Éric Vuillard - Die Tagesordnung/L’ordre du jour

  • Original : Französisch, 2017
    Prix Goncourt 2017


    INHALT :
    20. Februar 1933: Auf Einladung des Reichstagspräsidenten Hermann Göring finden sich 24 hochrangige Vertreter der Industrie zu einem Treffen mit Adolf Hitler ein, um über mögliche Unterstützungen für die nationalsozialistische Politik zu beraten: Krupp, Opel, BASF, Bayer, Siemens, Allianz – kaum ein Name von Rang und Würden fehlt an den glamourösen runden Tischen der Vermählung von Geld und Politik.
    So beginnt der Lauf einer Geschichte, die Vuillard fünf Jahre später in die Annexion Österreichs münden lässt. Bild- und wortgewaltig führt er den Leser in die Hinterzimmern der Macht, wo in erschreckender Beiläufigkeit Geschichte geschrieben wird. Dabei erzählt er eine andere Geschichte als die uns bekannte : er zeigt den Panzerstau an der deutschen Grenze zu Österreich, er entlarvt Schuschniggs kleinliches Festhalten an der Macht, Hitlers abgründige Unberechenbarkeit und Chamberlains gleichgültige Schwäche.
    (Quelle : gekürzter Klappentext der deutschen Ausgabe)


    GLIEDERUNG :
    16 betitelte Kapitel von 6-20 Seiten Länge


    BEMERKUNGEN :
    Liest man das Buch unvoreingenommen fragt man sich eventuell anfangs über den « roten Faden », der zB das erste Kapitel über jene Versammlung der größten Industriekapitäne im Jahre ‘33 mit dem Folgekapitel verbindet : ein Besuch von Lord Halifax in Deutschland, über vier Jahre später. Daran schliessen sich Kapitel an, die sich vor allem mit Episoden des Anschlußes Österreiches beschäftigen (1938): ein Treffen des österreichischen Kanzlers Schuschnigg mit Hitler, die Schiebereien, um Nazis dort in Position zu bringen, etc.


    War all das unbekannt? Sichtbar, bzw lesbar, schöpft der Autor doch an historischen Quellen, die er ausführlichst studiert haben muss und hier auch manchmal zitiert : Archive, Briefe, Zeitungen, Tonbandaufnahmen, Aufzeichnungen vom Nürnberger Prozeß… Denn Vuillard ist präsent als Schreiber. Er präsentiert mE nicht einfach ein historisches Buch, eine Enthüllung mehr. Doch was vehikuliert er hier manchmal so leidenschaftlich, eindringlich und satirisch-spöttisch ? Ja, er stellt doch heraus, was und wer in der je seinen, ihren Rolle zum Aufstieg Hitlers und somit der Katastrophe beigetragen hat ! Sind es hier nicht vor allem die später gar entschuldigten und « unschuldigen » Personen, die sich eitel, selbstsüchtig, machtgierig, ängstlich etc zeigen ? Die Randpersonen oder Gestalten aus der ersten oder auch zweiten Reihe ? Insofern eben nicht allein die Geschichte eines Hitlers, sondern der Beitrag so mancher. Das Buch wird zur Beschreibung der unterlassenen Möglichkeiten als man hätte widerstehen sollen oder der geleisteten Hilfestellung, um seine Position abzusichern. « Nichts ist unschuldig », schreibt er, oder auch woanders : « Die allergrößten Katastrophen kündigen sich oft in den kleinen Schritten an. »


    Ein Werk über einen Abschnitt Geschichte, aber nicht ein Geschichtsbuch, Sachbuch, neutraler Bericht. Dazu ist Vuillard zu parteiisch und satirisch am Werke. Aber nicht beliebig, oder gar ein « historischer Roman », nein. Über die darüber wahrscheinlich auch in Deutschland ausbrechende Diskussion hinaus sollte oder kann man sich viel mehr fragen, ob der Wesenskern der Aussagen nicht zu lesen ist auf dem Hintergrund der heutigen kleinen geleisteten oder eben unterlassenen Schritte in brandaktuellen Fragen?


    Man kann kritisch hinterfragen, ob manches Urteil in seiner bissigen Eindeutigkeit und einer gewissen moralischen Überheblichkeit in der Situation selbst, im « Eifer des Gefechts », wirklich schon erkennbar war ? Aber es gab sie ja : jene, die widerstanden haben !


    Ich kann mir gut vorstellen, dass das Buch bei seinem Erscheinen im deutschsprachigen Raum Diskussionen auslösen wird. Gut so ?!


