Ernte am Don

Buch von Michail Scholochow

Bewertungen

Ernte am Don wurde insgesamt 2 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,3 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Ernte am Don

    Der Autor (nach Wikipedia): Der am 11. Juli 1905 (nach gregorianischem Kalender am 24. Mai) in Kruschilin, Staniza Wjoschenskaja, geborene Michail Alexandrowitsch Scholochow (russisch Михаил Александрович Шолохов) war ein sowjetischer Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger. Seine Eltern gehörten zur unteren Mittelschicht: Sein Vater arbeitete als Bauer, Viehhändler und Müller. Seine Mutter war die Witwe eines Kosaken, die erst lesen und schreiben lernte, als Scholochow schon ein bekannter Autor war. Scholochow besuchte als Kind nur zeitweise die Schule, bis er sich 1918 im Alter von 13 Jahren den Bolschewiki im Russischen Bürgerkrieg anschloss. 1922 zog er nach Moskau, um Journalist zu werden, dort begann er zu schreiben. Er musste sich mit harter körperlicher Arbeit seinen Lebensunterhalt verdienen und arbeitete zwischen 1922 und 1924 als Hafenarbeiter, Steinmetz und Buchhalter. Zeitweise besuchte er Schriftstellerkurse. 1924 kehrte Scholochow in seine Heimat nach Wjoschenskaja zurück und widmete sich dort ausschließlich seiner schriftstellerischen Arbeit. 1928 begann er mit der Arbeit an dem vierbändigen Roman, der ihn berühmt machen sollte, dem Stillen Don, ein Werk, das er erst 1940 abschloss. 1932 trat er in die KPdSU ein und wurde 1936 Abgeordneter im Obersten Sowjet. 1941 erhielt er den Stalinpreis, 1955 den Leninorden und 1960 den Leninpreis. Ab 1961 war er Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei. Im Jahr 1965 erhielt er in Stockholm für sein Hauptwerk Der stille Don den Nobelpreis für Literatur und im Januar 1966 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Philologischen Fakultät der Universität Leipzig überreicht. Er starb mit 78 Jahren am 21. Februar 1984 in Wjoschenskaja.
    Plagiatsvorwürfe und Zweifel der Verfasserschaft (nach Wikipedia.de): Sein gewaltiger literarischer Erfolg steht unter dem Verdacht des Plagiats, ein Verdacht, den im Jahre 1974 unter anderem der russische Dissident und Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn äußerte. Diverse Forscher legen allerdings nahe, dass ein Plagiat (des kosakischen Schriftstellers Fjodor Krjukow) eher unwahrscheinlich ist. Außerdem gibt es den Verdacht, Scholochow habe keines seiner Hauptwerke (vollständig) selber geschrieben: Wurde vielleicht im Auftrag des sowjetischen Geheimdienstes auf der Grundlage von Krjukow ein literarisches Werk gefertigt, für das der linientreue Scholochow als Autor aufgebaut worden sei? Noch 2015 wurden Stimmen laut, die behaupten, dass ein ganzes Autorenkollektiv am „Stillen Don" mitgeschrieben habe.
    Einige Werke mit deutscher Übersetzung:
    Донские рассказы (1926, dt. Erzählungen vom Don) Тихий Дон (1928-1940, dt. Der stille Don) Поднятая целина (1933-1960, dt. Neuland unterm Pflug 1&2, Ernte am Don) Судьба человека (1956/57, dt. Ein Menschenschicksal) Они сражались за Родину (1969, dt. Sie kämpften für ihre Heimat)
    Inhalt (Wikipedia.de, um Spoiler gekürzt): Die zentrale Figur des Romans ist der Leningrader Arbeiter Semjon Dawydow, der 1930 als Teil des „Aufgebots der Fünfundzwanzigtausend“ in das Dorf Gremjatschi Log im Dongebiet geschickt wird, um dort die Kollektivierung der Landwirtschaft voranzutreiben. Einige der Dorfbewohner haben im Bürgerkrieg auf der Seite der Weißen gekämpft, andere in der Roten Armee. In der Genossenschaft für gemeinsame Bodenbearbeitung haben sich bisher nur die achtzehn ärmsten Bauernhöfe des Dorfes zusammengetan. Zusammen mit dem Parteisekretär Makar Nagulnow und dem Vorsitzenden des Dorfsowjets Andrei Rasmjotnow organisiert Dawydow die Enteignung und Deportation der als Kulaken klassifizierten wohlhabenden Bauern („Entkulakisierung“) sowie die Gründung einer Kolchose. Während das Vorgehen gegen die Kulaken die Unterstützung der ärmeren Dorfbewohner findet, führt die Gründung der Kolchose zu verschiedenen Konflikten zwischen der bolschewistischen Obrigkeit und der Dorfbevölkerung. Auch zwischen Dawydow und Nagulnow brechen Konflikte auf: Dawydow will die Bauern eher durch Überzeugung gewinnen, Nagulnow hingegen setzt darauf sie mit Drohungen und Gewalt in den Kolchos zu zwingen.
