Winterfeldtstraße, 2. Stock

Buch von Johanna Friedrich

Bewertungen

Winterfeldtstraße, 2. Stock wurde insgesamt 10 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,5 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Winterfeldtstraße, 2. Stock

    Die Fotografin Charlotte ist am Boden zerstört, als ihr Mann tot aus dem Landwehrkanal gefischt wird. Die Polizei tut Alberts Tod als einen von vielen Selbstmorden ab - wir schreiben des Jahr 1923, in Deutschland grassiert eine galoppierende Inflation, und viele Menschen wissen sich nicht mehr anderes zu helfen. Doch Charlotte ist überzeugt, dass Albert sich nie umgebracht hätte, vor allem nicht jetzt, da sie ihr erstes Kind erwarten.
    Weil alles Grübeln nichts nützt, das Leben irgendwie weitergehen und Geld hereinkommen muss, entschließt sich Charlotte sehr schweren Herzens, Zimmer ihrer großen Wohnung in der Winterfeldtstraße unterzuvermieten und lebt somit bald in einer bunt zusammengewürfelten Gemeinschaft aus zwei Kleinganoven (einer davon ihr eigener Bruder), einer schon etwas älteren Bardame und einem rätselhaften, schweigsamen Kommunisten, der ganz offensichtlich nicht alle Karten auf den Tisch legt. Man rauft sich irgendwie zusammen, versucht von Tag zu Tag sein Auskommen zu finden, was alles andere als leicht ist in solch ungewissen Zeiten, und Charlotte hegt trotz aller Schwierigkeiten insgeheim immer noch den großen Traum vom eigenen Fotostudio, auch wenn sie weiß, wie unrealistisch er ist.
    Ungewiss ist nicht nur die wirtschaftliche Lage in Deutschland, sondern auch die politische. An den linken und rechten Rändern des politischen Spektrums finden extreme Ansichten Zulauf, die ersten Schlägertrupps der SA treiben ihr Unwesen, Kundgebungen der NSDAP werden von Tausenden besucht.
    Johanna Friedrich nimmt sich mit der Weimarer Republik einer Zeitspanne an, die sonst oft wenig Beachtung erhält, und erzählt im perfekten Tonfall jener Zeit von einem Berlin, in dem hemmungslose Partystimmung und schiere Verzweiflung ganz nahe beieinanderliegen. Die wichtigsten Figuren neben Charlotte decken ein breites Spektrum an politischen Standpunkten ab, die dann in der Winterfeldtstraße aufeinanderprallen. Der Autorin gelingt es gut, das nicht zu konstruiert wirken zu lassen.
    Im letzten Viertel des Buches trägt sie allerdings das Drama doch manchmal etwas zu dick auf, wobei das Ende durchaus passend ist (auch wenn es einen mit dem Wissen um die weitere politische Entwicklung in Deutschland mit schwerem Herzen zurücklässt).
    Ein detailreicher und wirklichkeitsgetreuer Einblick in eine viel zu oft "übersehene" Zeit, der gerade heute unter dem Aspekt "Wehret den Anfängen" zu empfehlen ist.
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  • Rezension zu Winterfeldtstraße, 2. Stock

    Johanna Friedrich - Winterfeldtstraße, 2. Stock
    Berlin, Anfang der 20er Jahre: Obwohl die Zukunft nicht gerade rosig aussieht und das Geld immer knapper wird, freut sich Charlotte Berglas über ihre Schwangerschaft. Doch eines Tages wirft die Nachricht vom Tod ihres Ehemannes Albert sie völlig aus der Bahn. Die Polizei behauptet, dass er Selbstmord begangen hat, doch Charlotte glaubt nicht daran. Sie klammert sich an den Gedanken, dass es ein Unfall war. Denn Albert hätte sie ihn diesen ungewissen Zeiten niemals allein gelassen. Wie soll es nun weitergehen? Denn niemand gibt der schwangeren Witwe Arbeit und bald ist nichts mehr da, was sich noch in Bargeld umsetzen lässt. Da die Wohnung für Charlotte allein viel zu groß ist, beginnt sie Zimmer zu vermieten und so bildet sich eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft.
    Der Einstieg in diesen Roman gelingt mühelos, da die Autorin es hervorragend versteht, die damalige Zeit zum Leben zu erwecken. Man kann sich gut in die Handlung hineinversetzen, da man die agierenden Personen und die jeweiligen Handlungsorte beim Lesen sofort vor Augen hat. Man kann die ganz spezielle Atmosphäre förmlich zwischen den Zeilen spüren. Die Verzweiflung, dass das Geld am nächsten Tag womöglich gar nichts mehr wert ist, die hohe Arbeitslosigkeit und die Angst nicht genug zum Essen zu haben, kann man genauso gut nachvollziehen, wie den unbändigen Willen nicht aufzugeben und das Beste aus jedem Tag zu machen.
    Charlotte Berglas ist eine starke Persönlichkeit, die versucht nicht aufzugeben und auch die schwierigen Zeiten zu meistern. Der Tod ihres Mannes wirft sie dann allerdings aus der Bahn. Sie fällt in ein schwarzes Loch, aus dem sie ohne Hilfe nicht wieder herauskommen würde. Und so bringt ihr kleinkrimineller Bruder sie auf den Gedanken die Zimmer der großen Wohnung zu vermieten. Die Bewohner sind ganz unterschiedlich und jeder hat seine eigene Geschichte, die nun in diesen Roman einfließt. Langsam nähern sich die Bewohner einander an und verknüpfen ihre Schicksalsfäden untrennbar miteinander. Im Laufe der Zeit erleben sie Höhen und Tiefen miteinander.
    Die Handlung ist zwar recht interessant, doch am Anfang plätschert sie eher gemächlich vor sich hin. Obwohl die Protagonisten lebendig wirken und man den damaligen Zeitgeist regelrecht spüren kann, betrachtet man das Zusammenleben zunächst etwas distanziert. Das ändert sich zum Glück im weiteren Verlauf der Handlung. Denn dann wachsen einem die unterschiedlichen Charaktere ans Herz und man beobachtet gespannt, was das Schicksal wohl für sie vorgesehen hat.
    Insgesamt gesehen habe ich mich beim Lesen dieses Romans gut unterhalten. Nicht weniger - doch leider auch nicht mehr! Ich konnte den damaligen Zeitgeist, und die ganz besondere Atmosphäre beim Lesen zwar spüren, doch der richtige, zündende Funke ist dabei bei mir leider nicht übergesprungen. Auf meiner persönlichen Leseskala bekommt das Buch deshalb "nur" drei von fünf Bewertungssternen.
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  • Rezension zu Winterfeldtstraße, 2. Stock