    AUTOR:
    Éric Vuillard, 1968 in Lyon geboren, ist Schriftsteller und Regisseur. Für seine Bücher, in denen er große Momente der Geschichte neu erzählt und damit ein eigenes Genre begründet, wurde er u. a. mit dem Prix de l’Inaperçu und dem Franz-Hessel-Preis ausgezeichnet. 2017 bekam er für Die Tagesordnung den renommierten Prix Goncourt. Bei Matthes & Seitz Berlin erschienen bisher Ballade vom Abendland (2014), Kongo (2015) und Traurigkeit der Erde (2017) in der Übersetzung von Nicola Denis.
    (Quelle: Amaz. Und mehr hier: https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%89ric_Vuillard )



    Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
    Verlag: Matthes & Seitz Berlin; Auflage: 1 (30. März 2018)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3957575761
    ISBN-13: 978-3957575760

  • Ich las das Buch im Original. Es läßt sich gut lesen und hat manchmal in seiner satirischen Art eine Form von Galgenhumor... Manchmal schmunzelt man unwillkürlich.

    Ils étaient vingt-quatre, près des arbres morts de la rive, vingt-quatre pardessus noirs, marron ou cognac, vingt-quatre paires d'épaules rembourrées de laine, vingt-quatre costumes trois pièces, et le même nombre de pantalons à pinces avec un large ourlet. Les ombres pénétrèrent le grand vestibule du palais du président de l'Assemblée ; mais bientôt, il n'y aura plus d'Assemblée, il n'y aura plus de président, et, dans quelques années, il n'y aura même plus de Parlement, seulement un amas de décombres fumants. Eric Vuillard


    Broché: 160 pages
    Editeur : Actes Sud Editions (29 avril 2017)
    Collection : Un endroit où aller
    Langue : Français
    ISBN-10: 2330078978
    ISBN-13: 978-2330078973


  • Vorweg: Dies ist eins der ungewöhnlichsten Bücher, die ich jemals gelesen habe. Éric Vuillard beweist, dass Literatur nach wie vor zu den Künsten gehört, und dass Autoren auch heute etwas noch nie Dagewesenes schaffen können.


    Ein Buch aus dem historischen Genre zweifelsohne, denn Gegenstand und Thema sind Hitlers Treffen mit den Größen aus Industrie und Wirtschaft am 20.2.1933, im weiteren Verlauf der Einmarsch in Österreich und wie es dazu kommen konnte; ein paar Mal fällt der Blick auf Nebenschauplätze wie England oder Frankreich.


    Es waren gesellschaftliche Größen und hoch angesehene Männer, die mit horrenden Summen aus ihrem Privatvermögen und ihren Firmen und Betrieben den Wahlkampf der NSDAP aktiv unterstützten. Während sich die Geschichtsforscher in der Bewertung dieses Treffens für Hitlers Ziele nicht vollkommen einige sind, ist Vuillards Standpunkt eindeutig.


    Er betrachtet das Ganze mit bösem Blick, satirisch, bewertend, verurteilend, mitunter scheint es, als könne er bis heute nicht glauben, was in den 1930/1940ern in Europa passierte. Wo Historiker noch versuchen, Verständnis für schwache, kleinmütige Politiker zu wecken (Schuschnigg), urteilt Vuillard gnadenlos, seziert die Untergrabung der Autorität und den Wankelmut der politischen Machthaber. Der Autor will keine sachliche Distanz, sondern emotionale Wahrhaftigkeit. Und dort, wo historische Details der Nachwelt nicht überliefert sind, z.B. bei nicht-protokollierten Vier-Augen-Gesprächen, bekennt er sich dazu, anhand der Konsequenzen und des Wissens um die folgenden Ereignisse zu spekulieren. Unbarmherzig und unerbittlich forscht er nach Beweggründen, die nicht nur die Mächtigen, sondern auch „das Volk“ dazu brachten, dort zu jubeln, wo Widerstand angebracht gewesen wäre.


    Dass Fake News nicht von den neuen Medien unserer Zeit erfunden wurden, beweist Vuillard eindrucksvoll. Denn was wir heute für Live-Mitschnitte von Veranstaltungen der NS-Zeit halten, ist zum Teil für die Wochenschau und die Propaganda mit einer Tonspur unterlegt worden.

    Und die Qualitätsmängel von militärischem Gerät und Fahrzeugen sind nicht erst seit Ursula von der Leyen zu beklagen.

    Einen Großteil der NS-Täter betrachtet Vuillard im Licht der Nürnberger Prozesse. Doch die Täter im Hintergrund, diejenigen, die sich am 23.2.1933 trafen und Hitler ein Vermögen zuschoben, gehörten trotz der deutschen Niederlage zu den Gewinnern: Einige ihrer Fabriken existieren bis heute.