    Ab dem Frühjahr 1930 setzte die Kommunistische Partei unter Josef Stalin auf eine weniger repressive Kollektivierungspolitik. Auch Nagulnow sieht ein, dass er zu viel Druck auf die Bauern ausgeübt hat. Mit der Zeit etabliert sich der Kolchos und die meisten Bauern finden sich in die neue Wirtschaftsweise ein. Nicht so der Wirtschaftsführer des Kolchos, der ehemalige Mittelbauer Jakow Ostrownow: Insgeheim hasst er die Sowjetmacht und versteckt in seinem Haus zwei ehemalige weißgardistische Offiziere, die in einen ganz Südrussland umfassenden militärischen Aufstandsplan gegen die Kommunisten einbezogen sind. Am Ende werden die Verschwörer entdeckt und ihre Organisation zerschlagen.
    Fassungen und Übersetzungen (nach Wikipedia und den von Wikipedia abweichenden Infos in meiner Coron-Ausgabe):
    Der erste Teil des Romans Поднятая целина (Podnjataja zelina) wurde zuerst 1932 in der russischen Zeitschrift „Neue Welt“ veröffentlicht. Die Erstausgabe des ersten Teils des Romans als Buch erschien 1934 in Moskau, 1952 wurde eine umgearbeitete Fassung veröffentlicht. Der zweite Teil des Romans wurde in Teilen zuerst 1955 in der russischen Zeitschrift „Oktober“, vollständig 1960 veröffentlicht. der zweite Teil erst 1959/60 Die Gesamtausgabe erschien 1961 in Leningrad. Die erste deutsche Übersetzung als „Neuland unterm Pflug“ besorgten Boris Krotkow und Georg Stephan Stoessler; sie erschien 1934 in Zürich, 1945 in Wien und 1946 und 1947 in Berlin, sowie in Neubearbeitung mehrmals zwischen 1952 und 1960. 1960 erschien eine neue Übersetzung des ersten Teils von Nelly Held und eine neue Übersetzung von zweiten Teils von Juri Elperin. Den Gesamtroman übertrug Eduard Suslik ins Deutsche. Diese Fassung erschien 1966 unter dem Titel „Ernte am Don“ in der deutschsprachige Nobelpreisreihe im Coron-Verlag, Zürich. Diese Ausgabe umfasst 729 Seiten und enthält als begleitende Dokumente eine kleine Geschichte der Zuerkennung des Nobelpreises an Scholochow, der Verleihungsrede, eine Abhandlung über Leben und Werk sowie eine ausführliche Bibliographie von Scholochows Werken.
    Eine englische Übersetzung des ersten Romanbuches erschien 1959 in New York bei Alfred A. Knopf unter dem Titel „Seeds of Tomorrow“, besorgt von Stephen Garry. Eine englische Übersetzung des zweiten Romanbuches erschien 1960 in New York bei Alfred A. Knopf unter dem Titel „Harvest on the Don“, besorgt von H.C. Stevens. Eine englische Gesamtübersetzung aus dem Russischen erschien 1979 in Moskau (und später andernorts) unter dem Titel „Virgin Soil Upturned“, übersetzt von Robert C. Daglish.
    Eine französische Übersetzung besorgte Jean Cathala. Sie erschien 1964 bei Gallimard in Paris unter dem Titel "Terres défrichées".
    Meine Meinung:
    Ein ausufernder Roman in zwei Büchern im Stil des sozialistischen Realismus, der zeitweise angenehm vielstimmig unterschiedliche Ansichten über die zwangsweise Enteignung und die von Stalin durchgesetzte Kollektivierung der Landwirtschaft in den 1920er- und 1930er-Jahren vermittelt, am Don im Süden der Sowjetunion spielend. Fürsprecher, Zweifler und Gegner kommen gleichermaßen zu Wort, wenn auch die Seite der Fürsprecher klar bevorzugt wird.
    Der Anfang der 1930er-Jahre veröffentlichte erste Teil beschäftigt sich vor allem mit den Anfängen der Kolchose-Wirtschaft, der Enteignung der Bauern, der schwierigen Gründung der Kolchose „Stalin“ und dem Versuch, Bauern zum Eintritt und Verbleib in die Kolchose zu bewegen. Außerdem geht es um die „antirevolutionären“ Untergrundkräfte alter Weißgardisten. die im Stillen gegen die Sowjetmacht Pläne schmieden. Der zweite in den 1950er-Jahren geschriebene Teil beschäftigt sich vor allem mit dem sozialistischen Alltag in der Kolchose, der schweren Feldarbeit, Fragen der Organisation und Lebensführung, dem feierlichen Eintritt mancher Bauern in die Kommunistische Partei sowie dem etwas liederlichen Liebesleben des Dorfvorsitzenden Dawydow und zeigt zum Ende hin die Zerschlagung der Konterrevolution.
