Der Pfandleiher

Buch von Edward Lewis Wallant, Barbara Schaden

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Der Pfandleiher

Sol Nazerman ist der Pfandleiher von Spanish Harlem. Sein Laden ist ein Umschlagplatz für verlorene Träume und verpfuschte Leben. Abends fährt er zurück nach Mount Vernon, wo er zusammen mit seiner Schwester, ihrem Mann und ihren Kindern lebt, die er mit den Erträgen seines Geschäfts unterstützt. Sol ist dem Holocaust entkommen - anders als seine Frau und Kinder. Er musste miterleben, wie sie im Konzentrationslager ermordet wurden. Emotional abgestumpft beobachtet er die Verzweiflung, die ihn umgibt, und führt seine Pfandleihe mit der Härte und Verschlossenheit eines Gangsters. Erst ein dramatischer Einbruch in die Gleichförmigkeit seiner Tage bricht seine Erstarrung auf und lässt ihn vielleicht einen ersten Schritt zurück ins Leben machen. Edward Lewis Wallants wichtigstes Buch ist eines der bewegendsten Werke der modernen Literatur.
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Bewertungen

Der Pfandleiher wurde insgesamt 6 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,5 Sternen.

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Meinungen

  • Wie soll man weiterleben als Holocaustüberlebender?

    Isabella1978

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Der Pfandleiher

    Inhalt
    Neuauflagen und Neuübersetzungen von Klassikern erobern gerade den Buchmarkt (Von "Stoner", über "Zwei Schwestern" bis zu "Was sie begehren"). Wallants Klassiker von 1961 wurde nun zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt.
    Sol Nazerman trägt seine Häftlingsnummer aus einem deutschen KZ sichtbar auf den Unterarm tätowiert. In Spanisch Harlem, wo er ein bescheidenes Pfandhaus betreibt, kann man nicht von jedem Kunden erwarten, dass er die Bedeutung dieser Ziffern kennt. Vielleicht ist das für Sol auch besser so. Seine Erlebnisse und der Verlust seiner Frau und seiner Kinder sind unaussprechbar, seine Alpträume vermutlich nur ein schwaches Abbild des Erlebten. Als Opfer medizinischer Versuche an Häftlingen wirkt der Mann so, als hätte man ihm die Knochen gebrochen und in falscher Reihenfolge wieder zusammengesetzt. Sol hat sich arrangiert mit Murillio, einem Mafioso, der das Pfandhaus als Scheinfirma zur Geldwäsche nutzt. Murillio gehören vermutlich alle Läden und Bordelle der Straße. Sols Kunden sind kleine Diebe, Schnorrer und Prostituierte, die bei ihren Freiern kleine Wertgegenstände mitgehen lassen und für ein oder zwei Dollar verpfänden. Sol verdient gut und finanziert auch den Lebensunterhalt seiner Schwester und deren Familie.
    Innerlich ist der Mann längst gestorben, möchte am liebsten in Ruhe gelassen werden mit den Schicksalen seiner Kunden und von den Ansprüchen seiner Verwandtschaft. Doch so einfach ist das nicht; denn eine Reihe von Personen erwartet noch etwas von Sol. Eigenartige Vorfälle könnten einen auf die Idee bringen, dass jemand von Sol Schutzgeld erpressen will und dass Murillio Testkäufer losschickt, um Sols Treue ihm gegenüber auf die Probe zu stellen. Jesus Ortiz, Sols Angestellter, träumt von einem eigenen Geschäft mit seinem Namen über der Tür und benötigt dazu Sols ausgezeichnete Fachkenntnisse. Das Geschäftsgeheimnis jüdischer Händler ist Ortiz noch immer ein Buch mit sieben Siegeln. Eine Frau tauscht bei Sol Sex gegen Geld, um sich und ihren Vater durchzubringen – und zu Hause interessiert sich Sol dann doch ein winziges Stück für seinen zeichnenden Neffen. In dieser zutiefst deprimierenden Situation taucht, rundlich und frisch wie ein gemangeltes Kleidungsstück, eine Miss Birchfield bei Sol auf. Sie will zunächst Unterstützung für ihr Jugendzentrum und entwickelt bald ein Interesse an Sol, das für den gebrochenen Mann nur wie eine weitere Last wirkt.
    Sols Schicksal legt sich wie eine staubige, erstickende Decke über den Leser, unter der dennoch atmosphärisch großartige Beschreibungen und stilistische Perlen hervorragen. Ein verblüffendes Ende kann schließlich die deprimierende Atmosphäre abschütteln. Stilistisch ist es eines der besten Bücher, das ich 2015 gelesen habe. Über 50 Jahre Warten auf die Übersetzung haben sich hier gelohnt.
    Zitat
    „Obwohl die Lampen brannten, war es schummrig im Laden. Draußen tauchte die Abendsonne die Straße in ein Goldbad, in dem sich die Passanten wie dunkle Schwimmer bewegten, ohne Hast und Zielstrebigkeit. Gemeinsam mit seinem Gehilfen atmete er den Staub der durch eine Vielzahl von Händen gegangenen Waren ein, die vorstellbaren Gerüche nach Schweiß und Stolz und Tränen; es war eine unbestimmte und doch übermächtige Atmosphäre, und sie bescherte ihnen eine Intimität, die sich keiner von beiden wünschte.
    „Dieser ganze Krempel“, sagte Ortiz sinnierend. „Und doch ist es ein Geschäft. Solide Sache, oh, wirklich solide Sache – ein eigenes Geschäft. Mit Akten und Büchern und Papieren, alles schwarz auf weiß fixiert. Euereins macht es richtig, wie ihr das immer hinkriegt, egal, was ist.“ (Seite 38/39)
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  • Rezension zu Der Pfandleiher

