-Artikel)

    Beeindruckend ! Zu entdecken !


    In Frankreich hat man sich nun seit Jahren wieder mitr der Neuedition seiner Werke beschäftigt. In Deutschland sollte man sich wieder drum bemühen !


    AUTOR :
    Gaito Gasdanow (russisch Гайто Газданов, wiss. Transliteration Gajto Gazdanov; eigentlich: Georgi Iwanowitsch Gasdanow; * 23. Novemberjul./ 6. Dezember 1903greg. in Sankt Petersburg; † 5. Dezember 1971 in München) war ein russischer Schriftsteller und Journalist. Sein Vater war staatlicher Forstbeamter ossetischer Abstammung. Als der Sohn vier Jahre alt war, wurde der Vater aus der Hauptstadt in die Provinz versetzt; die Familie lebte jeweils mehrere Jahre in Sibirien, in der Nähe von Twer, sowie in der heutigen Ukraine, in Charkow und Poltawa, wo Gasdanow eine Kadettenschule besuchte.

    Mit knapp 16 Jahren trat er 1919 im Russischen Bürgerkrieg einem Verband der Weißen Armee bei. Als einfacher Soldat tat er Dienst auf einem Panzerzug. Nach der Niederlage der Weißen gehörte er zu den Truppenteilen, die von der Halbinsel Krim in die Türkei übersetzten und zunächst unweit von Istanbul interniert wurden. Von dort konnte er nach Bulgarien übersiedeln. In einem eigens für russische Flüchtlinge eingerichteten Gymnasium in der ostbulgarischen Stadt Schumen legte er die Reifeprüfung ab.

    1923 gelangte er im Strom der russischen Emigranten nach Paris. Dort arbeitete er zunächst als Lastenträger und Lokomotivenwäscher, dann als Mechaniker bei Citroën, schließlich viele Jahre als Fahrer eines Nachttaxis. Außerdem hörte er an der Sorbonne Vorlesungen in Literaturgeschichte, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften.

    Ab Ende der zwanziger Jahre publizierte er regelmäßig in Zeitungen und Zeitschriften der russischen Emigration, seine Prosatexte bekamen teilweise sehr positive Kritiken, u.a. lobte ihn der Nobelpreisträger Iwan Bunin.

    Gemeinsam mit seiner ebenfalls aus Russland stammenden Frau schloss er sich im Zweiten Weltkrieg der Résistance an. Er wurde einer bewaffneten Einheit im Untergrund zugeteilt. Auch half das Ehepaar, jüdische Kinder zu verstecken. Nach dem Krieg schrieb er auf Französisch ein Buch darüber, mit dem er erstmals ein größeres Echo als Autor fand.

    1952 erhielt er das Angebot, als freier Mitarbeiter des russischen Programms des vom US-Kongress finanzierten Senders Radio Liberation (später "Radio Liberty") über das Pariser Kulturleben zu berichten. Für seine journalistische Arbeit nahm er das Pseudonym „Georgij Tscherkassow“ an. 1954 erhielt er eine feste Anstellung in der Sendezentrale in München. Nach fünf Jahren in der bayerischen Hauptstadt kehrte er 1959 als Korrespondent des Senders nach Paris zurück. Nach weiteren sieben Jahren an der Seine übernahm er 1966 die Leitung des russischen Programms in der Zentrale, die sich in Schwabing am Rande des Englischen Gartens befand. Bis zu seinem Tod an Lungenkrebs lebte er in einer Dienstwohnung in der Osterwaldstraße 55.

    Begraben wurde er auf dem Russischen Friedhof von Sainte-Geneviève-des-Bois bei Paris. Die ossetische Gemeinde von Paris stiftete auf Initiative des Dirigenten Valeri Gergiev 2003 einen neuen Grabstein.
    (Quelle und mehr, siehe : https://de.wikipedia.org/wiki/Gaito_Gasdanow )

    Poche: 120 pages
    Editeur : Viviane Hamy (7 mai 2015)
    Collection : BIS
    Langue : Français
    ISBN-10: 2878586050
    ISBN-13: 978-2878586053

  • Hier eine Verlinkung zu einer russischen Ausgabe der Erzählungen und Kurzgeschichten. Ich gehe davon aus, dass die oben besprochenen sich in ihnen befinden müssen. Zumindest aber "Schwarze Schwäne".


    Черные лебеди

    Твердый переплет

    Авторы : Гайто Газданов

    Формат издания : 145х215 мм (средний формат)

    Количество страниц : 416

    Год выпуска : 2002

    ISBN : 5224021006

  • Versuchen wir mal, die Veröffentlichung auf Deutsch der Titelgeschichte zu verlinken?!


    Schwarze Schwäne

    In: Sinn und Form 6/2013, S. 773–787

    Erzählung, übers. von Rosemarie Tietze

    ISBN: 9783943297140

  • Auf Deutsch scheint es keine Anthologie oder Gesamtausgabe oder ähnliches der Kurzgeschichten und Erzählungen zu geben. Daher hier für die Interessierten noch eine Sammlung auf Englisch...:


    The Beggar and Other Stories

    Taschenbuch: 224 Seiten

    Verlag: Pushkin Collection (25. September 2018)

    Sprache: Englisch

    ISBN-10: 1782274014

    ISBN-13: 978-1782274018