Glückskind mit Vater

Buch von Christoph Hein

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Glückskind mit Vater

Ironisch-humoristisch, anrührend, ohne Sentimentalität oder Sarkasmus erzählt Christoph Hein ein beispiellos-beispielhaftes Leben in mehr als sechzig Jahren deutscher Zustände. Was verdankt ein von der Mutter »Glückskind« genannter Sohn dem Vater? Seit seiner Geburt im Jahr 1945 versucht Konstantin Boggosch, in der entstehenden DDR lebend, aus dem Schatten seines kriegsverbrecherischen toten Vaters zu treten: Er nimmt einen anderen Namen an, will in Marseille Fremdenlegionär werden, reist kurz nach dem Mauerbau wieder in die DDR ein, darf dort kein Abitur machen, bringt es gleichwohl, glückliche Umstände ausnutzend – Glückskind eben –, in den späten DDR-Jahren bis zum Rektor einer Oberschule – fast. Am Ende erkennt er: Eine Emanzipation von der allgemeinen und der persönlichen Geschichte ist zum Scheitern verurteilt. Durch solche Verkettung von Vergangenheit und Gegenwart wird aus dem Glückskind ein Unheilskind. Gerade dadurch verkörpert Boggosch wie in einem Brennspiegel die unterschiedlichsten Gegebenheiten Deutschlands in den politischen, gesellschaftlichen und privaten Bereichen.
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Bewertungen

Glückskind mit Vater wurde insgesamt 6 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,3 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Glückskind mit Vater

