M. L. Rio - Das verborgene Spiel / If we were villains

  • Sieben Freunde. Rücksichtsloser Ehrgeiz. Ein geheimnisvoller Todesfall.


    Oliver Marks bekommt immer nur die Nebenrollen. Trotzdem ist der junge Schauspieler glücklich am renommierten Dellecher College, einer abgeschiedenen Welt mit flackernden Kaminfeuern und ledergebundenen Büchern. Die sieben Studenten seines Jahrgangs sind eine eingeschworene Gemeinschaft, besessen von der Schauspielerei und von Shakespeare. Die Typen, die sie auf der Bühne verkörpern, legen sie auch privat nicht ab: Mitläufer, Verführerin, Held. Der charismatische Richard gibt die unberechenbaren Tyrannen. Doch eines Tages treibt einer der Freunde tot im Collegesee. Die anderen stehen vor einer schwierigen Wahl: Sollen sie der Wahrheit ins Auge sehen oder weiter gegen sie anspielen?…(Klappentext)


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    Personen:
    Richard – sein Name ist im wahrsten Sinne Programm; er ist aufbrausend, wirkt einschüchternd und ist der typische Gewinnertyp. Spielt in den Stücken immer einen König, Kriegsherr oder Tyrannen.


    Meredith – die geborene Verführerin, im Leben wie auch auf der Bühne. Freundin von Richard


    Wren – ein unscheinbares und ruhiges Mädchen; Besetzung für das Mädchen von nebenan oder ein Naivchen. Die Cousine von Richard


    James – der beste, attraktivste und auch fleißigste Student; aufgrund seiner Offenheit allseits beliebt. Auf der Bühne verkörpert er immer den Guten. Zimmergenosse und bester Freund von Oliver


    Alexander – dieser hat es faustdick hinter den Ohren und ist keineswegs auf den Mund gefallen; er ist die ideale Besetzung für Schurken, Narren und teuflisch böse Charaktere


    Filippa – von den anderen nur Pip genannt; burschikos, ruhiger Pol und wandelbar, daher besetzt sie oft auch Männerrollen


    Oliver – der Erzähler dieser Geschichte; hält sich selbst für nichts besonderes und schiebt es auf sein Glück es bis in das 4. Semester geschafft zu haben; hält sich lieber im Hintergrund und ist daher immer die Besetzung für Nebenrollen mit etwas längerem Text


    Setting:
    Das Dellecher Classical Conservatory – eine Kunstakademie, welche für ihre exzentrischen und unkonventionellen Methoden regelrecht berüchtigt ist.
    Hier ist alles erlaubt, alles wird entschuldigt, solange es der Kunst dient.


    Handlung:
    Eine eingeschworene Gemeinschaft von sieben Studenten; sieben Studenten, die durch ihre Liebe zum Theater und zu Shakespeare verbunden sind; sieben Freunde, welche in Shakespeares Dramen die selben Rollen wie in ihren Leben spielen.
    Doch eines Tages werden diese Rollen vertauscht, das Gleichgewicht der Freundschaft dadurch gestört und das Drama nimmt seinen Lauf. Dieses Drama wird 10 Jahre danach von Oliver erzählt, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde.
    (Persönliche Inhaltsangabe)


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    Dieser Roman ist eine wahre Hommage an Shakespeare, seine Werke und an das Theater und seine Schauspieler, wobei die verschiedensten Shakespeare-Zitate (vornehmlich aus „Macbeth“ und „Cäsar“) in die Dialoge und die Handlung eingearbeitet werden.
    Wie für die sieben Hauptprotagonisten ist also auch für den Leser Shakespeare allgegenwärtig.


    „Es gab uns sieben, die Bäume, den Himmel, den See, den Mond – und natürlich Shakespeare. Er lebte bei uns wie ein achter Mitbewohner, ein älterer weiser Freund, unsichtbar, doch in Gedanken stets anwesend, als habe er gerade erst den Raum verlassen.“ (S 169)


    Und somit taucht man ein in die Welt der Theaterstudenten – ein Leben voller Partys, Drogen und Alkohol und schließlich erlebt man mit den sieben Studenten ihr selbst produziertes Drama, welches in einer Tragödie endet.
    Neid, Rachsucht, Liebe, Tod – alles nur hervorgerufen durch eine kleine Änderung in der Besetzung.


