Emily Ruskovich - Idaho

  • Kurzmeinung

    Squirrel
    Anfangs gut, lässt es etwa ab der Hälfte leider nach und bleibt am Ende doch sehr oberflächlich. Schade
  • Kurzmeinung

    Xirxe
    Spannend, aber kein Krimi. Und nicht ganz einfach zu lesen.
  • Ann, eine junge Klavierlehrerin, heiratet Wade, der ein Jahr zuvor auf dramatische Weise seine Töchter verlor, während seine Exfrau im Gefängnis sitzt. Doch damit nicht genug, leidet er wie sein Vater und Großvater an Demenz, die ihn bereits im vergleichsweise jungen Alter befällt. Einerseits ein Segen angesichts der schrecklichen Vorkommnisse, andererseits wird ihm immer wieder schmerzlich bewusst, wie nach und nach seine Töchter in Vergessenheit geraten. Ann versucht derweil anhand der Fundstücke im Haus (Fotos, Kleinigkeiten wie Spielzeug, Haargummis etc.), sich selbst ein Bild von dem damaligen Geschehen zu machen.
    Auch wenn die Geschichte zu Beginn wie ein Krimi erscheinen mag, ist es alles andere als das. Zwar wird eine unglaubliche Spannung im Hinblick auf die tatsächlichen Ereignisse am Berg aufgebaut, denen man sich langsam aus unterschiedlichen Richtungen nähert. Doch tatsächlich wird damit (wie auch mit anderen Geschehnissen) deutlich gemacht, wie sehr Vorstellung und Phantasie die Vergangenheit bestimmen, die sich wiederum auf die Gegenwart auswirken können. Ann ist beispielsweise immer mehr davon überzeugt, eine Mitschuld an diesem Unglück zu haben, was sie in große Gewissensbisse stürzt.
    Das Buch verlangt ein aufmerksames Lesen, denn die Perspektiven wechseln häufig zwischen verschiedenen Personen, sodass man bei einer gewissen Achtlosigkeit schnell die Übersicht verlieren kann, was Realität und was Imagination ist. Zudem ist die Sprache trotz der überaus düsteren Atmosphäre sehr poetisch, für die man sich Zeit nehmen sollte. Die Autorin hat ein Gefühl für gelungene Beschreibungen wie beispielsweise beim Thema Briefe '..., zum Verschließen angeleckt von den Zungen der Vergangenheit.' (S. 73) oder 'Morgen früh, wenn Gott will, wirst Du wieder geweckt. Man kann es singen, so sanft man will, die Worte fletschen trotzdem die Zähne. Gott will nicht immer.' (S.101).
    Gewiss ist es kein Gute-Laune-Buch oder lockere Unterhaltung für die Strandliege. Dafür aber eine spannende Lektüre, die Anregungen zum Umgang mit der eigenen Vergangenheit und den Erinnerungen daran liefert.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Emily Ruskovich - Idaho/Idaho“ zu „Emily Ruskovich - Idaho“ geändert.
  • Ich habe das Buch voller Begeisterung begonnen und diese hielt auch recht lange an, aber leider nicht bis zum Schluss. Der Inhaltsangabe von Xirxe möchte ich gar nichts hinzufügen, denn es würde nur zu viel verraten, und sie hat mit ihrem Fazit

    eine spannende Lektüre, die Anregungen zum Umgang mit der eigenen Vergangenheit und den Erinnerungen daran liefert.

    es durchaus auf den Punkt gebracht. Aber in einigen Punkten bin ich anderer Meinung.


    Zum einen blieb die Spannung für mich leider nicht bis zum Schluss. Ab etwa der Mitte des Buches wusste ich, warum Xirxe zu dieser Beurteilung kam

    Das Buch verlangt ein aufmerksames Lesen, denn die Perspektiven wechseln häufig zwischen verschiedenen Personen, sodass man bei einer gewissen Achtlosigkeit schnell die Übersicht verlieren kann, was Realität und was Imagination ist.

    Bis zur Mitte hin sind die Wechsel der Perspektive moderat, aber dann springt die Autorin immer schneller zwischen den erzählenden Personen hin und her und auch zwischen Vergangenheit und Zukunft - einer so tiefen Vergangenheit, die für die Geschichte nur bedingt eine Rolle spielt, und einer Zukunft, die für mich dann auch nicht mehr zur Geschichte passte. Die Obsession von Ann, mit der sie sich durch die Vergangenheit ihres Mannes wühlt, war für mich nicht mehr nachvollziehbar. Auch ihre emotionale Bindung an seine Exfrau bis zum Ende der Geschichte ist für mich nicht fassbar.


    Auch wenn die Geschichte zu Beginn wie ein Krimi erscheinen mag, ist es alles andere als das. Zwar wird eine unglaubliche Spannung im Hinblick auf die tatsächlichen Ereignisse am Berg aufgebaut, denen man sich langsam aus unterschiedlichen Richtungen nähert. Doch tatsächlich wird damit (wie auch mit anderen Geschehnissen) deutlich gemacht, wie sehr Vorstellung und Phantasie die Vergangenheit bestimmen, die sich wiederum auf die Gegenwart auswirken können.