    Klappentext:
    Sol Nazerman ist der Pfandleiher von Spanish Harlem. Sein Laden ist ein Umschlagplatz für verlorene Träume und verpfuschte Leben. Abends fährt er zurück nach Mount Vernon, wo er zusammen mit seiner Schwester, ihrem Mann und ihren Kindern lebt, die er mit den Erträgen seines Geschäfts unterstützt.
    Sol ist dem Holocaust entkommen – anders als seine Frau und Kinder. Er musste miterleben, wie sie im Konzentrationslager ermordet wurden. Emotional abgestumpft beobachtet er die Verzweiflung, die ihn umgibt, und führt seine Pfandleihe mit der Härte und Verschlossenheit eines Gangsters. Erst ein dramatischer Einbruch in die Gleichförmigkeit seiner Tage löst seine Erstarrung und lässt ihn vielleicht einen ersten Schritt zurück ins Leben machen. Edward Lewis Wallants wichtigstes Buch ist eines der bewegendsten Werke der modernen Literatur.
    (von der Berlin-Verlagsseite kopiert)
    Zum Autor:
    Edward Lewis Wallant wurde 1926 in New Haven, Connecticut, geboren. Nach dem Kriegsdienst studierte er in New York Gestaltung und arbeitete in der Werbung. Mit »The Human Season« (1960) und »Der Pfandleiher« (1961) zählte er rasch zu den bedeutendsten Autoren seiner Generation - neben Philip Roth, Norman Mailer und Saul Bellow. Noch vor Veröffentlichung seines dritten Romans »Mr Moonbloom« verstarb er überraschend, mit nur 36 Jahren, an einem Gehirnschlag. (von der Berlin-Verlagsseite kopiert)
    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: The Pawnbroker
    Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Barbara Schaden
    Erstmals erschienen 1961 bei Harcourt Brace & World, New York
    Größtenteils erzählt aus der Perspektive des Protagonisten
    Rückblenden in Kursivschrift
    28 Kapitel auf 348 Seiten, Nachwort der Übersetzerin
    Persönliche Meinung:
    „Wie eine Litanei zwang er sich die Regeln des Lebens auf: Du lebst, du isst, du schläfst, du schützt dich.“ (S. 214) So scheint das Leben des Pfandleihers Sol Nazerman auszusehen. Bloß keine Gefühle tolerieren, nichts zulassen, was im Inneren gärt, nichts aussprechen, was erinnert!
    Er ist Überlebender des Holocaust, seine Frau und seine beiden Kinder wurden getötet. Aus seiner Zeit im KZ hat er furchtbare Erinnerungen nach Amerika mitgebracht, die ihn in seinen schlaflosen Nächten heimsuchen.
    Er lebt bei seiner Schwester und deren Familie, für die er den Goldesel spielt. Das weiß er, doch er kauft sich praktisch frei, finanziert die Ausbildung der Kinder, die medizinische Betreuung für den Schwager und die Wünsche seiner Schwester. Im Gegenzug lässt man ihn in Ruhe trotz halbherziger Versuche, ihn ins Familienleben zu integrieren. Ab und zu besucht er eine Frau, an die er emotional nicht gebunden ist und der er Geld hinterlässt, wenn er geht.
