Rainer Maria Rilke - Gedichte

  • Die Buchrückseite:


    »Und dann meine Seele sei weit, seit weit,
    dass dir das Leben gelinge,
    breite dich wie ein Feierkleid
    über die sinnenden Dinge.«


    Erster Satz:


    Da neigt sich die Stunde und rührt mich an
    mit klarem, metallenem Schlag:
    mir zittern die Sinne.


    Meine Meinung:


    Ich bin wohl nicht die richtige Leserin für Rilkes Gedichte.


    Ja, ich traue mich, Rilkes Gedichte zu rezensieren und ich weiß jetzt schon, dass meine Rezension nicht gut ausfallen wird. Aber ich denke, das ist okay, schließlich ist eine Rezension immer von der ganz persönlichen Sichtweise und den eigenen Vorlieben geprägt - eine völlig subjektive Meinungsäußerung sozusagen. Die Schwiegermutti in spe und Rilke mögen es mir also verzeihen, denn ich konnte leider gar nichts, oder kaum etwas, mit dem Inhalt anfangen.


    Dass ich nicht wirklich der Gedichte-Fan schlechthin bin, dürfte der eine oder andere meiner aufmerksamen Lesern bereits mitbekommen haben. Warum habe ich Rilkes 524 seitenlange Gedichte dann aber trotzdem gelesen und beendet? - Zum einen, weil das Buch ein Weihnachtsgeschenk (2016) von der Mutter meines Freundes war und sie meinen Lesegeschmack damals noch nicht kannte, weswegen sie wahrscheinlich gedacht hat, sie macht mir mit ein paar schönen Rilke-Gedichten eine Freude. Zum anderen, weil ich zu der Zeit noch nicht viel mit Gedichten in Berührung war und noch nicht wusste, dass dies absolut nicht mein Lesebereich ist, in dem ich Freude habe.
    Mal begonnen mit dem Buch, konnte oder wollte ich dann auch nicht mehr abbrechen, schließlich war es ein Geschenk und außerdem fällt es mir echt schwer, Bücher, die ich begonnen habe, nicht zu beenden. Ich habe eh relativ lange an dem Buch gelesen. Mich hat es eben nicht häufig gereizt, mich auf die Texte einzulassen. - Gut, vielleicht lag dies auch an der recht stressigen Schul- und Lernzeit, die ich hinter mir habe, ich weiß es nicht ...


    Was hat mir nun genau nicht an den Gedichten gefallen? - Dass man hochkonzentriert bei der Sache sein musste, um die meisten Gedichte/die Aussagen darin auch nur ansatzweise zu verstehen. Ich gehöre eher zu der Sparte Leser, die zur Unterhaltung lesen und nicht, weil sie sich fordern wollen. Wenn ich Wissenswertes aufnehmen oder etwas zum Nachdenken lesen möchte, dann entscheide ich mich ganz bewusst dafür und greife dann eben zu einem Sachbuch, Ratgeber oder dergleichen. Von Gedichten erwarte ich mir persönlich eher Entspannung und Unterhaltung und nicht hochtrabendes, schwülstiges und hochintellektuelles Zeug. Also ja, ich fand es teilweise echt mühsam die Gedichte zu lesen, ganz besonders nach einem langen anstrengenden Tag, an dem ich mir abends einfach nur ein wenig Erholung gewünscht hätte. Was können jetzt die Gedichte dafür? - Genau: gar nichts. Ich bin wohl einfach nicht die richtige Leserin für Rilkes Gedichte gewesen und warum das so ist, wollte ich an dieser Stelle gerne einmal loswerden. Eventuell auch, damit andere Leser, die in der Hinsicht ähnlich wie ich gestrickt sind, wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie zu dem Buch greifen.


    Gibt es auch was Schönes/Positives zu berichten? - Es bleibt zu sagen, dass die Gedichte relativ kurz sind und man das Buch dann auch schnell mal wieder zur Seite legen kann, um ein anderes Mal oder später darin weiterzulesen. Man muss also nicht irgendwo mittendrunter unterbrechen oder ewig weiterlesen, bis ein Kapitel/Abschnitt zu Ende ist.
    Genau genommen, gab es leider nur eine Handvoll Gedichte, die mir irgendwie zugesagt haben bzw. ich auf Anhieb verstanden habe, weil sie nicht so hochkompliziert geschrieben wurden. Diesen wenigen aber konnte ich dennoch was abgewinnen.