    Doch die Historie allein wäre Vuillard vermutlich zu wenig. Daran ist nichts mehr zu ändern, auch wenn man sich bis heute fragt, wie um alles in der Welt es zu den Verbrechen des Dritten Reiches kommen konnte. Der Einfluss derer, die mit ihrem Geld die politische Richtung bestimmen, ist unverändert. Und Lehren aus der Geschichte zieht sowieso niemand, sonst könnten Rassismus und Antisemitismus in unserer Zeit nicht neu aufblühen.


    Teilnehmer und Summen sowie weitere Informationen über das Geheimtreffen findet man hier.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ihr macht mich neugierig. Ein historisches Sachbuch mit literarischem Anspruch - schön!

    Und ein interessantes Thema. Es steht zwar in jedem Geschichtsbuch drin, wie und warum die

    Industrie etc. Hitler finanzierten, aber ein genauer Blick auf die Täter im weißen Hemd

    interessiert mich.

    Aber im Nachhinein ist es natürlich leicht(er), die "kleinen... Schritte", wie tom leo schreibt,

    in ihrer Bedeutung zu erkennen.

    Danke für die Rezensionen.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich möchte aber nüchterne Analyse.

    Also: bloß keine Experimente? Schade. :(


    Das Buch ist sicher keine Spekulation. Aber wenn Hitler sich mit Schuschnigg unter vier Augen trifft, weiß natürlich niemand, was im Einzelnen besprochen wird, doch die Ergebnisse sind eindeutig und geben einen Rückschluss auf das Gespräch.

    Vuillards Spekulation darüber ist eine Analyse. Um zu begreifen, wie der Autor das macht und wie geistreich und gut recherchiert er das macht, muss man das Buch jedoch gelesen haben.


    drawe , das Geheimtreffen ist Ausgangspunkt dessen, was Vuillard beschreibt; er kommt am Ende nochmal darauf zurück, in der Zwischenzeit geht es um andere Ereignisse zu Beginn des 2. Weltkriegs. Ich könnte mir vorstellen, dass Du das Buch gern lesen würdest. Leider hatte ich es aus der Bücherei, so dass ich es Dir nicht leihen kann. :cry:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Leider hatte ich es aus der Bücherei, so dass ich es Dir nicht leihen kann. :cry:

    Lieben Dank … ich bin voller Neid auf eine solche Bücherei...


    Was findo angeht: es gibt hinreichend neue Hitler-Biografien! Von Fest würde ich eher abraten; seine Biografie ist nicht neu, wird

    aber immer wieder aufgelegt, weil sie jahrelang als DAS Standardwerk galt.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Schade. Ich hatte so gehofft. Ich möchte aber nüchterne Analyse. historisch-wissenschaftlich aufbereitet, recherchiert ohne Spekulation.

    findo, auch die Wissenschaften, vor allem die Geschichtswissenschaften sind Interpretationen von Fakten. Schon allein, dass man nie alle Fakten kennt, bedeutet, dass man nie die vollständige Wahrheit kennen kann.

    .

    :study: Willa Cather - Meine Antonia

    :study: Wolfgang Herrndorf - Tschick

    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidungen

    :study: James Wood - Die Kunst des Erzählens















  • ch halte immer noch die Biografie von Ian Kershaw für am Besten, dann Konrad Heiden. Die von Fest kenne ich auch, und finde sie ebenfalls nicht gut.

    Was Ian Kershaw angeht, gebe ich Dir recht. Er betrachtet nicht nur Hitler als "charismatischen" Menschen, sondern wählt einen breiten Blickwinkel.

    Konrad Heiden? Den würde ich, ehrlich gesagt, nur als Zeitdokument lesen.


    Eine neuere Biografie von Longerich baut auf dem Werk von Kershaw auf.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich halte immer noch die Biografie von Ian Kershaw für am Besten, dann Konrad Heiden. Die von Fest kenne ich auch, und finde sie ebenfalls nicht gut.

    Die Biographie von Ian Kershaw finde ich auch sehr gut. Konrad Heiden dazu ergänzend. Es gibt ja nicht so viele Zeitzeugen, die mit dem Wissen von damals schon zu Lebzeiten Hitlers ihre Erinnerungen niedergeschrieben haben. Schon bemerkenswert sein Weitblick. Fast alle späteren Biographen Hitlers haben doch mehr oder weniger Konrad Heiden zitiert oder seine Werke genutzt.

    Weitergehend kann ich dazu noch das Werk "Hitlers erster Krieg: Der Gefreite Hitler im Weltkrieg - Mythos und Wahrheit" von Thomas Weber empfehlen.

    Und die Biographie von Volker Ullrich "Adolf Hitler. Die Jahre des Aufstiegs 1889 - 1939". Der zweite Band soll im Oktober diesen Jahres erscheinen.

    Es ist der Reiz des Lebens, daß man nicht alles für selbstverständlich hält, sondern noch bereit ist, sich zu wundern.