    Verlagstext
    Ironisch-humoristisch, anrührend, ohne Sentimentalität oder Sarkasmus erzählt Christoph Hein ein beispiellos-beispielhaftes Leben in mehr als sechzig Jahren deutscher Zustände.
    Was verdankt ein von der Mutter »Glückskind« genannter Sohn dem Vater? Seit seiner Geburt im Jahr 1945 versucht Konstantin Boggosch, in der entstehenden DDR lebend, aus dem Schatten seines kriegsverbrecherischen toten Vaters zu treten: Er nimmt einen anderen Namen an, will in Marseille Fremdenlegionär werden, reist kurz nach dem Mauerbau wieder in die DDR ein, darf dort kein Abitur machen, bringt es gleichwohl, glückliche Umstände ausnutzend – Glückskind eben –, in den späten DDR-Jahren bis zum Rektor einer Oberschule – fast.
    Am Ende erkennt er: Eine Emanzipation von der allgemeinen und der persönlichen Geschichte ist zum Scheitern verurteilt. Durch solche Verkettung von Vergangenheit und Gegenwart wird aus dem Glückskind ein Unheilskind. Gerade dadurch verkörpert Boggosch wie in einem Brennspiegel die unterschiedlichsten Gegebenheiten Deutschlands in den politischen, gesellschaftlichen und privaten Bereichen.
    Der Autor
    Christoph Hein wurde am 8. April 1944 in Heinzendorf/Schlesien geboren. Nach Kriegsende zog die Familie nach Bad Düben bei Leipzig, wo Hein aufwuchs. Ab 1967 studierte er an der Universität Leipzig Philosophie und Logik und schloss sein Studium 1971 an der Humboldt Universität Berlin ab. Von 1974 bis 1979 arbeitete Hein als Hausautor an der Volksbühne Berlin. Der Durchbruch gelang ihm 1982/83 mit seiner Novelle »Der fremde Freund / Drachenblut«.
    Inhalt
    Konstantin Boggosch ist schon einige Jahre pensioniert, als eine junge Volontärin ihn für eine Sonderseite über das Pestalozzi-Gymnasium in einer ostdeutschen Kleinstadt interviewen will, seine alte Schule. Als einer der vier ehemaligen Direktoren wäre er eine Legende, meint die junge Frau. Typisch Lehrer, sieht Boggosch in jüngeren Leuten noch immer seine ehemaligen Schüler; seine Phrasen lassen ihn alt wirken. Kurz zuvor hat Boggosch eine Aufforderung erhalten, Kirchensteuer zu zahlen; adressiert ist der Bescheid an Konstantin Müller. Seiner Frau gegenüber, der es gesundheitlich nicht besonders gut geht, gibt Konstantin sich ahnungslos.
    Ein abrupter Wechsel der Erzählerstimme führt ins Jahr 1945: „Der sechste Tag des Friedens war kalt.“ In der Ichform erzählt der pensionierte Konstantin sein Leben vom Tag seiner Geburt an. Seinen Vater hat er nicht kennengelernt; denn er wurde noch vor Konstantins Geburt als Kriegsverbrecher hingerichtet. Konstantins Mutter nimmt für sich und ihre Söhne wieder ihren Mädchennamen an und sagt sich von der Familie Müller und ihrem Kautschukwerk in einer Stadt „G.“ los. Sie verzichtet auf eine Witwenrente, die ihr zustehen würde, weil das Urteil gegen Gerhard Müller von keinem ordentlichen Gericht gefällt wurde. Da sie als Ehefrau des Verurteilten in Ostdeutschland in ihrem Beruf als Lehrerin Berufsverbot hat, schlägt sie sich und die Kinder mühsam mit Putzstellen durch. Konstantin ist Ihr Glückskind, das seiner mit ihm hochschwangeren Mutter beim Einmarsch der Roten Armee das Leben rettete. Beide Söhne können in der DDR kein Abitur machen und nicht studieren, höchstens eine Lehre als Chemiearbeiter im Werk Buna 3 absolvieren, dem ehemaligen Müllerschen Betrieb. Die Taten des Vaters während der Nazizeit spalten die Familie. Gerhards Bruder Richard fängt im Westen neu an, klagt gegen das Kriegsverbrecher-Urteil gegen seinen Bruder und zieht Konstantins älteren Bruder auf seine Seite.
    Immer wieder in Sippenhaft ausgegrenzt, entwickelt Konstantin als Vierzehnjähriger einen aberwitzigen Plan. Er wird in den Westen abhauen, sich in Marseille mit gefälschten Papieren bei der Fremdenlegion bewerben. Das Glückskind trifft auf diesem Weg immer wieder Menschen, die ihm Ratschläge geben, ihn unterstützen, sogar eine Mentorenrolle bei ihm einnehmen. Praktisch am Tag vor dem offiziellen Mauerbau schlägt sich Konstantin wieder nach Ostdeutschland durch, um endlich seine Mutter wiederzusehen – und sitzt nun als immer noch Minderjähriger mit höchst verdächtigen Ausweispapieren in Ostdeutschland fest. Wie aus dem abenteuerlustigen Jugendlichen der angesehene Lehrer Konstantin Boggosch werden konnte, werden Christoph Heins Leser in allen Einzelheiten erfahren.
    Warum die Mutter der Jungen mit einem anerkannten Studienabschluss einer westdeutschen Universität, in Sippenhaft genommen, in einer Stadt ausharrte, in der sie jeder kennt, habe ich nicht verstanden. Den Frankreich-Teil der Handlung fand ich recht schleppend, u. a. weil Konstantin altersgemäß reichlich naiv agierte und seine wunderbare Begabung selbst für Geschäftsbriefe in vier Sprachen mir zu märchenhaft schien. Nach seiner Rückkehr in die DDR nahm die Handlung jedoch – für meinen Geschmack – Fahrt auf, als Konstantin in einem Antiquariat beispielhaft die Widersprüche der ostdeutschen Planwirtschaft erlebte. Weitere Mentoren stützten seine Entwicklung, doch wenn Parteizugehörigkeit die Qualifikation sticht, kann auch ein Glückskind nicht immer Glück haben.
    Fazit
    „Glückskind mit Vater“ hat bei mir als Betroffener in erster Linie das Hadern mit der deutschen Teilung neu aktiviert. Trotz seiner Längen und einiger klischeehafter Bilder halte ich den Roman für herausragend, weil er die unterschiedlichsten Leser abholen kann. Er ist als Entwicklungsroman einer ganzen Generation zu lesen, nimmt den universalen Konflikt von Söhnen mit verstorbenen Vätern auf, die nicht mehr Rede und Antwort stehen können, und geht der Frage nach, ob unsere Erinnerungen der Wahrheit entsprechen. Da das Thema Flucht nie aktueller war als heute, verspreche ich mir vom autobiographisch geprägten „Glückskind“ nicht zuletzt einen Perspektivwechsel bei Menschen, die denkbare Motive von Flüchtenden für ihren Weg bisher pauschal abgewiesen haben. Die Pläne des 14-jährigen Konstantin mögen zwar wie ein Abenteuer aus dem Kinderbuch klingen; aber wer wäre in seiner Situation nicht abgehauen? …
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Ausgaben von Glückskind mit Vater

Taschenbuch

Seitenzahl: 525

Hardcover

Seitenzahl: 527

Hörbuch

Laufzeit: 00:13:10h

E-Book

Seitenzahl: 523

Besitzer des Buches 10

Update: