Oversexed and Underfucked: Über die Gesellschaftliche Konstruktion der Lust

Buch von Iris Osswald-Rinner

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Oversexed and Underfucked: Über die Gesellschaftliche Konstruktion der Lust

Oversexed and underfucked! Diese sicherlich pointiert formulierte und auch provozierende Diagnose über den gegenwärtigen Zustand des ‚sexuellen Begehrens’ unterstellt, dass die Lust der Geschlechter aufeinander heute weitgehend abhanden gekommen sei und dass die vermeintliche, ganz wesentlich durch die Medien getragene, Übersexualisierung daran einen erheblichen Anteil habe. Und sie impliziert, dass ‚wir’ alle wissen (wollen), was guter Sex ist. Entlang dieser Leitnahmen geht die vorliegende Arbeit der gesellschaftlichen Konstruktion der Lust auf den Grund. Sie analysiert die Ideen einer ‚gelingenden Sexualität’ aus der Sicht der Wissenschaft ebenso wie das Rezeptwissen erfolgreicher Sexualratgeber von 1950 bis heute. Die aus diesen Quellen ‚rekonstruierten’ sexuellen Skripte (Dornröschen-Skript, Ken&Barbie-Skript, Adam&Eva-Skript und Ich&Ich-Skript) weisen – insgesamt betrachtet – eine typische Entwicklungslinie auf, die von der Darstellung des Geschlechtsverkehrs als Drama im Dornröschen-Skript bis hin zur als Porncast inszenierten Selbstbefriedigung im Ich&Ich-Skript führt. Der Begriff ‚underfucked’ zeigt somit nicht einen Mangel an Geschlechtsverkehr an, sondern beschreibt vielmehr seinen fortschreitenden ‚sozialen Tod’.
Weiterlesen

Bewertungen

Oversexed and Underfucked: Über die Gesellschaftliche Konstruktion der Lust wurde bisher einmal bewertet.

(0)
(1)
(0)
(0)
(0)

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Oversexed and Underfucked: Über die Gesellschaftliche Konstruktion der Lust