    Sein Pfandhaus, in einem Armenviertel mit überwiegend schwarzer Bevölkerung gelegen, läuft blendend, vor allem, weil eine Mafiaorganisation Sols Geschäft mit seinem Einverständnis zur Geldwäsche missbraucht. Sol ist ein harter Geschäftspartner, der sich auch gegenüber den elenden Gestalten, die ihren Hausrat und ihre letzten Habseligkeiten versetzen, zu keinerlei Mitleid oder Großzügigkeit hinreißen lässt.
    Sein Gehilfe Jesus Ortiz ist ein Junge aus dem Viertel. Obwohl Sol zugeneigt und begierig, von ihm zu lernen, plant er mit einer Gruppe anderer Jugendlicher offenbar etwas, das das Pfandhaus oder Sol bedroht.
    Ein über 300 Seiten langes Psychogramm eines Mannes, der nicht mehr leben will, nicht mehr leben kann und doch alles daran setzt zu überleben. Bis zur Hälfte des Buches nimmt man als Leser nur an Sols Alltag, an seinen wenigen Gewohnheiten und seinen schmerzlichen und oft konfusen Gedanken teil, die immer mehr auch seine körperliche Gesundheit beeinträchtigen.
    Dennoch zeigt er bisweilen einen Einsatz, der ihn herausfordert: Für sich selbst oder die Frau, mit der er schläft. Lässt auf der anderen Seite eine Frau, die sich für ihn interessiert und die ihm gefällt, übel abblitzen.
    Trotz der relativen Ereignislosigkeit der Handlung ist das Buch nicht langweilig; der Autor schwört den Leser auf seinen Protagonisten ein, lässt ihn dicht neben ihm gehen, die Gedanken mitdenken und eine scheinbare Lebensüberdrüssigkeit, hinter der sich tiefe Verzweiflung versteckt, mitfühlen.
    Die Träume in Sols Nächten: Vorfälle aus der Nazi-Zeit, Folter, Erniedrigung, Unmenschlichkeit. Das Verbrennen der Leichen. Die Angst, zwischen den Toten auf ein bekanntes Gesicht zu stoßen. Augenzeuge bei Gewalt gegen seine Frau. Auch wenn man schon ungezählte Zeugnisse der Opfer gelesen hat, sind die Schrecken wieder da, und mit Sol atmet man nach einer traumlosen Nacht auf.
    Es geht augenscheinlich immer mehr bergab mit ihm, mit seinen verzweifelten Gedanken, die ins Verwirrte abgleiten, und den körperlichen Symptomen.
    Im letzten Drittel streut der Autor Szenen ein, die von Treffen der jungen Männer mit Ortiz erzählen. Ohne dass explizit deren Pläne erklärt werden, spürt man eine Gefahr auf Sol zukommen. Die Perspektive verdichtet sich: Schlaglichtartig werden andere Figuren beleuchtet und ein kurzes Stück ihrer Zeit vor der Katastrophe.
    Anrührend das Ende.
    Übrigens: Wer über das Unwort „Neger“ stolpert, kann beim Nachwort der Übersetzerin seine Empörung beenden.
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Ausgaben von Der Pfandleiher

Hardcover

Seitenzahl: 352

E-Book

Seitenzahl: 291

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