    2 :bewertung1von5::bewertung1von5:!

  • Danke für Deinen Mut!


    Ei, von Dir liebe ich so viele Deiner gesammelten Zitate im Zitate-Fred, dass ich ziemlich sicher war, beim Klicken auf diese Rezi zu Rilkes Gedichten eine Zustimmung zu finden. Aber so wie Du es erklärst, sind die Gedichte von RMR eben nichts für Dich. Einige beissen sich vor lauter gedachter und gepflegter Zusammenhänge vielleicht in den eigenen Schwanz?


    Nichts destotrotz bekunde ich einfach mal, dass ich selber vielleicht auch nicht alle so auf Anhieb verstehe, aber daran auch nicht das Maß aller Dinge sehe. Gerade von Gedichten erwarte ich mir persönlich nicht so sehr Unterhaltung, die ich woanders einfacher finden kann. Was ich bei Rilke finde ist eine manchmal fast unglaubliche Melodie der deutschen Sprache: Wer Rilke richtig deklamieren kann, würde eventuell bei auch Nicht-Deutschsprachigen ein echtes Echo finden. Kein Wunder, dass zB meine russischen Freunde - ohne alles zu verstehen - sagten, dass das und dies eben "schön" sei.


    Wie Rilke mit Sprache umgeht finde ich selber schon mehr als beachtlich. Inhaltlich vielleicht ist einiges etwas zu umständlich? Ich habe eine Ausgabe im sehr handlichen Format. War es bei Insel?

  • Mich hat es eben nicht häufig gereizt, mich auf die Texte einzulassen.

    Hast Du schon einmal versucht, die Gedichte laut zu lesen und dabei auf den Rhythmus und die Sprachmelodie zu achten? Das kann EIN Zugang sein.


    Kann es sein, dass Du glaubst, es sei mehr dahinter als ein paar schöne Bilder? Nimmt man z.B. Rilkes berühmtes "Der Panther": Es ist ganz einfach die Beschreibung eines im Käfig gefangenen Raubtieres, das Rilke mit Gefühlen ausstattet. Wir glauben immer, Gedichte seien so schrecklich kompliziert; die meisten lassen sich wie Kleinst-Geschichten lesen. Auch so bekommt man einen Zugang.

    Übrigens: Ich mag Lyrik, aber Rilke nicht. Wenn ich auch seinen Umgang mit Sprache toll finde.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Darf ich ganz ehrlich sein? Den Sinn dieser Rezension begreife ich nicht. Es gibt viele Leute, die mit Lyrik nichts anfangen können. Sie ist ihnen zu anstrengend, sie verstehen sie nicht, sie wollen sich nicht mit ihr beschäftigen. Das ist ihre Sache und völlig in Ordnung. Nur: Warum beurteilst Du Rilkes Gedichte, wenn Du Dich doch gar nicht auf sie einlassen möchtest? Und wieso erwartest Du Dir von Gedichten eher Entspannung und Unterhaltung? Diesen Satz verstehe ich überhaupt nicht. Wieso erwartest Du das ausgerechnet von Gedichten? Du schreibst, Du kannst mit Gedichten nicht viel anfangen, Du schreibst, Du liest nur zur Unterhaltung, Du schreibst, Du möchtest beim Lesen nicht "gefordert" werden - ich nehme an, Du meinst "geistig gefordert" werden. Okay, dann sind viele Bücher nichts für Dich: Lyrik und Dramen, die gesamte Weltliteratur, eine ganze Anzahl moderner Romane, weil die Autoren versuchen, Gefühle, Gedanken und Phänomene in besonderen Bildern oder Sprachformen zu erfassen und zu bannen, denen man bisweilen ein wenig nachspüren muss.

    Weil Dir Rilkes Gedichte zu hoch sind und weil sie Konzentration erfordern - vor allem von einem ungeübten Lyrikleser - sind sie noch lange nicht "hochtrabend, schwülstig oder hochintellektuelles Zeug". Welche Gedichte meinst Du denn genau?

    Was können jetzt die Gedichte dafür? - Genau: gar nichts. Ich bin wohl einfach nicht die richtige Leserin für Rilkes Gedichte gewesen und warum das so ist, wollte ich an dieser Stelle gerne einmal loswerden. Eventuell auch, damit andere Leser, die in der Hinsicht ähnlich wie ich gestrickt sind, wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie zu dem Buch greifen.

    Sei mir nicht böse, aber muss man eine lange Rezension darüber schreiben, dass man beim Lesen unterhalten werden will, mit Gedichten nichts anfangen kann und andere, die das auch nicht können, vor Rilke warnen möchte?

    :study: Willa Cather - Meine Antonia

    :study: Michel Houllebecq - Karte und Gebiert

    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidung















  • Sei mir nicht böse, aber muss man eine lange Rezension darüber schreiben, dass man beim Lesen unterhalten werden will, mit Gedichten nichts anfangen kann und andere, die das auch nicht können, vor Rilke warnen möchte?

    Muss man nicht - kann man aber machen. 8) Wenn ich bei jeder Rezi nach der Sinnhaftigkeit fragen würde :-,

  • Ich springe mal für den guten Rainer Maria in die Bresche... :wink: Seine Gedichte kenne ich, seit ich in der dritten Klasse zur Weihnachtsfeier in der Aula "Advent" aufsagen musste durfte, und er war mein erster Berührungspunkt in Sachen Gedichte. Vielleicht sogar prägender, als ich sagen kann.


    Allgemein kann ich mit Lyrik wenig anfangen, doch durch diese "Aktion" besitze ich einen kleinen, unscheinbaren Rilke-Band, den ich sehr schätze. An Gedichte gehe ich jedoch völlig anders ran als an Romane - schon allein, sie an einem Stück von vorn nach hinten durchzulesen, wäre für mich gar nicht machbar, weil viel zu anstrengend und sinnlos. Manchmal schlage ich eine Stelle auf und bin berührt von der Eigentümlichkeit und der Poesie, mit der er schreibt. Und wenn ich in der richtigen Stimmung bin, treffen seine Worte mich mitten ins Herz.


    Liebe @Janine2610, Rilke nicht gut zu finden und das auch kundzutun, ist dein gutes Recht, aber wenn daraus ein Gedichtmarathon wird, durch den du dich quälen musst, dann leg' ihn doch einfach weg, Geschenk hin oder her. Was Romane angeht, gehe ich mit mofre konform, und ein bisschen zu hart gehst du m. M. auch mit Rilke ins Gericht. Wie schade, wenn das Werk eines Autors schlecht bewertet wird, weil der Leser sich nur berieseln lassen möchte und nicht damit rechnet, zum Nachdenken aufgefordert zu werden. Nichts für ungut, aber um ehrlich zu sein, entzieht sich das ein wenig meinem (Lese-)Verständnis. Für mich bedeutet lesen, den Horizont zu erweitern und offen für andere Sichtweisen zu sein bzw. mitzurätseln. Natürlich kann das jeder halten, wie er möchte, und trotzdem würde mir persönlich Lesen rein zur Unterhaltung und Entspannung nicht genügen. Ein gutes Buch / Gedicht soll inspirieren, nachdenklich machen, bewegen, meinetwegen auch schockieren. Aber mich nie gleichgültig zum nächsten greifen lassen.

  • Gedichte hintereinander wegzulesen ist sowieso so eine Sache....


    Was den Zugang angeht: der Rat, den Text laut zu lesen, ist ein guter Rat, finde ich.

    Ein Gedicht ist immer Musik - und viele

    Rilke-Gedichte haben sich mir erst so richtig über die Vertonungen erschlossen. Vor allem Lieder mit der Todesthematik.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Was den Zugang angeht: der Rat, den Text laut zu lesen, ist ein guter Rat, finde ich.

    Ein Gedicht ist immer Musik - und viele Rilke-Gedichte haben sich mir erst so richtig über die Vertonungen erschlossen. Vor allem Lieder mit der Todesthematik.

    Das "Rilke-Projekt" hatte vor einigen Jahren voll eingeschlagen und wahrscheinlich einigen die Gedichte nähergebracht...

  • Rilke zu lesen ist nicht immer einfach, jedoch hin und wieder in der richtigen Dosierung :wink: hat man Freude daran.

    Es gibt ein Gedicht von Rilke, das liebe ich, jedoch ich lese es auf italienisch denn es hat für mich einfach einen wohltönenden Klang.

    Jedoch auch auf deutsch ist es wirklich sehr, sehr poetisch


    Einsamkeit

    Die Einsamkeit ist wie ein Regen.

    Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;

    von Ebenen, die fern sind und entlegen,

    geht sie zum Himmel, der sie immer hat.

    Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.


    Regnet hernieder in den Zwitterstunden,

    wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen

    und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,

    enttäuscht und traurig von einander lassen;

    und wenn die Menschen, die einander hassen,

    in einem Bett zusammen schlafen müssen:


    dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen...


    Aus: Das Buch der Bilder


    Zudem gibt es auf YouTube tolle Sprecher welche Rilkes Gedichte vortragen, somit bekommt man auch Zugang zu solche welche beim ersten lesen unverständlich erscheinen mögen. Besonders ein toller Sprecher ist Konstantin Wecker



    Einsamkeit

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Das "Rilke-Projekt"

    Stimmt! Das hatte ich ja total vergessen!


    Also ich bin wirklich ein eher pragmatischer Mensch, aber so Gedichtanfänge wie


    "Wie soll ich meine Seele halten, dass

    sie nicht an deine rührt?..."


    Also die finde ich sooo schön!


    Und eines meiner liebsten Gedichte ist


    "Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,

    die sich über die Dinge ziehn.

    Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,

    aber versuchen will ich ihn."

    und so fort....

    Schade, wenn jemand da so gar keinen Zugang findet. Ich finde das überhaupt nicht intellektuell,

    sondern zutiefst menschlich.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Auf jeden Fall hat die Rezension die lyrikliebenden Menschen hier dazu gebracht, aus der Deckung zu kommen und sich über Gedichte auszutauschen. :applause:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Auf jeden Fall hat die Rezension die lyrikliebenden Menschen hier dazu gebracht, aus der Deckung zu kommen und sich über Gedichte auszutauschen. :applause:

    Ja, da hast Du Recht :thumleft:

    Und dabei sind wir erst bei Rilke!


    Bei mir sind es fast immer die ersten Zeilen, die mich packen, z. B.

    "Es gibt so wunderweiße Nächte" (das ist doch Musik pur)

    oder

    "Herr: es ist Zeit."

    Und dann muss man doch weiter lesen und das Ganze nochmal von vorne...

    Komisch. Mir war gar nicht so klar, wie viele Rilke-Gedichte ich mag.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Auf jeden Fall hat die Rezension die lyrikliebenden Menschen hier dazu gebracht, aus der Deckung zu kommen und sich über Gedichte auszutauschen. :applause:

    Es ist doch schön zu wissen, dass es immer noch die lyrikliebenden Menschen gibt, die hier dann in die Bresche springen.

    Ich mag nicht alle Gedichte von Rilke, aber eines bringt mir bei jedem Lesen immer noch Gänsehaut. In wenigen Worten gelingt es Rilke

    die Einsamkeit und Verzweiflung eines gefangenen Lebewesens wiederzugeben.

    Als kleiner Junge war ich öfter im Kölner Zoo und war regelmäßig am Käfig des schwarzen Panthers, der dort sein Leben fristete. Er tat mir

    unglaublich leid. Viel später erst las ich Rilkes Gedicht >Der Panther< und es traf mich mitten ins Herz.


    Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe

    So müd geworden, dass er nichts mehr hält.

    Ihm ist als ob es tausend Stäbe gäbe

    Und hinter tausend Stäben keine Welt.


    Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,

    Der sich im allerkleinsten Kreise dreht,

    Ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,

    In der betäubt ein großer Wille steht.


    Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille

    Sich lautlos auf - Dann geht ein Bild hinein,

    Geht durch der Glieder angespannte Stille -

    Und hört im Herzen auf zu sein.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Zuerst einmal möchte ich gern mofre widersprechen: ich finde es gut, dass es diesen Fred gibt und ich freue mich, dass eine Unterhaltung entstanden ist.

    Dann möchte ich gern erwähnen, dass ich (sogar öfter) bei ähnlichen Plänen gescheitert bin: Schillers gesammelte Gedichte hintereinander lesen zu wollen, war eine Schnapsidee. So kommt man nicht weiter.

    Meine Erfahrung ist die, dass es immer mehrere Menschen braucht, damit ein Gedicht wirken kann. - Und dann nur in kleinen Dosen. Am besten geht´s beim Vorlesen. Wir haben in der Nachbarschaft ein sehr schönes Ritual: Nach den ersten Gläsern Rotwein ist immer jemand dran, ein Gedicht vorzutragen. Das ist schön und machte unsere Straße zu einer, die hinter den Fassaden ein tolles Geheimnis birgt.

    Insofern glaube ich, dass das Problem von Janine nicht wirklich viel mit Rilke zu tun hat. Da wäre auch Goethe oder Schiller gescheitert. Sie hatte halt nicht den richtigen Zugang.

    Jeden Tag EIN Gedicht, dass kann man sich dann wieder gut vorstellen.


    Der Panther ist aber doch auch richtig gut und "Herr, es ist....)

  • Meine Erfahrung ist die, dass es immer mehrere Menschen braucht, damit ein Gedicht wirken kann. - Und dann nur in kleinen Dosen. Am besten geht´s beim Vorlesen. Wir haben in der Nachbarschaft ein sehr schönes Ritual: Nach den ersten Gläsern Rotwein ist immer jemand dran, ein Gedicht vorzutragen. Das ist schön und machte unsere Straße zu einer, die hinter den Fassaden ein tolles Geheimnis birgt.

    Das muss man ausdrücklich hervorheben: eine wirklich tolle Sache, die Ihr da lebt! :thumleft:

  • Zuerst einmal möchte ich gern mofre widersprechen: ich finde es gut, dass es diesen Fred gibt und ich freue mich, dass eine Unterhaltung entstanden ist.

    Natürlich freue auch ich mich über jeden Thread, in dem eine Unterhaltung entsteht.:wink:

    Meine Erfahrung ist die, dass es immer mehrere Menschen braucht, damit ein Gedicht wirken kann.

    Ich lese Gedichte am liebsten allein, weil sie bei mir Emotionen und Stimmungen hervorrufen, die ich erstmal im stillen Kämmerlein für mich selbst durchleben und verarbeiten muss.

    Insofern glaube ich, dass das Problem von Janine nicht wirklich viel mit Rilke zu tun hat. Da wäre auch Goethe oder Schiller gescheitert. Sie hatte halt nicht den richtigen Zugang.

    Eben! :wink:


    Rilke hat ein Talent dafür, bestimmte Phänomene oder Gefühle mit Bildern so zu umschreiben, dass man plötzlich ihr Wesen versteht, wie zum Beispiel in seinem Gedicht "Abschied", in dem er das Ende einer Liebe beschreibt:


    "Wie hab ich das gefühlt, was Abschied heißt.
    Wie weiß ich's noch: ein dunkles unverwundnes

    Grausames Etwas, das ein Schönverbundnes

    Noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt."


    Oder seine vielen religösen Gedichte, die in erster Linie Ausdruck existentieller Grenzerfahrungen sind. In dem Gedicht "Der Ölbaumgarten" zum Beispiel beschreibt er die Scham und Verzweiflung eines Menschen, dem alles, woran er geglaubt und wofür er gekämpft hat, plötzlich fragwürdig geworden ist.


    "Er ging hinauf unter dem grauen Laub

    ganz grau und aufgelöst im Ölgelände

    und legte seine Stirne voller Staub

    tief in das Staubigsein der heißen Hände.


    Nach allem dies. Und dieses war der Schluss.

    Jetzt soll ich gehen, während ich erblinde,

    und warum willst Du, dass ich sagen muss,

    Du seist, wenn ich Dich selber nicht mehr finde."






    :study: Willa Cather - Meine Antonia

    :study: Michel Houllebecq - Karte und Gebiert

    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidung















  • mofre zeigt uns hier, so denke ich, zweierlei. 1., dass Rilke wirklich die Worte findet. Das sitzt fast immer, das setzt sich sofort als Bild vor dem inneren Auge fort.


    2. aber auch eine gewisse negative Haltung, die allzuoft durchschimmert. Melancholie, die kann er gut. Schiller ist für mich eher der Kämpfer und Großmeister Goethe hat außerdem noch Ironie, Humor und Schlüpfrigkeit in petto. Auch das macht Rilke vielleicht etwas schwieriger. (Wobei ich soo viel von ihm gar nicht kenne :-,)

    Hesse ist für mich der Verbinder aller dieser Sichtweisen. Stufen!


    Hier noch ein Beispiel aus meiner Erfahrung bzgl. Zugang zu Gedichten: Zweimal die Orchesterfassung der "Verklärten Nacht" von Schönberg gehört, ganz aufgeregt geworden, dann das Gedicht von Demel gefunden und hin und weg gewesen.

  • ber auch eine gewisse negative Haltung, die allzuoft durchschimmert. Melancholie, die kann er gut.

    Melancholie ja, negative Haltung nein. Ich würde Rilke eher für einen Bejaher des Lebens halten, eines Lebens, das nun mal viele schwierige und traurige Momente für uns bereithält. In der Zeit der Weimarer Klassik war diese Innerlichkeit, wie man sie in der modernen Lyrik findet, noch nicht üblich, die kam erst so langsam mit der Romantik auf.

    Humor und Schlüpfrigkeit

    Ja, das gefällt dir, gell? :lol: Es gibt da einen Entwurf der berühmten Walburgisnacht aus dem Faust, der schon ins Pornographische spielt. Veröffentlich wurde er damals natürlich nicht.

    Hesse ist für mich der Verbinder aller dieser Sichtweisen. Stufen!

    Ach, Hesse. Ich finde ja, dass schon Rilke in manchen seiner Gedichte ins Sentimentale abdriftet, aber Hesse ist mir oft zu pathetisch. "Stufen" finden alle klasse, ich weiß, aber wenn ich schon "der Weltgeist" höre, und das in einem modernen Gedicht. :roll: Was soll das denn überhaupt heißen? Das ist wieder ein aus dem Buddhismus übernommener Begriff, der so diffus und undeutlich ist, dass alle sich darin aufgehoben fühlen. Wie immer bei Hesse.:scratch:

    :study: Willa Cather - Meine Antonia

    :study: Michel Houllebecq - Karte und Gebiert

    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidung















  • Negative Haltung war wirklich blöd ausgedrückt.

    Und Hesse war halt Morgenlandfahrer. Das war ja damals alles auch irgendwie neu und revolutionär, nicht wie heute, wo jeder Schauspieler Buddhist ist und jede Friseuse Yoga praktiziert. Damals konnte Hesse ja dem Christentum, das übermächtig war, da etwas entgegensetzen ohne Rationalist werden zu müssen, was ja gar nicht gepasst hätte.


    Ja, der schlüpfrige Göthe gefällt mir, so a la "ein feuchtes Weib", das war ein ganz schlimmer! Und diese Personenliste zu einem Theaterstück (kann gerade nicht nachschauen), die ist so was von eindeutig pornographisch, mannomann. Aber irgendwie ist ja gerade da auch ein Zauber von Goethe, dieses lebenspralle, echte und wahrhaftigkeit bei aller Gelehrsamkeit.

  • Ja, der schlüpfrige Göthe gefällt mir, so a la "ein feuchtes Weib", das war ein ganz schlimmer!

    Ja, in der ersten Zeit mit seiner späteren Frau Christiana muss es auch hoch hergegangen sein. Immerhin ist ihr Bett zusammengebrochen und das war sicher solide Tischlerarbeit und nicht von Ikea. :lol:

    :study: Willa Cather - Meine Antonia

    :study: Michel Houllebecq - Karte und Gebiert

    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidung