Celeste Ng - Kleine Feuer überall / Little Fires Everywhere

  • Kurzmeinung

    Nilu
    Wow, die Geschichte war wirklich abwechslungsreich und fesselnd.
  • Kurzmeinung

    mondy
    Interessante Charaktere, vielschichtige Handlung und viel Stoff zum Nachdenken.
  • Lauter kleine Schnipsel


    Daraus setzt sich letzten Endes dieses überaus sanfte und dennoch kraftvolle Buch zusammen.


    Das Haus der Richardsons in Shaker Heights steht in Flammen. Irgendjemand hat in jedem der Schlafzimmer Feuer gelegt und die Familie nebst Umfeld scheint sich sicher zu sein, dass es die jüngste Tochter Izzy war. Stück für Stück entwickelt die Autorin eine bewegende und fesselnde Geschichte, die letztlich zu dieser Tragödie führt.

    Mrs. Richardson ist bereits in den Shaker Heights aufgewachsen und nach dem Studium wieder zurück gekehrt, um in diesem extrem geordneten Umfeld - einer Reißbrett-Siedlung, in der sogar die Farbe der Häuser vorgeschrieben ist - der besseren Gesellschaft mit ihrer Familie - Mann und 4 Kinder - zu leben und ihren Kindern eine sichere und wohlhabende Zukunft zu sichern.

    Alles beginnt, als in ihr 2. Haus, das die Richardsons vermietet haben, Mia mit ihrer Tochter Pearl einziehen und Moody sich mit dieser anfreundet und sie seiner Familie vorstellt. Mia und Pearl führen ein unstetes Leben und ziehen regelmäßig weiter, wenn die Foto-Künstlerin Mia ihr jeweils anstehendes Projekt beendet hat. Man könnte sagen, zwei Welten treffen aufeinander, als diese beiden Familien sich miteinander abgeben.


    Ng lässt die agierenden Personen mit und mit auferstehen. Sie werden dem Leser regelrecht zerlegt und erschließen sich ihm immer mehr. Es ist nur verständlich, dass einem im Laufe des Buches Personen sehr sympathisch sind und manche auf Anhieb eher unsympathisch. Erstaunlicherweise können sich diese Sympathien während des Storyverlaufs ändern oder gar wechseln, denn die einzelnen Personen entwickeln sich während des Geschehens durchaus.

    Und wie die Künstlerin Mia aus Fotoschnipseln ein neues Kunstwerk erschafft, so lässt Ng aus vielen kleinen Story-Schnipseln dieses Gesamtgebilde entstehen, dass mich tatsächlich komplett umgehauen hat. Sie hat einen ganz wundervollen Erzählstil, der einen wirklich in die Geschichte mitnimmt und mitfühlen lässt. Dabei wahrt sie trotz allem einen sehr sachlichen, etwas distanzierten Stil, sodass es nie in Kitsch abgleitet und auch kein Moralapostel droht. Der auktoriale Erzähler erfüllt seine Aufgabe hier hervorragend!

    Immer wieder nimmt sie den Leser mit in die Vergangenheit der Protagonisten, bis sich ein immer klareres Bild ergibt. Und immer klarer wird auch, dass es keine durchweg guten oder schlechten Charaktere gibt in dieser Geschichte. Zugegeben - manche Entwicklung ist etwas vorhersehbar, wie man manchmal auch im richtigen Leben das Elend ab und an kommen sieht. Aber mich hat das überhaupt nicht gestört bei diesem tollen Roman.


    Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung! Ein Buch für Leser, die sich auch gerne einmal Zeit nehmen für eine sich ruhig entwickelnde Geschichte.

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Celeste Ng - Kleine Feuer überall“ zu „Celeste Ng - Kleine Feuer überall / Little Fires Everywhere“ geändert.
  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
    Es brennt! In jedem der Schlafzimmer hat jemand Feuer gelegt. Fassungslos steht Elena Richardson im Bademantel und den Tennisschuhen ihres Sohnes draußen auf dem Rasen und starrt in die Flammen. Ihr ganzes Leben lang hatte sie die Erfahrung gemacht, »dass Leidenschaft so gefährlich ist wie Feuer«. Deshalb passte sie so gut nach Shaker Heights, den wohlhabenden Vorort von Cleveland, Ohio, in dem der Außenanstrich der Häuser ebenso geregelt ist wie das Alltagsleben seiner Bewohner. Ihr Mann ist Partner einer Anwaltskanzlei, sie selbst schreibt Kolumnen für die Lokalzeitung, die vier halbwüchsigen Kinder sind bis auf das jüngste, Isabel, wohlgeraten. Doch es brennt. Elenas scheinbar unanfechtbares Idyll – alles Asche und Rauch?


    Autorin (Quelle: Verlagsseite)
    Celeste Ng (sprich: Ing) wuchs auf in Pittsburgh, Pennsylvania und in Shaker Heights, Ohio. Ng studierte in Harvard und machte ihren Master an der University of Michigan. Sie schrieb Erzählungen und Essays, die in verschiedenen literarischen Magazinen erschienen und mit dem Hopwood Award und dem Pushcart Prize ausgezeichnet wurden. 'Was ich euch nicht erzählte', ihr erster Roman, war ein New York Times-Bestseller, der, vielfach prämiert, in 20 Sprachen übersetzt wurde und auch verfilmt wird.


    Allgemeines
    Titel der Originalausgabe: „Little Fires Everywhere“, ins Deutsche übersetzt von Brigitte Jakobeit
    Erschienen am 20.04.2018 bei der dtv Verlagsgesellschaft als HC mit 384 Seiten
    20 Kapitel, Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
    Handlungsort und -zeit: Shaker Heights (Vorort von Cleveland, Ohio), 1997-1998


    Zum Inhalt
    Shaker Heights ist ein Vorort von Cleveland in Ohio, hier leben die gutsituierten und „anständigen“ Bürger nach festen Regeln, die Länge des Rasens ist ebenso reglementiert wie der Anstrich der Häuser und ein gewisser Verhaltenskodex. Auch die Familie Richardson mit ihren vier Kindern Lexie, Trip, Moody und Izzy ist schon lange fester Bestandteil einer Gesellschaft, in der das Aufregendste der Klatsch über Nicht-Angepasste ist. Zu diesen gehört allerdings auch die junge Izzy, die zum Ärger ihrer nach außen hin perfekten und wohltätigen Mutter Elena nicht nur eigenständige Gedanken hat, sondern diese auch unverblümt ausspricht. Das friedlich dahinplätschernde Leben der Familie bekommt Risse, als Elena ein von ihren Eltern geerbtes Haus an die alleinerziehende Künstlerin Mia und deren Tochter Pearl vermietet. Auch Mia ist eine Individualistin, die sich weder in ihr Leben hineinreden lässt noch zögert, für das einzutreten, was sie für richtig hält. Als sie damit gegen die Interessen einer guten Freundin von Elena vorgeht, beschließt diese, in der bisher nie thematisierten Vergangenheit von Mia herumzuschnüffeln, um eine Waffe gegen sie in der Hand zu haben.
    Doch die „Zündeleien“, die sie vornimmt, werden zu „Kleinen Feuern überall“ in ihrem eigenen Haus führen…


    Beurteilung
    Der Roman schildert das Leben einer wohlhabenden amerikanischen Familie in den Jahren 1997 / 1998, dieses Leben wurde und wird vor allem von der Mutter Elena, die bereits in Shaker Heights geboren und aufgewachsen ist, durchgeplant. Für die Kinder – inzwischen allesamt Teenager - sind ein guter Abschluss an der Highschool und dann ein Studium vorgesehen. Drei der vier Kinder „funktionieren“ auch gut, doch die Begegnung mit der unkonventionellen Kunstfotografin und Gelegenheitsjobberin Mia und ihrer Tochter Pearl eröffnet den Jugendlichen einen Blick auf eine andere Welt und bisher unbekannte Denkmodelle. Elena ist vor allem mit dem Kleinkrieg gegen die aufmüpfige Izzy beschäftigt, sie bekommt nicht mit, dass es auch im Leben der anderen Kinder zu Verwerfungen kommt. Als Mia sich indirekt ins Leben einer guten Freundin von Elena einmischt, beschließt Elena, die Geheimnisse in Mias Leben auszuspionieren.
    Die Charakterisierung aller Romanfiguren ist sehr ausgefeilt, die Autorin verleiht allen Figuren eine individuelle Persönlichkeit. Besonders Elena, die der Leser anfangs für eine sympathische und liebevolle Familienmangerin halten muss, entpuppt sich immer mehr als eine manipulative Intrigantin.
    Getrieben von Rachsucht und Halbwissen legt sie unbeabsichtigt viele kleine Feuer, die ihr schließlich einen hohen Preis abverlangen.
    Der Roman thematisiert in unterschiedlicher Weise das Verhältnis von Müttern zu eigenen und Adoptiv-Kindern und bietet damit interessante Diskussionsanreize zur Frage, inwieweit und unter welchen Umständen Mütter das Recht an ihren Kindern haben und ob Mutterliebe allein grundsätzlich das Kindeswohl garantieren kann.
    Die eigentlich eher unspektakulär gehaltene Erzählung ist äußerst fesselnd, da der Leser durch den Perspektivwechsel Einblick in die Gefühlswelt aller Romanfiguren erhält und deshalb immer einen Wissensvorsprung vor allen Familienmitgliedern hat. Es fällt sehr schwer, diesen Roman aus der Hand zu legen, bevor man ihn ausgelesen hat.