    Die Einteilung des Buches gliedert sich nicht in Kapiteln, sondern passend zur Thematik in Akte und Szenen. Dies gibt der Story die richtige Atmosphäre.


    Der Schreibstil ist poetische und sprachgewaltig wie so manches Shakespearewerk selbst, ohne aber gestelzt oder übertrieben zu wirken.


    „Wir waren ständig von Büchern, Worten und Gedichten umgeben, all den wilden Leidenschaften dieser Welt, gebunden in Leder und Pergament…“ (S. 13)


    Das Besondere an diesem Roman ist aber auch, wie die Autorin die Gefühle der Protagonisten wieder- bzw. weitergibt. Diese können so manche Empfindungen nicht mit eigenen Worten beschreiben, da diese oft zu überwältigend oder zu kompliziert sind. Aus diesem Grund benutzen sie dann Shakespeare-Zitate, denn…


    „Die Sache bei Shakespeare ist seine unbeschreibliche Wortgewalt […] Er spricht das Unaussprechliche aus. Er kleidet Trauer und Triumph, Hingerissenheit und Raserei in Worte und macht sie zu etwas, das wir verstehen können. Er verwandelt das ganze Mysterium der Menschheit in etwas Greifbares“ (S. 322)


    Die Spannung ist anfangs nur subtil spürbar. Wie das langsame Anwachsen des Dramas schraubt sie sich erst nur behutsam in die Höhe, bis sie jedoch kaum mehr auszuhalten ist und in einer überraschenden Auflösung endet.


    Am Ende des Romans erhält man von der Autorin noch Infos bezüglich Entstehung dieses Romans, wie z.B. welche Bücher sie dafür gewälzt hat.
    Die Übersetzung der Shakespeare-Zitate in der deutschen Ausgabe erfolgten durch die im dtv-Verlag erschienen Shakespeare-Werke, welche von Frank Günther übersetzt wurden. Einer meiner absolut liebsten Shakespeare-Übersetzer.


    Auch die Aufmachung des Buches konnte mich begeistern. Erstens durch das wunderschöne und treffende Cover, aber auch aufgrund der guten Qualität.


    Fazit:
    Mich als Shakespeare-Fan konnte dieser Roman absolut begeistern und zählt definitiv bereits zu meinen Lese-Highlights 2018.
    Obwohl hier Shakespeare allgegenwärtig ist und mit seinen Zitaten nur so herumgeschmissen wird, ist er nicht nur für Shakespeare-Liebhaber geeignet. Man muss sich nur auf diese ganz besondere Atmosphäre einlassen können, denn atmosphärisch ist dieser Roman allemal.
    Von mir gibt es daher eine absolute Leseempfehlung für diesen Roman – einen Roman, der mir wieder Lust auf Shakespeare machte. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    ©Pink Anemone

  • Ich bin kein großer Theaterfan und mit Klassikern hab ich es auch nicht so - aber immerhin hab ich von Shakespeare vor Jahren Der Sommernachtstraum sowie Romeo und Julia gelesen. Beides hat mir wirklich gut gefallen, auch wenn es schon etwas anstrengend war, sich auf diesen Stil einzulassen.

    Mit diesem Buch legt uns die Autorin jedenfalls Shakespeare zu Füßen.
    Zum einen ist die Geschichte in fünf Akte unterteilt und die Kapitel in Szenen. Zum anderen werden wir hier mit vielen Zitaten aus sämtlichen Werken des bekannten Dichters konfrontiert, denn die Studenten fügen viele davon in ihre Dialoge mit ein. Das wirkt erstmal komisch und für den ein oder anderen vielleicht auch etwas zu viel - und ich kann mir nicht vorstellen, dass Shakespeare Liebhaber tatsächlich so reden - aber es hat die Atmosphäre einfach perfekt getroffen!

    Überhaupt war man von Anfang super in diese "Theater-Welt" integriert.
    Das Campusleben war gut beschrieben, ohne zu viel Raum einzunehmen. Ich hab einen Eindruck bekommen wie so ein Unterricht verläuft, wie Rollen verteilt und einstudiert werden und wie die Proben ablaufen.
    Natürlich auch die Ambitionen der Protagonisten, die sieben Viertsemester, um die es hier geht, in ihrem letzten Studienjahr. Anfangs waren die vielen Namen noch etwas schwer auseinander zu halten, das legte sich aber schnell.

    Erzählt hat Oliver in der Ich-Perspektive. Die Akte wurde immer mit einem Prolog eingeleitet, der in der Gegenwart spielt, 10 Jahre nach den dramatischen Ereignissen. Denn jetzt entschließt er sich endlich, die Wahrheit zu erzählen über das, was damals passiert ist.
    Obwohl eigentlich gar nicht viel passiert war ich sehr von der Handlung gefesselt, die sich vor allem auf diese sieben aufstrebenden Künstler fokussiert. Sie haben sich zusammen gefunden und sind Freunde geworden, auch wenn sie recht unterschiedlich sind. Das Studium und ihre Liebe zu Shakespeare hat sie zusammen geschweißt. Aber man merkt schon recht schnell beginnende Risse in der Freundschaft.

    Kleine Unsicherheiten, Liebe, Neid, Missgunst, Selbstsucht und die heimliche Geheimnisse, die jeder mit sich herumträgt. Etwas mehr Tiefe hab ich hier vermisst, auch wenn man jeden von ihnen von den Grundzügen her gut einschätzen kann.
    Oliver, den durchschnittlichen Typen, der sein Herz am rechten Fleck hat
    James, seinen besten Freund, der eine undurchschaubare Seite hat
    Meredith, die mit ihrem Sexappeal jeden um den Finger wickeln kann
    Wren, die mit ihrer scheuen Naivität berührt
    Alexander, etwas großspurig und mit Ecken und Kanten
    Filippa, die man in keine Schublade stecken kann und der Stützpfeiler der Gruppe ist
    und Richard, der sich gerne mit seinen Erfolgen rühmt

    Ein bunter Haufen, der auf eine Katastrophe zusteuert und auf eine Entscheidung, die das Leben aller für immer verändern wird.
    Sehr gut fand ich definitiv die vielen Reaktionen und Gefühle, die hier dann zum Vorschein kamen und wie jeder anders damit umgeht. Manches davon mag irrational erscheinen, aber in Anbetracht der Situation durchaus gerechtfertigt. Niemand weiß vorher, wie er im Schock reagiert, wie lange dieser nachhallt und inwieweit das das Urteilsvermögen beeinträchtigt.

    Der Fall selbst, um den es geht, hätte für mich am Ende noch etwas mehr Schwung gebraucht. Ich rätsle gerne mit und da hätte es definitiv noch vereinzelte Andeutungen geben dürfen. Kleine Ahnungen hatte ich schon, war dann aber doch noch ein bisschen überrascht wie alles abgelaufen ist - und auch über die Gründe. Irgendwie hatte ich da noch mehr erwartet, noch einen größeren Effekt, aber dafür war der Ausklang im Epilog ein schönes Ende.

    Ein bisschen viel Alkohol war im Spiel und das ständige Joint rauchen hätte man vielleicht ebenfalls reduzieren können. Ja, sie sind jung und in dem Alter, da das einfach üblich ist - aber ich muss da nicht so oft darauf hingewiesen werden und es muss auch nicht als Botschaft weitergetragen werden, DASS es üblich ist. Ich bin da vielleicht kleinlich mittlerweile. Dafür wiederum war gut, dass im Endeffekt auch gezeigt wird, welche Gefahren und schlimmen Auswirkungen daraus entstehen können.

    Weltenwanderer