    Loriot

  • Autor: Eric Vuillard

    Titel: Die Tagesordnung

    Seiten: 122

    ISBN: 978-3-95757-907-2

    Verlag: Matthes & Seitz Berlin


    Autor:

    Eric Vuillard wurde 1968 in Lyon geboren und ist ein französischer Schriftsteller und Filmemacher. Er studierte Jura, Politikwissenschaften, Philosophie, Anthropologie und Geschichte an der Elitehochschule EHESSS und veröffentlichte 1999 erste Erzählungen. Dem folgten weitere Texte, die mehrfach ausgezeichnet wurden. Im Jahr 2017 erhielt er den Prix Goncourt für "Die Tagesordnung".


    Inhalt:

    20. Februar 1933: Auf Einladung des Reichstagspräsidenten Hermann Göring finden sich 24 hochrangige Vertreter der Industrie zu einem Treffen mit Adolf Hitler ein, um über mögliche Unterstützungen für die nationalsozialistische Politik zu beraten.

    Mit virtuoser Eindringlichkeit und satirischem Biss seziert Vuillard die Mechanismen des Aufstiegs der Nationalsozialisten und macht deutlich: Die Deals, die an den runden Tischen der Welt geschlossen werden, sind faul, unser Verständnis von Geschichte beruht auf Propagandabildern. (Klappentext)


    Rezension:

    Nach Anhören oder Lesen einiger Rezensionen riet mir ein erster Impuls damals von der Lektüre ab, doch fiel mir später die Taschenbuchausgabe in die Hände. Meine Gedanken zu diesem Werk hatte ich dato längst verdrängt. Manchmal ist das Vergessen von Sachverhalten ja etwas Wunderbares, kann man sich doch so, in diesem Falle dem Text, einmal unbefangen nähern. Und so griff ich "Die Tagesordnung" aus meinem Regal heraus und begann zu lesen.


    Schon mit dem Lesen der ersten Abschnitte stellt sich die Frage, was dieses Werk eigentlich sein will? Sein soll? Ein Roman ist das nicht, dafür wirkt die Form zu starr. Die Kategorisierung Sachbuch trifft hier ebenso wenig zu. Vielleicht hat uns Eric Vuillard hier eine Mischform aufgetischt? Im Fernsehen würde man wohl Doku-Spiel dazu sagen. Tatsächliches Geschehen noch einmal nachgespielt. Hier eben in Textform. Bekannte Szenen aus der Anfangszeit des NS-Regimes als Postkartenmotiv in Hochglanzform.


    Und das ist ein Problem. Das Ausgangsmaterial hat beinahe Jeder bereits in aller Ausführlichkeit im Geschichtsunterricht serviert bekommen. Auch die Ergebnisse sind bekannt. Nichts Neues an Erkenntnissen gewinnt man, wenn das alles noch einmal umgeschrieben zu lesen ist.

    Der rote Faden, der Lauf der Geschichte, den hat Vuillard hier ausgefranzt. Mal passen Szenen nicht zueinander, Übergänge, die diese schleichende Machtergreifung noch mehr verdeutlichen könnten, wie sie die Nationalsozialisten fabrizierten, fehlen zu Teilen gänzlich. Das ist handwerklich schlecht gemacht und trägt der Brisanz nicht unbedingt Rechnung.


    Zudem darf sich der Autor die Frage gefallen lassen, warum mitten im Geschehen der Text endet. Und der Verlag, warum man nicht nochmals über den Klappentext geschaut hat. Letzterer beschreibt eine Szene von vielen, leider von zu wenigen, die in diesem Werk vorkommen könnten.


    Bei Ersteren, ja, es wird die Vereinnahmung Österreichs beschrieben, der Anklang der Münchener Konferenz, der die Tschechoslowakei zum Opfer fallen sollte, aber mehr eben auch nicht. Warum nicht? Warum hat Vuillard nicht mehr aus den Stoff herausgeholt, dem ihn die Geschichte bietet? Keine Lust, weiterzuschreiben, wenn wir einmal bei dem Text an sich sind, sich wenigstens zu entscheiden, ob man einen Roman, eine Novelle vielleicht oder doch ein literarisches Sachbuch machen möchte?


    Nun liegt das Werk eben so vor. Es lässt sich auch leicht lesen, zumal alles jedem darin bekannt sein dürfte. Danach bleibt jedoch auch nichts mehr übrig. Nicht mehr als ein Vergleich zumindest. Zu Pandemie-Zeiten haben einige von uns erfahren müssen, wie es ist, zu essen und nichts zu schmecken. Man wird vielleicht satt, aber das war es dann halt auch.


    Vielleicht demnächst wieder ein Sachbuch oder einen richtigen Roman.