    Fazit
    Eine intelligent konstruierte und sehr fesselnde Familiengeschichte, die allerhand Diskussionsgrundlagen zu bieten vermag, unbedingt empfehlenswert!

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Genauso großartig wie der erste Roman


    Ihr mochtet den ersten Roman von Celeste Ng (Was ich euch nicht erzählte) aus dem Jahr 2016? Dann werdet ihr auch den neuen Roman (Kleine Feuer überall) lieben.

    Wiederum schafft es Celest Ng, eine Reihe von Charakteren vorzustellen, die ausgearbeitet und lebendig wirken. Hat man den Roman ausgelesen, fragt man sich, wie es mit ihnen allen weitergeht. Wie entwickelt sich der weitere Lebensweg von Izzy? Was hält das Leben noch für Mia und ihre Schwester Pearl bereit? Sie alle sind mir während ich „Kleine Feuer überall“ gelesen habe, ans Herz gewachsen. Es sind mehrdimensionale Charaktere, die sowohl gute als auch schlechte Seiten besitzen. Man kann ihre Handlungen von einem neutralen Standpunkt aus absolut nachvollziehen - anhand der von der Autorin bereitgestellten Informationen und Hintergründe.

    Das beschauliche Vorstadtleben, das man vielleicht aus amerikanischen TV-Serien kennt, wird einem vor Augen geführt mit all den Vorgaben, den kleinen und großen, ausgesprochenen und nicht ausgesprochenen Regeln, die damit einhergehen, wenn man dazugehören will. Aber Celeste Ng hebt auch den Schleier und gewährt einen Blick hinter die Kulissen. Entsprechen die Handlungen von Mrs. Richardson wirklich den Idealen, die sie sich auf die Fahnen geschrieben hat? Ist Izzy wirklich so ein Unruhestifter, wie ihre Mutter immer annimmt?

    Sprachlich wunderschön und emotional berührend erzählt Celeste Ng eine Geschichte, die einem im Gedächtnis bleiben wird. Fünf Sterne von mir für diesen Roman!

  • Uneingeschränkte Leseempfehlung!


    Nach „Was ich euch nicht erzählte“ legt die Autorin Celeste Ng mit „Kleine Feuer überall“ ihren zweiten Roman vor. „Was ich euch nicht erzählte“ zählt zu meinen absoluten Lieblingsbüchern, daher war ich entsprechend neugierig auf den „Neuen“ aus der Feder von Celeste Ng und meine Erwartungen entsprechend hoch.


    Zur Handlung

    Worum geht es in „Kleine Feuer überall“ eigentlich? In einem malerischen Vorort, so scheint es, führt Celeste Ng ihren Lesern eine augenscheinliche Bilderbuchfamilie vor Augen: Die Richardsons. Vater, Mutter, vier Kinder. Nur die Jüngste rebelliert offensichtlich und sichtbar gegen die starren Regeln und Konventionen, die das Leben in Shaker Heights ausmachen. Und dann tritt eine ganz und gar unkonventionelle Familie in das Leben der Richardsons. Die neuen Mieter der Mutter (die Künstlerin Mia und ihre Tochter Pearl) sind für nahezu alle Familienmitglieder auf die eine oder andere Art faszinierend. Während diese beiden Familien sich erst näherkommen, entwickelt sich aus der Unterschiedlichkeit der beiden Lebensmodelle und vor dem Hintergrund wohlgehüteter Geheimnisse eine Anspannung, die sehr wohl zu Feuer und Rauch führen kann…


    Meine Meinung

    Auch wenn die Handlung relativ einfach klingt, fasziniert es mich, wie es der Autorin gelingt, dass man so unglaublich gefesselt ist von den Charakteren, den Situationen und Bildern, die einem vor Augen geführt werden. Es ist eine Kunst, wie die Autorin gezielt einzelne Puzzleteile Stück für Stück zusammenfügt und emotional fesselnd eine Geschichte von Familie, von Träumen und Hoffnungen, von Selbstbild und Fremdbild, von Schein und Sein und noch vielem mehr erzählt. Eindringlich werden einem die verschiedenen Charaktere und deren Beweggründe nähergebracht, sodass einen die Ereignisse wirklich erschüttern und mitnehmen. Von mir erhält „Kleine Feuer überall“ daher definitiv fünf von fünf Sternen und eine unbedingte Leseempfehlung!

  • Es brodelt hinter der Fassade!



    Zum ersten Mal in ihrem Leben überlegen sich die Künstlerin Mia und ihre 15 jährige Tochter Pearl sesshaft zu werden. In Shaker Heights, einem Vorort von Cleveland, konnten sie von der Familie Richardson günstig einen Hausteil mieten. Pearl freundet sich mit den Kindern der Richardson an und ist heimlich in den ältesten Sohn Trip verliebt. Als Linda, die Freundin von Elena Richardson, ein asiatisches Baby adoptieren möchte und die Mutter das Kind zurück will, steht das Städtchen Kopf. Isabelle, die jüngste der Familie Richardson ist empört…kurz darauf brennt das Haus der Familie…Brandstiftung!


    Ich hatte schon sehr viel Gutes von diesem Buch gehört, und es mir deshalb besorgt. Und tatsächlich, hat die Geschichte mich von Beginn weg fasziniert. Denn der Schreibstil von Celeste Ng ist einfach toll. Ich kenne von der Autorin schon "Was ich euch nicht erzählte" und wieder finde ich hier den unvergleichlichen Schreibstil. Erst startet die Autorin ohne gross die direkte Rede zu benutzen, das Ganze wirkt eher wie eine Erzählung. Und trotzdem habe ich mich den Figuren gleich nahe gefühlt…wie sie das mit dem Schreibstil, in dem man sich wie bei einer Lesung fühlt, hingekriegt hat, ist mir ein Rätsel. Ich vermute es liegt an der bildreichen Sprache….

    Man versteht sofort das Gefüge des kleinen Städtchens. Regeln sind nicht nur wichtig sondern werden auch penibel eingehalten. Auch skurrile, wie, dass das Gras auf dem eigenen Grundstück nicht länger als 15 cm sein darf. Die Moral im Städtchen wird wie ein Banner hoch gehalten. Teenager, die schwanger werden, kennt man keine. Und nach und nach kommt man als Leser dahinter, dass vieles unter dem Deckmäntelchen Regeln, Sitte, Moral und Anstand, verborgen bleibt.

    Zeitweise prallen zwei Welten aufeinander. Der Lebensstandard der Richardson ist völlig anders als die der alleinerziehenden Mia. Bei Richardson haben alle ein eigenes Zimmer, Dinge werden weggeworfen statt repariert. Gerade Pearl fühlt sich magisch angezogen vom Heile Welt Familienleben der Familie. Und merkt schlussendlich, dass nicht alles was glänzt auch Gold ist.

    Sehr speziell empfand ich, dass Isabel, auf den ersten 70 Seiten nur durch Erzählungen ihrer Familie an der Geschichte teilnimmt. Wie ein Gespenst ist sie präsent, doch nimmt nicht aktiv an der Handlung teil. Sehr gut hat die Autorin später das Hauptproblem von Isabelle eingeflochten. Denn Izzy hatte nach einem schweren Start ins Leben die geballte Ladung Sorge, Aufmerksamkeit und Ueberbehütung durch ihre Mutter auf sicher…und hat sich unweigerlich zu einem schwierigen Kind und Teenager entwickelt.

    Die Geschichte, die die Bevölkerung, und sogar Familien und Paare entzweit, die Frage bei wem das adoptierte Kind leben soll, entfesselt neue, eigene Geschichten um das Thema Adoption und Abtreibung. Celeste Nig spielt mit den Vorurteilen und den Gefühlen der Bewohner von Shaker Heights ( und die, der Leser ). Wer ist die bessere Mutter? Die reiche Linda, die sich seit Jahren ein Kind wünscht? Oder die alleinstehende, Migrantin Bebe Chow, die das Baby erst ausgesetzt hat und nun zurück will? Ein brisantes Thema, bei dem man unweigerlich ins Grübeln kommt…

    Die Autorin hat ein gesellschaftskritisches Werk geschaffen und ich war sehr gefesselt. Einzig ein paar holperige Stellen in der Handlung habe ich als gesucht und konstruiert empfunden. So, wie die Tatsache, dass Mia, als sie erfährt, dass eine Freundin von Mrs. Richardson ein asiatisches Baby adoptieren wird, sofort an Bebe Show, mit der sie mal zusammen gearbeitet hat, denkt. Und die auch noch zufälligerweise die Mutter des Babys ist.

