Sandra Jungen - Hanna: Kriegsjahre einer Krankenschwester

  • Klappentext:

    Das Deutsche Reich 1942: Kurz nach ihrem Examen wird Hanna in die Krankenpflege der Wehrmacht eingegliedert. Obwohl sie lieber bei ihrer Familie in der Eifel wäre, beugt sie sich dem Befehl und kämpft fortan als Frontschwester um das Leben der Verwundeten – ebenso wie um das eigene. Nur mit knapper Not gelangt sie zurück nach Deutschland, wo sie in München den Luftkrieg in all seinen grausamen Facetten durchlebt und schließlich die harte Hand des Regimes am eigenen Leib erfahren muss.

    Meine Meinung:

    Das Buch wurde mir vom Rhein-Mosel-Verlag als Rezensionsexemplar überlassen und ich war richtig gespannt auf die Geschichte. Sandra Jungen hat, basierend auf den Erinnerungen ihrer Großmutter, Jahrgang 1922, eine Geschichte über die Erlebnisse einer Krankenschwes­ter während des zweiten Weltkrieges erzählt. Ich erwartete eine spannende, aber auch sehr nahe gehende und von Schreckenserlebnissen gezeichnete Geschichte und genau die bekam ich auch.


    Hannas Erlebnisse sind so erschreckend, wie nachvollziehbar. Unweigerlich fragte ich mich beim Lesen immer wieder, was ich empfunden hätte, wenn man mich an die Front geschickt hätte. Ich weiß nicht, wie die jungen Menschen diese Erlebnisse durchgestanden haben und daran nicht zerbrochen sind.


    Manchmal kommt einem das Ganze auch etwas surreal vor. Hanna hat zwischendurch Heimaturlaub und sieht ihre Familie. Urlaub? Im Krieg? Vom Krieg? Das ist doch alles kaum vorstellbar, oder? Lange Zeit hatte ich das Gefühl, dass Hanna den Krieg ganz gut wegsteckt. Sie will zwar nicht an die Front, aber sie ist bereit, ihren Dienst zu tun, egal, wo man sie hinschickt. Nach und nach offenbaren sich aber die kleinen und großen alltäglichen Schrecken des Krieges. Soldaten, die schwer verwundet und nicht mehr zu retten sind, Bomben über München, die direkt über dem Lazarett, in dem Hanna arbeitet abgeworfen werden. Ich habe keine Ahnung, wie man so etwas durchsteht. Ich muss gestehen, dass ich Hanna und ihre Kolleginnen dafür bewundert habe, dass sie sich bei allem Schrecken ihre Freundschaft und streckenweise auch ihre Fröhlichkeit bewahrt haben.


    Mit Gerda haben wir hier quasi die Antagonistin. Schnell merkt der Leser, dass Gerda nicht über den Weg zu trauen ist. Hanna braucht da doch etwas länger, glaubt an das Gute im Menschen. Ab und an wollte man ihr zurufen: Halt den Mund. Was du sagst ist gefährlich. Gerade das machte dieses Buch so spannend. Ich las die Geschichte natürlich mit dem Hintergrundwissen, dass wir heute über den 2. WK und die Zeit unter den Nazis haben. Hanna geht zunächst recht unbedarft an die Sache heran, genau wie es wahrscheinlich die Meisten von uns getan hätten. Sie kann sich zunächst gar nicht wirklich vorstellen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die andere denunzieren, so hatte ich das Gefühl.


    Sandra Jungen schreibt mit sehr viel Einfühlungsvermögen und auch wenn die Geschichte teilweise erfunden ist, wie die Autorin im Nachwort schreibt, so fusst sie doch auf einer wahren Lebensgeschichte und das macht es umso erschreckender. Wie leicht rutscht man einfach in eine solche Situation. Auch wenn nicht jeder freudestrahlend „Heil Hitler“ ruft, so hat der einfache Bürger doch lange nicht erkannt, wo das deutsche Volk da hin läuft, wem es hinterher rennt. Auch Hanna hinterfragt nicht, sondern stellt sich dorthin wo die Wehrmacht sie hin beordert und tut ihre Pflicht. Ich halte das absolut nicht für unrealistisch. Teilweise haben die Menschen sicher wirklich nicht mitbekommen, was im Land los war, die Kommunikation war ja bei weitem nicht so gut ausgebaut, wie sie es heute ist, man war nicht untereinander vernetzt. Teilweise verschließt man sicher auch die Augen, versucht sich selbst und eventuell noch seine Familie durch eine solche Zeit zu bringen, wie es Hannas Vater getan hat. Ich persönlich finde das sehr nachvollziehbar.


    Eine Lebensgeschichte kann man nicht wirklich bewerten, was ich aber bewerten kann ist der Schreibstil und die Gesamtheit der erzählten Geschichte. Eindrücklich, eindringlich, emotional, teilweise sehr direkt, aber an keiner Stelle sensationsgierig. Von mir gibt es 5 Sterne und eine Leseempfehlung.


    Ich wünsche mir wirklich, dass ihr euch dieses Buch kauft und es lest!

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)

  • Urlaub? Im Krieg? Vom Krieg? Das ist doch alles kaum vorstellbar, oder?