    Worum geht's?
    Der plötzliche und mysteriöse Tod von Charlotte Berglas' Ehemann und das teure Leben im Berlin der 1920er zwingen sie dazu, eine Wohngemeinschaft zu gründen. Schon sehr bald muss sich Charlotte in ihrer Trauer um Albert ihr Zuhause mit vier Gesellen teilen, die alles andere als unkompliziert oder langweilig wären: ihr spielsüchtiger und geldfixierter Bruder Gustav, die lesbische und ältliche Claire, der impulsive "Lange" und Theo, dem Charlotte lange Zeit nicht ganz trauen mag, mischen nun ihr Leben auf. Ganz besonders die letzten beiden sorgen für Gefühlschaos ...
    Der erste Satz:
    Der Mittwoch, der alles verändern sollte, begann nicht ungewöhnlich, zumindest nicht für eine Zeit, in der man sich täglich mit unliebsamen Überraschungen konfrontiert sah.
    Meine Meinung:
    Eine Wohngemeinschaft, die für Spannung sorgt
    Charlottes Geschichte aus dem Berlin der 1920er erzählt von einer Menge Trauer um den unerklärlichen Tod des Ehemanns, dem Kampf ums Überleben in einer Zeit, in der ein Laib Brot so teuer wie ein Auto und eine Besserung dieses Zustands nicht in Sicht war, aber auch von den Problemen der damaligen Zeit, wenn man als Frau durchstarten wollte, um seine Träume zu verwirklichen (in Charlottes Fall war es der Wunsch, ein eigenes Fotostudio zu führen).
    Zwischen all diesen Schwierigkeiten lässt sich glücklicherweise aber auch die Hoffnung und die Liebe blicken. Für mich war es schön zu lesen, dass Charlotte in ihrer Situation nicht gänzlich vom Pech verfolgt worden ist, sondern auch Hilfe und Unterstützung von lieben Menschen erhalten hat, die ihr Mut gemacht haben, an ihren Zielen dranzubleiben, nicht aufzugeben und weiterhin an die Liebe zu glauben. Nicht zuletzt ihre kleine Tochter Alice schenkt ihr Lebenswillen, Kraft und Zuversicht.
    Vom Anfangsteil des Buches war ich noch recht überzeugt, dass die Geschichte wirklich interessant und fesselnd wird, im Mittelteil bin ich diesbezüglich dann aber schon zu Ernüchterung gelangt. Denn ich bin leider weder mit Charlotte, noch mit den anderen Hauptprotagonisten besonders warm geworden. Im Grunde sind mir die Charaktere im Laufe des Lesens zu oberflächlich beschrieben worden. Ich hätte mir ein wenig mehr Kenntnis von (authentischem) Innenleben gewünscht. Eben irgendwas, womit ich eine Bindung herstellen hätte können. - So ist das für mich alles nur an der Oberfläche herumgeplätschert.
    Hinzu kommt, dass das Buch zwar positiv endet (etwa 1928), aber einer der wichtigsten Protagonisten ist Jude und wir wissen ja alle, was mit jüdischen Personen im 2. Weltkrieg passiert ist, also dürfte Charlottes Zukunft schon sehr bald gar nicht mehr so rosig aussehen. - Und dieses Wissen hat mich auch irgendwie ... verstört!
    Beim Zusammenfassen des Inhalts habe ich gemerkt, dass die Story durchaus Potenzial gehabt hätte, die Umsetzung hätte ich persönlich aber definitiv in die Tiefe gehender, hauptsächlich die Charaktere betreffend, gestaltet. Was nicht heißen soll, dass ich diese Geschichte als schlecht empfunden habe, nein, nur eben als nichts besonders Besonderes.
    Dieses Buch dürfte vor allem für Leute, die sich für Fotografie, Politik und das harte Leben (der Frauen) in der Zwischenkriegszeit begeistern können, interessant sein. - Also sofern man mit einfacher Charakterskizzierung kein Problem hat und das Ende so nehmen kann, wie es ist, ohne die Zukunft der Protagonisten im Sinn zu haben.
    3 !
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Ausgaben von Winterfeldtstraße, 2. Stock

Hardcover

Seitenzahl: 416

Taschenbuch

Seitenzahl: 416

E-Book

Seitenzahl: 416

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