  • Celest Ngs Geschichte beginnt mit dem Ende. Das war auch bei ihrem ersten Roman bereits so. Als Leser kennt man zwar schon in etwa das Ende, doch macht es die Handlung nicht uninteressanter. Im Gegenteil. Es weckt die Neugierde in einem. Was ist da passiert, dass sich dieses Ende ereignet. Nach und nach erhält man ein wunderbares Gesamtbild. Wie die einzelnen Charaktere ticken. Was sich in deren Leben so abspielt oder abgespielt hat. Man lernt sie lieben oder aber auch nicht zu mögen. Die einen kann man in ihren Taten, Handlungen und Worten verstehen. Die anderen verachtet man dafür, dass sie tun, was sie tun. Die Kluft zwischen Wohlhabend und – ich würde nicht sagen arm, aber kämpfend um sich ein halbwegs normales Leben leisten zu können – zieht sich durch die Handlung, wie ein roter Faden. Die Gesellschaftsschichten sind gut dargestellt und ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte. Die eine tut Dinge um in der Gesellschaft gut dazustehen, die andere tut Dinge aus Überzeugung.

    Sprachlich, wie auch inhaltlich, ein wundervoller Roman. Nicht agressiv, sonder sehr überzeugend, mit einer guten Portion Sarkasmus, Wortwitz und schwarzem Humor, leitet einen die Autorin durch die Handlung.

    Mein Fazit:

    Wieder ein sehr gut gelungener Roman über die Amerikanischen Gesellschaftsschichten mit all ihren Höhen und Tiefen. Erzählerisch einfach wieder genial!

  • Celeste Ng - Kleine Feuer überall

    Geheimnisse

    "Kleine Feuer überall" ist ein sehr spannend geschriebener Roman, der einen sehr großen Sog besitzt und den ich sehr schnell gelesen habe. Die Sprache hatte für mich einen schönen warmherzigen Klang und ich muss die Art in der Celeste Ng ihre Charaktere gestaltet sehr loben. Sie schreibt sie förmlich in das Herz des Lesers. Die Geschichte ist sehr interessant, aber gleichzeitig auch etwas vorhersehbar. Sie spielt in Shaker Heights, einer kleinen amerikanischen Stadt/Vorort von Cleveland in Ohio. Es geht um die Enge/Begrenztheit in einer Kleinstadt, darum wie wir unser Leben führen und was uns zufrieden leben lässt. In diesem Roman treten Protagonisten auf, die ihr Leben auf verschiedene Weise gestalten. Auf der einen Seite sind es Charaktere, die dem Feuer in ihrem Inneren nachgeben und tun wonach ihr Herz verlangt, und auf der anderen Seite sind es Menschen, denen Sicherheiten und Regeln wichtig sind und tun was ihr Hirn sagt. Und jeder muss einen Preis dafür zahlen. Beide Lebensweisen sind so unterschiedlich wie auch ihre Vertreter und Celeste Ng lässt beide in diesem Roman aufeinanderprallen. Aber gleichzeitig wächst auch ein kleines Pflänzchen, ein kleines Verstehen des Gegenübers, wie ein kleiner Hoffnungsschimmer. Beide Lebenssichten werden beschrieben, mit Vor- und Nachteilen, der geneigte Leser darf sich sein eigenes Urteil bilden. Und es geht um die Mutterschaft, was bedeutet das für die jeweilige Frau und wie gehen die verschiedenen Protagonistinnen damit um. Auch Adoption und Abtreibung werden zu Themen, was das für Betroffene bedeuten kann, wie damit umgegangen wird. Auch Verständigungsprobleme in den Generationen, zwischen Eltern und ihren Kindern/speziell Teenagern, bekommen ihre Bühne. Und auch die amerikanische Rassenproblematik wird geschickt in die Geschichte eingeflochten. Und dabei/bei diesen ganzen verschiedenen Themen hatte ich nur das Gefühl, dass mir etwas beschrieben wird, mit einer sehr großen Tiefe/einer starken Empathie dem Menschsein gegenüber, einer starken Offenheit/einem klaren Blick für die Stärken und Schwächen der Menschen, ohne jegliche Wertung. Ein Buch zum Sinnieren/zum Nachdenken. Und trotz der Fülle an Themen hatte ich nicht das Gefühl, das das den Rahmen des Buches sprengen würde.


    "Für sie war es einfach: Bebe Chow war eine schlechte Mutter, Linda McCullough eine gute. Eine hatte die Regeln befolgt, die andere nicht. Das Problem mit Regeln aber war, sinnierte er, dass sie eine richtige und eine falsche Handlungsweise voraussetzten. Meistens war es doch aber so, dass kein Weg ganz falsch oder ganz richtig war und man sich eher auf einer Gratwanderung befand."


    ""Das wurmt Sie, stimmts?", sagt Mia plötzlich. "Weil Sie es sich nicht vorstellen können. Warum sollte jemand anders leben als Sie? Warum sollte jemand sich etwas anderes wünschen als ein großes Haus mit einem großen Garten, einem schicken Auto, einem Job im Büro?"

  • Als das Haus der Richardsons in einem beschaulichen, sehr wohlgeordneten Vorort von Cleveland abbrennt und klar wird, dass es Brandstiftung war, sind sich so ziemlich alle einig, dass die Jüngste der Familie, die schon immer etwas rebellische Izzy, das Feuer gelegt haben muss. Fragt sich nur, warum ...


    Die Richardsons sind der Inbegriff einer wohlhabenden amerikanischen Mittelklassefamilie. Schönes Haus mit Garten, angesehene Berufe (er Anwalt, sie Journalistin bei der Lokalzeitung), in rascher Folge wurden 4 Kinder geboren, die nun alle im Teenageralter sind und eigentlich auch alle recht wohlgeraten, bis auf Izzy, die schon immer gerne aus der Reihe getanzt ist.


    Einige Zeit vor dem Brand ist die Künstlerin Mia mit ihrer Teenagertochter Pearl in ein zweites Haus im Besitz der Richardsons gezogen. Pearl hat sich mit den Richardson-Sprösslingen rasch angefreundet und gehofft, dass sie und ihre Mutter an diesem Ort Wurzeln schlagen können, dass das Nomadendasein, das sie bisher geführt haben, endlich vorbei ist. Doch auch aus Shaker Heights werden sie wieder überstürzt aufbrechen, und zwar kurz vor dem verheerenden Feuer.


    Keine Angst, das ist kein Spoiler, sondern wird schon auf den ersten Seiten des Buches klar, das mit dem Brand beginnt und dann um einige Monate zurück in die Vergangenheit schwenkt, um nach und nach aufzudröseln, welche Verkettung von vielerlei Umständen und zwischenmenschlichen Beziehungen schließlich zu der Katastrophe geführt hat.


    Wie schon in ihrem beeindruckenden Erstling "Everything I Never Told You" reißt Celeste Ng die Heile-Welt-Fassade einer vermeintlich typischen glücklichen US-Familie ein und blickt tief in die Seelen und Köpfe ihrer Protagonisten, angefangen mit der Mutter, die interessanterweise meistens nur als "Mrs. Richardson" bezeichnet wird und gerne mit Phrasen um sich wirft wie "was sollen die Leute denken" oder "so haben wir dich aber nicht erzogen", eine der Mütter, die überzeugt sind, dass bestimmte Dinge immer nur den anderen passieren und sich gerne wohltätig präsentieren, ohne zu merken, wie herablassend sie eigentlich sind. Doch auch in die sehr unterschiedlichen Charaktere der Teenager-Figuren fühlt sich die Autorin ausgezeichnet ein.


    Mit Mia und Pearl kommen zwei Menschen ins Spiel, die ein völlig anderes Leben zu führen gewohnt sind und auf ihre Weise jedem der Richardson-Kinder etwas Besonderes zu geben imstande sind. Es hätte alles wunderbar ausgehen können, wenn nicht bestimmte Ereignisse und einige Missverständnisse und Fehlinterpretationen die ganze Konstellation ins Wanken gebracht hätten. Diesen Weg, der, wie man von Beginn an weiß, unausweichlich zum großen Knall führt, zeichnet Celeste Ng ungemein mitreißend und mit psychologischem Feingefühl nach, zwar teils auch mal dramatisch, aber nie schrill oder laut oder überzogen.


    Erneut ein großartiges Buch von einer Autorin, von der ich sehr gerne noch viel mehr lesen würde.