Heinrich Steinfest - Die Büglerin

  • Tonia Schreiber ist Biologin, um für die vermeintliche Schuld am Tod ihrer Nichte zu büßen, wird sie zur Büglerin.


    Die Handlung ist natürlich Pillepalle, da muss man sich nicht groß drum kümmern. Aber wer kauft schon ein Buch von STeinfest wegen der Handlung? Eben. Aber wenn Steinfest ein Buch herausbringt, dann muss man es natürlich kaufen und lesen, da führt kaum ein Weg dran vorbei, wenn man die deutsche Sprache als Schatz versteht, aus dem man echte Kunst bergen kann. Sprachkunst. Mit Einsprengseln von Philosophie. Und so ist auch hier die "Story" nicht mehr als eine Grundlage, auf der Steinfest sich verwirklichen kann. Gibt es einen lebenden Künstler, der bessere Metaphern ersinnen kann? Ich wüsste keinen. Arno Schmidt hat einmal den Begriff "Wortmetz" für sich beansprucht, er passt auch auf Steinfest. Auf jeder Seite mehre Forumulierungen, die die Welt in einem neuen Licht erscheinen lassen, immer wieder verstören seine Wörter, zeigen das Abstruse und Bizarre an dieser Welt und ihren Bewohnern. Bedeutungen erscheinen aus Dingen und Situationen, die ansonsten banal geblieben wären. Und dadurch entsteht eine philosophische Sichtweise auf Alltägliches. Da braucht es nicht mehr den großen "Plot", da muss niemand erschossen werden, damit es sich lohnt, zu erzählen. Bzw. in unserem Falle, begeistert zu lesen.

    Die Steinfestwelt ist auf ihre ganz eigene Art bunt und verstörend, in ihrer leben Geister und Phänomene. Je mehr man von ihm liest, desto mehr wird man Teil dieser herrlichen Fabuliererei, deshalb ist es auch schön, wenn der erfahrene Leser am Ende von einer bekannten Figur kurz gegrüßt wird.

    Wie man sieht, führt also wieder einmal kein Weg daran vorbei, dieses Buch zu kaufen, tut mir leid. Obwohl, auch das kann man sagen, dieses nicht zu den besten seiner Bücher gehört. Aber trotzdem erhebt es sich weit über den sonstigen Ausstoss unserer Verlage.



    (Dies ist die erste Rezension, die ich schreibe, nachdem der Büchertreff umgestaltet wurde und ich habe schwer den Eindruck, wieder etwas falsch gemacht zu haben. Ich entschuldige mich also vorsichtshalber bei den Administatoren!)

  • Die Handlung ist natürlich Pillepalle,

    Trotzdem, hier ist sie:

    Tonia Schreiber ist Büglerin. Mit der Hand bügelt sie die Wäsche ihrer vermögenden Heidelberger Kunden. Die Arbeit erledigt sie mit Sorgfalt und Präzision, obgleich sie schlecht bezahlt wird. Denn das Bügeln ist ihre Form der Buße. Sie büßt für eine Tat, die ihr Leben unwiderruflich verändert hat. Ein Leben, das unter den besten Vorzeichen stand: Als Tochter renommierter Botaniker verbrachte sie ihre Kindheit auf einer Segeljacht. Später lebte sie in Wien in der elterlichen, mit Aquarien ausgestatteten Villa und zog gemeinsam mit ihrer Halbschwester ihre Nichte Emilie auf. Bis Emilie auf tragische Weise starb. Und Tonia alles aufgab, ihre Freunde, ihren Reichtum, die Wissenschaft. Sie verließ ihre Heimatstadt Wien und begann zu bügeln. Doch das Leben ist noch nicht ganz fertig mit ihr. Denn der Zufall spielt ihr etwas in die Hände, das Emilies Tod in ein anderes Licht rückt. - Amazon

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • ich habe schwer den Eindruck, wieder etwas falsch gemacht zu haben

    du hast schlicht den Inhalt unterschlagen - für Dich mag er pillepalle sein, aber er gehört zu einer Rezension dazu. Das war vor dem Update so und wir haben unsere Rezensionsvorlage mit dem Update nicht geändert.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Nun ja, für mich war der eine Satz irgendwie ausreichend, weil, wie gesagt, die Story irgendwie keine rolle spielte. Aber gut, ich werde demnächst wieder den Amazontext reinkopieren. Aber ich wusste gar nicht, ob ich im richtigen Bereich war und wo ich die ISBN eintragen musste.

    Nochmal sorry! Bin wohl ein Sorgenkind.

  • Nun ja, für mich war der eine Satz irgendwie ausreichend, weil, wie gesagt, die Story irgendwie keine rolle spielte.

    für Dich mag die Geschichte eines Romans keine Rolle spielen, für andere Leser aber sehr wohl. Deshalb gehört eine kurze Inhaltsangabe dazu. Die kannst Du auch selbst verfassen, das ist uns egal, aber sie gehört zu einer vollständigen Rezension dazu.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Der Klappentext weiter oben informiert über die Handlung.

    Mein Leseeindruck


    Der Autor erfindet eine ausgesprochen ungewöhnliche Protagonistin. Sie widmet sich als Buße einer üblicherweise eher ungeliebten Tätigkeit im Bereich des Haushalts: dem Bügeln. Diese Tätigkeit hebt sie zur Kunst empor: sie hat „tiefe Einsicht in das Material“ und auch die Wirkung des Gebügelten, und so wird der Vorgang des Bügelns magisch, fast mythisch überhöht. Mit der Tätigkeit des Bügelns büßt die Protagonistin eine Schuld ab, und hier bekommt der ansonsten bizarre und abenteuerlich-unglaubwürdige Plot tatsächlich eine dramatische Tiefe: ihre Schuld entsteht dadurch, dass sie Unheil abwenden wollte und genau dadurch erst das Unheil hervorrief – der Fluch der guten Tat.


    Steinfest erfindet keinen logisch durchdachten Plot und konstruiert auch keine widerspruchsfreie Handlungsabfolge. Er liebt offensichtlich das Spiel mit den Worten und den Sätzen, und da entwickelt er eine Wendigkeit und Findigkeit, die man nur bewundern kann. Kaum eine Seite vergeht ohne Skurrilitäten, ohne eine witzige Bemerkung, eine phantasievolle Parallele oder originelle Wortschöpfungen wie „Verzwergung“.

    Er brennt ein Feuerwerk an Sprachwitz ab, schweift ab in Assoziationen, verkündet uns seine persönlichen Ansichten, weist auf alltägliche Paradoxien hin, verliert sich in Nebenhandlungen, verbindet vermeintlich Unpassendes (Torte und Erlösung z. B.), gönnt sich böse Seitenhiebe auf zeitgenössische Prominente wie Martin Walser, assoziiert sich quer durch alle Galaxien und so fort – kurz: er feiert seine unbändige Freude am Formulieren.


    Und das muss man mögen oder nicht. Mir selber war es zu viel, und ich hätte mir gewünscht, dass er ab und an konzentrierter auf die Handlung schaut und seine ungeheuer vielfältigen und originellen Einfälle zugunsten der Handlung bündelt.


    Trotzdem:

    er bringt einen immer wieder zum Lachen. Ein Satz hat mir als Ex-Tanzsportler besonders gut gefallen:

    Tanzen ist eine der schönsten Arten, etwas gänzlich Sinnloses zu tun, bei dem man keinen Meter vorankommt.


    Wie wahr! Aber leider passt der Satz auch auf den Roman.

    Sprache ist meiner Meinung nach kein Selbstzweck.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Heinrich Steinfest "Die Büglerin"“ zu „Heinrich Steinfest - Die Büglerin“ geändert.