    In dieser Hinsicht weckt der Klappentext des Buches tatsächlich falsche Erwartungen. Auch ich dachte, dass sich der Plot viel mehr um dieses Verbrechen drehen würde ähnlich wie in einem Krimi, aber diese Erwartung wird nicht erfüllt. Zwar ist das Verbrechen der zentrale Angelpunkt, um den herum sich die Geschichte aufbaut, aber mehr nicht. Auch nähert man sich den Ereignissen am Berg in gewisser Weise, aber immer nur in den Vermutungen von Ann, niemals anhand von Aussagen der einzigen Zeugen, Wade und Jenny. Und die Erzählung in all ihren Variationen bietet zumindest für mich keinen Anhaltspunkt für "eine vergebende Liebe", wie es auf dem Buchrücken meiner Ausgabe heißt. Denn vergeben könnte einzig Wade, und er verliert sich und seine Erinnerungen und Persönlichkeit immer mehr an die Demenz.


    Der spannende Ausgangspunkt des Plots - das unverständliche Verbrechen an den eigenen Kindern - verliert sich in der zweiten Hälfte immer mehr in für mich emotional und rational nicht nachvollziehbaren Handlungen und Gedanken von Ann, die mehr als nur fasziniert, sondern regelrecht besessen ist von diesem Verbrechen und auch der Täterin. Auch deren Anteil an der Geschichte, ihr Leben im Gefängnis nach der Verurteilung, bot für mich leider keinen spannenden Bezugspunkt mehr zur Geschichte, sondern wurde zu einem losgelösten Plot im Plot.


    Was mir völlig verborgen blieb, ist die Bedeutung des Titels. Ich kann mir nicht vorstellen, was die Autorin oder der Verlag damit ausdrücken wollen.


    Fazit:

    Leider hat die Geschichte nicht gehalten, was sie anfangs versprach. Übrig bleibt für mich nur das, was auch Xirxe schon angesprochen hat: das Nachdenken über den Umgang mit den eigenen Erinnerungen, die sich mit den Jahren ja oft verändern.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Emily Ruskovich - Idaho

    Was geschah auf dem Mount Loeil

    Dieser Roman ist eine etwas verworrene Geschichte, in der es um Realität und Irrealität geht. Der Leser muss sich mit einer Geschichte befassen, die aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird, wobei letztendlich das klärende Gespräch der betroffenen Personen nicht so richtig erfolgt. Es werden eher viele verschiedene Vermutungen präsentiert, der geneigte Leser darf sich aus diesen unterschiedlichen Gedanken, teils mit realem, teils mit irrealem Hintergrund seine eigenen Gedanken machen. Es geht um reale Erinnerungen und die pure Einbildungskraft. Und wir Leser fragen uns zum Teil, was ist wahr/real. Der Roman ist nicht chronologisch geordnet und auch immer wieder aus verschiedenen Blickwinkeln geschrieben, was die sowieso schon verwirrende Geschichte noch etwas verworrener gestaltet. Aber mir persönlich sehr gefällt. Ich liebe dieses Hin- und Herspringen. Und ich liebe auch den Sprachklang der Ruskovich. Und ich liebe die Art, in der Ruskovich ihre Charaktere zeichnet, denn genau das macht sie grandios. Diese Autorin hat Potenzial und ich denke wir werden noch von ihr hören. Dieser Roman entwickelt außerdem eine starke Sogwirkung.


    Zur Handlung: Wade, Jenny und ihre zwei Töchter June und May fahren an einem Augusttag im Jahre 1995 zum Holzholen auf den Mount Loeil, dabei kommt es zu einem folgeschweren Unglück. Die kleine Tochter May wird erschlagen, die größere Tochter verschwindet spurlos, die Ehefrau Jenny bezichtigt sich der Tat und geht ins Gefängnis, der Familienvater Wade bleibt allein zurück. Wobei nicht wirklich klar wird ob dies auch so war. Für mich ergeben sich zwei Deutungsmöglichkeiten, wobei es im Buch zu keiner eindeutigen Lösung kommt. Erschwerend kommt hinzu, das in der Familie von Wade die frühe Form der Demenz vorkommt, was Wade in einer nachvollziehbaren Weise Angst bereitet und zu dem familiären Drama noch dazukommt. Wade hatte vor dem Unfall in der Schule die Lehrerin Ann kennengelernt, hatte dort Klavierstunden genommen, weil er gehört hatte, dass Klavierspielen den Degenerationsprozess des Gehirns eventuell verlangsamen könnte. In der Zeit entsteht eine Nähe zwischen den Beiden, dies mündet schließlich in die Heirat und das Zusammenziehen von Ann und Wade. Ann weiß um die Geschehnisse beim Holzholen und versucht ihrerseits in einer etwas skurrilen Art für sich Licht ins Dunkel der Geschehnisse von damals zu bringen. Wade's Erkrankung wird nun nach acht Jahren Ehe schlimmer und mündet schon in gewissen Gewaltausbrüchen seiner Ehefrau gegenüber, die sie versucht zu ertragen, bei mir aber eine Angst auslöste und die Frage wie weit das noch gehen sollte. In dem Buch werden die Geschehnisse zwischen den Jahren 1973 und 2025 dargestellt, es werden die Sichten der verschiedenen Hauptakteure des Romans gezeigt, und auch ihr Beziehungsgeflecht untereinander, dadurch bekommt der interessierte Leser Einblicke und kann sich seine eigenen Gedanken machen und für sich selbst nach Deutungen suchen. Denn es wird am Ende nichts aufgelöst, es werden keine Fakten präsentiert, das dürfen wir Leser für uns selbst entscheiden. Was ich aber als nicht störend empfand, denn die Charakterzeichnungen der Ruskovich geben genug Raum für Lösungen ab.