    Eine witzig-lockere Untersuchung der These, ob unsere Gesellschaft "oversexed and underfucked" ist.
    Um ehrlich zu sein, konnte ich mit dem Untertitel erst nur sehr wenig anfangen, während der eigentliche Übertitel von "Oversexed and underfucked. Über die gesellschaftliche Konstruktion der Lust" (2011) von Iris Osswald-Rinner ja doch sehr aussagekräftig ist. Die Wendung "Oversexed and underfucked" erklärt sich beinahe von selbst, oder ? Die Gesellschaft ist hypersexualisiert, spricht offener denn je über Sex und zeigt überall sexuelle Inhalte ("oversexed"). Und trotzdem oder gerade deswegen ist unsere Gesellschaft nun sexmüde ("underfucked"). Paradoxerweise vertritt unsere Autorin Osswald-Rinner nun diese These nicht, sondern im Gegenteil, sie versucht, diese These zu widerlegen. In aller Deutlichkeit sagt sie das (glaube ich !) erst ganz am Ende im Fazit ("6. Wandel der Sexualität: Der König ist tot, es lebe die Königin", S. 251-2).
    Diese Widerlegung der oversexed and underfucked-These begeht sie auf eine sehr interessante Art: Osswald-Rinner untersucht nämlich Sex-Ratgeber seit den 50ern und versucht daraus zu rekonstruieren, wie sich unsere Gesellschaft das Idealbild ihrer "Lust" konstruiert. Sie geht nämlich von Anfang davon aus, dass wir zwar tatsächlich "oversexed" sind (wer könnte das leugnen ?), doch seien wir nicht "underfucked", da sich lediglich die Art der Lustempfindung geändert habe, nicht deren Quantität. Denn während vorher nur der direkte Geschlechtsverkehr als Sex galt, gibt es seit den 60ern den Trend, dass sich der reine Geschlechtsverkehr als "Sex" verändert und nun zum Großteil aus Oral- und Manualverkehr (gegenseitige oder alleinige Masturbation) besteht.
    Wie versucht sie das also zu begründen ? Ihr Argumentationsgang ist eigentlich relativ einfach, wenn ich es richtig verstanden habe und gut widergeben kann: Sie geht davon aus, dass sich die These, die Gesellschaft sei "oversexed and underfucked", auf ein unrichtiges Bild der sexuellen Befriedigung in der Gesellschaft stützt. In ihrem Fazit meint Osswald-Rinner, dass nur diejenigen Personen die "oversexed and underfucked"-These vertreten können, die noch der veralteten Meinung seien, dass der reine Geschlechtsverkehr als Indiz für sexuelle Befriedigung gelte, während realgesellschaftlich eigentlich schon längst Alternativen, die nach und nach moralisch akzeptiert wurden (Oralverkehr und Masturbation), ebenfalls zur sexuellen Befriedigung beitragen.
    Dazu untersucht sie die Idealbilder der Lustempfindung, die in den letzten 60 Jahren herrschten. Hier meint sie Veränderungen zu sehen, die sich in 4 Etappen ausdrücken und ineinander übergehen. Bis zur Mitte der Siebzigerjahre herrschte das "Dornröschen"-Bild vor ("4.2 Das Dornröschen-Skript", S. 122-147), in dem dem Mann die erfahrene, der Frau die passive Rolle zugesprochen wurde. Die Lust entsteht definitiv während des Geschlechtsverkehrs. Durch gesellschaftliche Liberalisierung entsteht dann ein neues Bild, das von "Barbie-&-Ken" ("4.3 Das Barbie-&-Ken-Skript", S. 148-172), in dem die gegenseitige Lustbeschaffung mit multiplen Orgasmen im sportlichen Rahmen bei zT wechselnden Partnern praktiziert wurde. Beide Partner werden hier sexuell aktiv, egal ob Mann oder Frau.
    Als in den 90ern der HI-Virus verstärkt ins öffentliche Bewusstsein trat, endete die sexuelle Freizügigkeit mit wechselnden Partnern und ausgetauschten Körpersäften, sodass wieder die duale Beziehung mit einer emotionalen Intimität ins Zentrum rückte. Hier intensivierten sich die Sexpraktiken der Masturbation und des Oralverkehrs als sozial akzeptierte Alterativen zum Geschlechtsverkehr. Das hatte bereits mit Barbie und Ken begonnen. Dieses Bild nennt Osswald-Rinner das Bild von Adam und Eva ("4.4 Das Adam-&-Eva-Skript", S. 172-208). Dieses Bild von Adam und Eva hält sich eigentlich bis heute, doch in einer vorsichtigen Prognose versucht Osswald-Rinner eine weitere Entwicklungstendenz herauszuarbeiten, von der nicht sicher ist, ob sie überhaupt als eigenes Bild gelten kann. Sie befinde sich nämlich eben erst im Entstehen und könnte auch wieder vergehen, ohne viele Folgen nach sich zu ziehen oder größere Ausmaße anzunehmen: das Bild von Ich und Ich ("4.5 Das Ich-&-Ich-Skript", S. 209-237). Hier sei Lustentstehung auf ihrem individualistischen Höhepunkt, denn die beiden Persönlichkeiten des "Paares" seien dermaßen individualisiert, dass der "Partner" überspitzt formuliert nur noch ein Werkzeug zur Lustempfindung für das eigene Ich ist. In diesem Kontext fallen dann auch dementsprechend Begriffe wie Episodenpartner, Toyboy und Toygirl.