    Kam mir der erste Teil ideologisch erstaunlich ausgewogen vor, gewissermaßen auch Graustufen beleuchtend – es kommt zum Beispiel auch gut heraus, dass Zwangsenteignungen für alle Beteiligten kein Zuckerschlecken sind –, nehmen im zweiten Teil mitunter recht platte und offensichtliche Propaganda-Tricks überhand: Schon allein, dass die Konterrevolutionäre immer „billigen“ Tabak rauchen. Ein anderer den konterrevolutionären nahestehender Herr – er ist sogar zu verkommen, um einen „ehrlichen Mord“ zu begehen – schließt seine alte Mutter im Zimmer ein und lässt sie verhungern, damit sie nicht ausplaudern kann, dass er zwei Konterrevolutionäre bei sich versteckt. Die Bolschewiken sind dagegen aufrechte Gesellen, die ihr Verhalten stets einer inneren Revision unterziehen, an deren Körper kein Gram unnützes Fett ist, die im Gleichmaß mit der Natur und der Umwelt leben. Das hätte ich alles verschmerzen können, da ich mich ja in die Denkweise einer untergegangenen Zeit einlesen wollte, wenn der Roman wenigstens gleichbleibend sprachlich schön oder durchgängig dramaturgisch auf einer Höhe gewesen wäre, wenn nicht etliche Sequenzen wortreich eingeflochten, aber nach einiger Zeit einfach fallengelassen worden wären (was ist zum Beispiel aus dem durch die Nachbarkolchose geklauten Heu geworden?!), wenn die Figuren vor allem im zweiten Teil nicht so langweilig eindimensional gezeigt worden wären und wenn nicht alles von kaum erträglichem männlichem Chauvinismus durchdrungen gewesen wäre: Eine allgegenwärtige abwertende und strafende Verachtung langsamer, dicker, junger, religiöser (ja, über Religion wird ziemlich gehässig gesprochen!) und auf andere Weise „abweichender“ Menschen. Und Frauen sind sowieso eine Last, sind zu nah am Wasser gebaut, geschwätzig, leicht abzulenken, interessieren sich schnell für Tand und hindern ihre Männer an deren Entwicklung. Im Grunde haben sie eine regelmäßige Tracht Prügel verdient, diese Weiber. Aber ach, dann fällt den Männern der Verwaltung auf, dass die Frauen ruhig noch mehr arbeiten könnten – und schon wird ein riesiger Kindergarten gebaut. Na toll!
    Die gezeigten Bolschewiken kommen mir wie anstrengende Kinder vor, die mit ernster Miene versuchen, Erwachsensein zu spielen. Mit einem kindischen Ernst werden aufgestellte Regeln befolgt. Ständig wird das Verhalten anderer kommentiert oder sich in derben Scherzen darüber lustig gemacht, wie andere Menschen sind. Wenn der alte Brabbel-Opa bei einer Versammlung mit seiner lächerlichen Geschichte vom Hundertsten aufs Tausendste kommt, kichern die Sowjetmänner nur wie dumme Schuljungen, bevor sie böse werden. Und wenn sich einer der "Jungsclique" der Dorfoberen anmaßt, daran zu denken, in den Ehestand zu treten – weil die alte Mutter körperlich bald nicht mehr in der Lage ist, ihm den Haushalt zu führen –, dann sind die anderen augenblicklich brüskiert, als würde ein Spielkamerad einen Enthaltsamkeitsschwur brechen. Für mich sind das sehr seltsame und unfreundliche Sitten. Als müssten sich alle immerzu beweisen, sich auszeichnen und „der Beste sein“.
    Der Doppelroman ist also vor allem für sozialhistorisch und ideologisch interessierte Leser von einiger Bedeutung. Über weite Strecken ist „Ernte am Don“ auch unterhaltsam zu lesen, doch die dramaturgischen Holprigkeiten, die stellenweise doch sehr unangenehmen Ansichten, Lebensweisheiten auf dem Niveau von Glückskeksen und die jede Intelligenz der Leser beleidigenden Propaganda-Plattitüden ruinieren das anfänglich gute Gesamtbild für Leute, die sich vollständig durch den Ziegelstein durchgemüht haben. Keine anstrengende, tiefgründige Literatur wohlgemerkt, sondern eine quälend einfache. Aber da Literatur ja geradezu auch zum Erhalt und zur Bewahrung von Lebensgefühl, Zeitgeist, Alltag, alter Gebräuche und Rituale sowie der Aufschlüsselung gelebter Ideologien dienen muss, sei „Ernte am Don“ aller Einwände zum Trotz allen heutigen Lesern empfohlen, die auch einmal jenseits ihres eigenen Horizontes wildern wollen. Man muss nur vorgewarnt sein, was einen erwartet. Ich jedenfalls habe dann doch einige Male zu oft mit säuerlicher Mine die Augenbrauen hochgezogen (und bedauert, nicht Scholochows Hauptwerk "Der Stille Don" gelesen zu haben).
    Meine milde Enttäuschung drückt den Roman sogar aus dem Drei-Sterne-Bereich heraus: Nur zweieinhalb Sterne!
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