    Doch, ist es. Aber vielleicht ist es für mich persönlich greifbarer, da mein Vater mit 18 Jahren zur Marine eingezogen wurde. Daher kenne ich die persönlichen Erzählungen von ihm und anderen Familienmitgliedern über diese Zeit.


    Sie kann sich zunächst gar nicht wirklich vorstellen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die andere denunzieren, so hatte ich das Gefühl.

    Das ist für mich dagegen viel unvorstellbarer, denn diese Zeit war geprägt durch Überwachung und Denunziation. Besonders in den Städten gab es sog. Blockwarte, die der Partei angehörten und oft genug dem Typus "kleiner Mann mit Macht" angehörten. Freie Meinungsäußerung war damals nicht angesagt. Als Jahrgang 22 war die Protagonistin geprägt durch Schule und den BDM, das muss sie gewusst haben. Ob sie versucht hat es auszublenden an der Front, in der Hoffnung, dass man dort einfach zusammen hält, das steht natürlich auf einem anderen Blatt Papier. :wink:

    Danke für deine Rezension, klingt auf jeden Fall interessant.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Das ist für mich dagegen viel unvorstellbarer, denn diese Zeit war geprägt durch Überwachung und Denunziation. Besonders in den Städten gab es sog. Blockwarte, die der Partei angehörten und oft genug dem Typus "kleiner Mann mit Macht" angehörten.

    Mein Vater (Jahrgang 1932) hat mir erzählt dass diese Blockwarte sogar die Kinder angehalten haben zu denunzieren. Ich zitiere was der Blockwart zu meinem Vater und seinen Freunden gesagt hat. "Ihr müsst immer die Augen und Ohren offen halten ! Und wenn Ihr Leute zusammenstehen seht, dann geht hin und hört was sie sagen. Und wenn das etwas ist was nicht im Sinne unseres Führers ist, dann kommt sofort zu mir und meldet es." Er hätte es dann natürlich sofort auch weitergemeldet und die "Lorbeeren" dafür eingeheimst.


    Für mich persönlich sind solche "Meldemaxe" die andere Menschen ans Messer geliefert haben genauso Verbrecher und tragen genau die gleiche Schuld wie diejenigen die es praktisch ausgeführt haben. Aber die sind bedauerlicherweise niemals bestraft worden für ihre Melderei.

    Leider gab und gibt es diesen verachtenswerten Menschentyp "Meldemax" in allen Zeitaltern und Gesellschaftsformen. Die sterben nie aus.


    Vielen Dank, Yvonne80 für Deine Rezi ! Das Buch kommt bei mir gleich auf die WuLI.

  • Sie kann sich zunächst gar nicht wirklich vorstellen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die andere denunzieren, so hatte ich das Gefühl.

    Das ist für mich dagegen viel unvorstellbarer, denn diese Zeit war geprägt durch Überwachung und Denunziation. Besonders in den Städten gab es sog. Blockwarte, die der Partei angehörten und oft genug dem Typus "kleiner Mann mit Macht" angehörten. Freie Meinungsäußerung war damals nicht angesagt. Als Jahrgang 22 war die Protagonistin geprägt durch Schule und den BDM, das muss sie gewusst haben. Ob sie versucht hat es auszublenden an der Front, in der Hoffnung, dass man dort einfach zusammen hält, das steht natürlich auf einem anderen Blatt Papier. :wink:

    Danke für deine Rezension, klingt auf jeden Fall interessant.

    Hanna erschien mir recht behütet aufgewachsen zu sein und zum BDM ist sie erst sehr spät gekommen. Der Vater war wohl ein Gegner der Nazis (sie mussten auch ein Mal sehr spontan den Wohnort wechseln, da er nicht weit davon entfernt war, abgeführt zu werden). Er hat, so lange er konnte, verhindert, dass sie zum BDM geht. Vielleicht mag es damit zusammenhängen, dass sie sehr vertrauensselig wirkt. Ich weiß es nicht.


    Ich freue mich aber sehr, dass so viele das Buch auf die Wunschliste gesetzt haben und es hoffentlich irgendwann lesen werden.
    LG
    Yvonne

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)

  • Der Vater war wohl ein Gegner der Nazis (sie mussten auch ein Mal sehr spontan den Wohnort wechseln, da er nicht weit davon entfernt war, abgeführt zu werden).

    aber gerade das spricht ja eher gegen ihre Vertrauensseligkeit :scratch: egal, darauf kommt es jetzt gar nicht an - da hilft eh nur selbst lesen. :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Der Vater war wohl ein Gegner der Nazis (sie mussten auch ein Mal sehr spontan den Wohnort wechseln, da er nicht weit davon entfernt war, abgeführt zu werden).

    aber gerade das spricht ja eher gegen ihre Vertrauensseligkeit :scratch: egal, darauf kommt es jetzt gar nicht an - da hilft eh nur selbst lesen. :wink:

    Stimmt auch irgendwie wieder.
    Wenn du selbst liest, lass es mich wissen, wie es auf dich wirkt. Würde mich wirklich interessieren!

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)

  • Wenn du selbst liest, lass es mich wissen, wie es auf dich wirkt. Würde mich wirklich interessieren!

    wenn ich es gelesen habe, wirst Du hier von mir lesen :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier