Guten Morgen allerseits,
denn auf diese Weise konnten belastete ehemalige NS-Täter auch wieder problemlos in alles Institutionen gelangen - von der Polizei bis zu Justiz.
Und deswegen feiern wir dieses Jahr auch das 50.te Jubiläum der 68er. Die haben das nämlich erstmals richtig beim Namen genannt und angeprangert. Wie ging nochmal der Spruch? "Unter den Talaren - Muff von 1000 Jahren!" Und damit war das sogenannte 1000jährige Reich gemeint.
Natürlich hat man das gewußt, aber selbst mir - und ich habe schon sehr viel über die Zeit zwischen 1933-45 gelesen, meine Magisterarbeit über Literatur im dritten Reich geschrieben, mir unzählige Dokumentationen über die Zeit angeschaut - und trotzdem war mir nie so richtig bewußt, WIE VIELE das waren und WO die überall weiter gearbeitet haben. Denn es sind ja nicht nur Polizei und Justiz. Was ich genauso erschreckend finde, ist der Gedanke, wieviele NS-Täter später wieder als Lehrer gearbeitet haben, wieviele ehemalige, begeisterte BDM-Mädelscharführerinnen in Kindergärten die nächste Generation erzogen oder als Trainer/innen in Sportvereinen die Jugend im "rechten" Sinne erzog. Da wird mir übel......
Das Totschweigen in den Familien kann ich für mich so erklären, dass ich denke, dass die Menschen einfach unheimlich geschockt sind durch die ganzen Ereignisse die auf sie eingestürmt sind, soviel kann man in einem Menschenleben ja gar nicht verarbeiten. Und man muss es erstmal wahrhaben. Wenn man es ausspricht, wird es irgendwie realer finde ich, also schweigt man.
Und vor allen Dingen hieß reden, sich auch mit der eigenen Mitschuld auseinander zu setzen. Und wer will das schon gerne? Tätliche Übergriffe, Denunziantentum und andere Abscheulichkeiten waren zuvor vom Regime legitimiert. Nun fiel diese Legitimation weg und die Menschen mussten sich als Subjekt mit der eigenen Mitschuld auseinander setzen, Selbstverantwortung übernehmen. Und dazu fehlte es an Rückgrat, an der Fähigkeit zu reflektieren, besser: an dem Willen zu reflektieren.
Also hat man die Schuld wieder anderen zu geschoben, das waren dann "die Nazis" und man selber wäre ja ins Gefängnis gekommen, man hätte ja nichts tun können und überhaupt geht es ja den Deutschen schon schlecht genug jetzt. Jetzt muss aber mal genug sein. Undsoweiterundsofort. Im Roman wird dieser Konflikt in einem Gespräch zwischen Sonja und Marie genau auf den Punkt gebracht (Seite 106/107):
"Aber erstens haben das die meisten Menschen doch gar nicht richtig gewusst, und zweitens - was hätten sie denn auch tun sollen? Man wäre doch sofort ins Lager gekommen, wenn man nur ansatzweise Kritik geäußert hätte." Marie schwieg. So wie die Freundin dachten die meisten, auch wenn niemand mehr gerne darüber sprach. Sie erinnerte sich an die Reaktion ihrer Mutter, als sie einmal danach gefragt hatte. Sie behauptete, dass sie das alles nie gewusst hätten, auch ihr Vater nicht, und dass es doch seltsam sei, dass umgekejrt nie jemand darüber spreche, wie viel die Deutschen gelitten hätten und immer noch leiden müssten. Die vielen Vertriebenen, die alles verloren hätten; die unzähligen menschen, die bei den Bombenangriffen in Städten wie Dresden oder Köln umgekommen seien, und die vielen Witwen und Kinder, die sich jetzt allein durchschlagen müssten. Die Empörung stand ihr dabei ins Gesicht geschrieben."
Dass "die vielen leidenden Deutschen" mit ihrer Unterstützung und Duldung eines verbrecherischen Regimes erst die Lunte gelegt haben, für all das Grauen, wird dabei ausgeblendet.....
Schwieriges Thema am Morgen. Ich schnappe mir jetzt meinen Hund und gehe in den Wald. Erstmal tief durchatmen. Euch anderen wünsche ich einen schönen Freitag.
Bis bald und liebe Grüße vom Huhn