    Hier macht Osswald-Rinner an Begriffen und Vergleichen stets die Veränderungen deutlich. Hier bei Ich und Ich ist die Beziehung eine Episodenbeziehung, während sie bei Adam und Eva eine dauerhafte, bei Barbie und Ken eine offene Partnerschaft war. Die Ehe als Beziehungsmuster gilt lediglich bei Dornröschen. Der Kontext der sexuellen Beziehung ändert sich ebenfalls. Dornröschen hat Sex im Muster eines Dramas, Barbie und Ken im Muster eines Schau-Spiels, Adam und Eva in einer Daily Soap und Ich und Ich schließlich in einem Porncast.
    Diese direkten Begriffsvergleiche bringt sie pointiert in einzelnen Tabellen am Ende jedes Kapitels (zusammengefasst in einer Gesamttabelle in "4.6 Zusammenfassung", S. 237-241).
    Nun am Ende meines Kommentars zum Buch muss ich Euch, werten Lesern, offen zugestehen, dass ich hier oftmals andere Begrifflichkeiten verwende als die Autorin. Das, was ich als Kontext der sexuellen Aktivität in einer Beziehung bezeichne, nennt sie "Skripte". Doch leider erschließt sich mir das nicht so ganz, da sie sich hier auf die mir völlig unbekannte Skript-Theorie stützt ("2.2 Wie gelangt Wissen über sexuelle Lust in unser Handeln?", S. 34-43). Generell ist für mich als Laie ihr Theorienfundament nur schwer nachvollziehbar. Sie hat manchmal eine verwirrende Methodenformulierung und -reihenfolge. zB hatte ich das Gefühl, dass für sie das Ergebnis der Untersuchung von Anfang feststand, doch blieb das für mich ziemlich konfus. Außerdem bin ich mir auch nicht sicher, ob ich ihren "Lust"-Begriff richtig verstehe, oder er etwas unglücklich verwendet ist. Denn ich verstand ihn eher als "Sexausübung"/"Sexpraxis"/"Arten der Lustgewinnung"/oder Ähnliches.
    Insgesamt hat sie einen etwas schwierig nachvollziehbaren Schreibstil (bes., was die Theorien betrifft !). Das lässt jedoch ziemlich nach, sobald die eigentliche Sexratgeber-Untersuchung beginnt ("4. Die idealtypische Rekonstruktion der Lust in Modellen sexueller Skripte: Die Entwicklung vom Dornröschen-Skript zum Ich-&-Ich-Skript auf den Punkt gebracht", S. 115-241). Hier hantiert sie gefühlt (!) auch ziemlich mit Ironie, Lockerheit (?) und Humor.
    Leider haben sich auch einige sachliche Fehler eingeschlichen, wie Fehler in der Inhaltsangabe (Seitenangabe von "4.6 Zusammenfassung") oder in den Fussnoten (S. 226-9, Fn. 667 und 673 sind bestimmt ungewollt identisch).
    Alles in allem kann ich offen sagen, dass sich dieses Buch wirklich lohnt, wenn wir als Leser über das ziemlich umfassende und komplizierte Methodenkonstrukt und die stellenweise schwierige Sprache hinwegsehen.
    Dieses Buch erinnert mich auch etwas an das Buch "Online-Sex" von Arne Dekker. Denn wie dort erhalten wir auch hier einen leichten Einblick in die moderne Forscherdebatte über den Verfall/über die Weiterentwicklung der sexuellen Moral oder der sexuellen Betätigung. Evtl. ist diese Parallele etwas sehr weit hergezogen, doch kam mir das ein wenig bekannt vor.
    Nun, aber wirklich am Ende meines Kommentars will ich Euch noch meine Hilfen offenlegen. Evtl. kennt Ihr das bereits, werte Leser. Zu manchen Büchern lese ich mir gerne noch andere Kommentare oder Querverweise durch, um die Bücher besser (oder überhaupt) verstehen zu können. Zu diesem Buch gab es tatsächlich nur wenig, was ich auf Anhieb finden konnte. Doch was ich fand, ist folgendes.
    1. http://www.bzb-online.de/mai12/46_48.pdf
    2. http://www.osswald-rinner.de/pdf/veroeffentlichungen.pdf
    3. http://fsf.de/data/hefte/ausga…swald_rinner096_tvd60.pdf
    4. http://www.relax-guide.com/wellnessblog-2686
    Die letzten beiden Links bieten eine mehr oder weniger ausführliche Übersicht über das Buch. Der 3. Link zieht eine Parallele zu Aldous Huxleys "Brave New World" bzgl. des Punktes, an dem Menschen nur noch zum eigenen sexuellen Vergnügen und nicht wegen der Emotionen mit anderen Menschen Verkehren (vgl. dazu die Buchrückseite mit dem Zitat "sozialer Tod"). Das soll Bezug nehmen auf die momentane Tendenz zum Modell von Ich und Ich. Doch habe ich das so nicht direkt aus dem Buch herausgelesen. Die ersten beiden Links sind deswegen interessant, weil sie zeigen, dass die Autorin auch viel (wegen ihres Mannes, der Zahnarzt ist ?) zu Zahnmedizin macht, wenn ich das richtig verstanden habe. So ist der erste Link ihr Versuch Zahnmedzin mit dieser sexualsoziologischen Thematik zu verbinden. Das klappt ihr mMn nicht sonderlich gut, ist jedoch interessant.
    Weiterlesen

Ausgaben von Oversexed and Underfucked: Über die Gesellschaftliche Konstruktion der Lust

Taschenbuch

Seitenzahl: 272

Besitzer des Buches 1

Update: