Ingenieur Andrees Luftfahrt

Buch von Per Olof Sundman

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Ingenieur Andrees Luftfahrt

    Der Autor (u.a. nach Wikipedia und Klappentext ): Per Olof Sundman (1922-1992) war ein schwedischer Schriftsteller und Politiker. Seine Schulzeit war so wenig zufriedenstellend, dass er die Schule ohne Realschulreife verließ. Er war Soldat und übte verschiedene Berufe aus, unter anderem Landwirt, Büroangestellter, Autoverkäufer und Kommunalpolitiker. Von 1949 bis 1963 führte er in Jormelien in Nordschweden eine kleine Fremdenpension. Zwischen 1969 und 1980 war er als Mitglied der bürgerlichen Zentrumspartei Abgeordneter im Reichstag. Danach lebte er als freier Schriftsteller in seinem Heimatort Vaxholm bei Stockholm. 1980 nahm er an der Forschungsfahrt des Eisbrechers Ymer in die Arktis teil, was zur Reportage „Ishav“ im Jahre 1982 führte. In seinen Romanen behandelt er das menschliche Verhalten in Grenzsituationen, oft beschreibt er Einzelgänger im nordeuropäischen Lebensraum. Er pflegte einen sachlichen, reportagehaften Schreibstil. Sein Roman „Ingenieur Andrées Luftfahrt“ wurde 1982 von Jan Troell verfilmt (dt. Der Flug des Adlers). 1995 wurde bekannt, dass er in seiner Jugend aktives Mitglied in der nazistischen Organisation „Nordisk Ungdom“ gewesen ist, was zu einem starken Rückgang des Absatzes seiner Bücher führte.
    Werke (Auswahl): Jägarna (1957), Undersökningen/Die Untersuchung (1958/dt. 1971), Skytten (1960), Expeditionen/Die Expedition (1962/dt. 1965), Två dagar, två nätter/Zwei Tage, zwei Nächte (1965/dt. 1967), Ingenjör Andrées luftfärd/Ingenieur Andrées Luftfahrt (1967/dt. 1969), Berättelsen om Såm/Bericht über Sámur (1977/dt. 1977).
    Inhalt (Klappentext): Am Sonntag, dem 11. Juli 1897, erhebt sich von der Insel Spitzbergen der Forschungsballon „Adler“, mit dessen Hilfe Salomon August Andrée, Knut Frænkel und Nils Strindberg den Pol zu erreichen hoffen. Das Unternehmen scheitert schon nach wenigen Tagen. 33 Jahre später, am 6. August 1930, entdecken Geologen auf der Insel Kvitøya das letzte Lager der Ballonfahrer und die Tagebücher. Auf diese Weise erfuhr die Weltöffentlichkeit genaue Einzelheiten über den Untergang der Aeonauten. Sundmans Roman erzählt das Abenteuer aus der Perspektive von Frænkel (der keine Tagebücher hinterließ). Er stellt die Frage, was Männer treibt, „das Undurchführbare durchzuführen“, er stellt die Frage nach dem Wesen des Heldentums.
    Der Roman ist in knapp beschreibender, präziser Sprache geschrieben. Gleiche Sachverhalte werden gerne auch in gleichen Worten, synonymlos wiedergeben. Wenn es Hauptfigur Frænkel, aus dessen Sicht die Vorgänge geschildert werden, aus aktuellem Anlass mal wieder ärgert, dass sie unbrauchbare Skischuhe anstelle von Skiern mitgenommen haben, dann sagt er es auch erneut in den gleichen Worten, selbst wenn es seine Mitreisenden (und der Leser) schon viele Male gehört haben. Die Beschreibung von der Landschaft und dem Klima erscheint außerdem wichtiger als psychologische Charakterstudien: Auf psychologische Beweggründe der Figuren wird kaum Bezug genommen, wenn die unterschiedliche Ansichten der drei Expeditionsteilnehmer aufeinandertreffen. Manche Handlungsweisen und Absichten erscheinen daher „rätselhaft“, genauso unklar, wie menschliches Verhalten eben oft ist. Dennoch geht es im Grunde um die Beweggründe: Was bringt Menschen dazu, etwas unerhört Neues zu versuchen? Und vor allem: Wie sieht der zweite Schritt im Ungewissen aus, wenn der erste schon getan ist!
    Der knappe Reportagestil sorgt für ein recht hohes Tempo, vor allem, nachdem die recht ausführlichen Vorbereitungen der Expedition, Exkurse über die Herstellung und Lenkung von Gasballonen, abgeschlossen sind. Es geht um Männer, die (neben einiger Kritik auch) viel Vorschusslorbeeren erhalten für ihr wagemutiges Vorhaben: Im Vorfeld mehrt sich ihr Ruhm derart, als hätten sie bereits etwas geleistet, nicht, als würden sie erst etwas leisten müssen. Dabei stehen die Zeichen für ihr Vorhaben wirklich nicht gut: Wie später erst herauskommt, verfügte selbst Expeditionsleiter Andrée nur über eine aeronautische Erfahrung von neun Ballonfahrten. Im Stillen geht er davon aus, dass Pioniere nicht immer zum Ziel gelangen (müssen). Diese Ehre gebührt meist erst den Nachbereitern, die sich auf das Wissen (und das Scheitern) der wagemutigen Ersten stützen können.
    Nach einiger Zeit im Heißluftballon, der bald seine Steuerungsmöglichkeit einbüßt, müssen sich die drei Schweden, die anstatt zum Nordpol nur bis zum 82. Breitengrad kamen (der Norweger Fridtjof Nansen kam zwei Jahre zuvor immerhin bis zum 86. Breitengrad) mit Schlitten und einem Boot zu Fuß auf den Weg machen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt kommt der Aspekt zum Tragen, der den Roman, neben den spannenden Vorgängen (übrigens: Je weniger man zuvor über die Expedition weiß, umso besser!) für mich so interessant, erhellend und mit Genuss zu lesen machte: Es geht im Grunde um die Schwierigkeit, Entscheidungen zu fällen. In vergleichbaren Romansituationen verlässt sich der Autor allzu oft auf den strengen, aber gerechten Anführer, der in seiner „angeborenen“ Klugheit weise Entscheidungen zu fällen in der Lage ist. Erst die klimatischen Umstände oder die kleingeistige, träge Besatzung macht seinen Entscheidungen einen Strich durch die Rechnung. Eine Klischeesituation, die man hier vergeblich sich.
    In „Ingenieur Andrées Luftfahrt“ ist gerade der Expeditionsleiter Andrée im Zweifel, was das Richtige zu tun ist. Woher soll er, der Ingenieur und Angestellte im Patentamt, der in seinem Leben immer auf eine ausreichende Beweisgrundlage vertraut, auch wissen, welches der beste gangbare Weg ist? Sollen die Expeditionsteilnehmer auf ihrer Scholle sitzenbleiben, sich treiben lassen und auf die Unwägbarkeiten der Eisdrift verlassen, um nach Hause zu kommen? Oder soll man sich zu Fuß in Richtung Franz-Josef-Land und Kap Flora aufmachen, der, wenn man schon nicht den Nordpol erreicht, interessantere Weg? Oder nicht doch in die ganz andere Richtung zu den Sjuöarne und Spitzbergen, wozu der gesunde Menschenverstand räte? Zeigt es im Grunde nicht schon mangelnden gesunden Menschenverstand, dass sie sich überhaupt so weit (und so ungenügend ausgerüstet) im menschenfeindlichen Norden aufhalten? Sollen sie Proviant zurücklassen, damit ihre Schlitten leichter werden? Im Notfall kommen sie so zwar schneller voran, sind allerdings auch darauf angewiesen, Eisbären oder Robben zu erlegen. Soll der mitgeführte Proviant eher eiweiß- oder kohlenhydrathaltig sein? Fleisch oder Brot zurücklassen? Doch was ist, wenn keine Eisbären zu jagen sind? Alles Fragen, auf die es kaum "richtige Antworten" gibt. Dass all diese Entscheidungen im Eismeer, in dieser schlecht erschlossenen, weißen, kalten, nebligen Gegend ohne festen Boden (eine Welt, einerseits so klein und dimensionslos, da es kaum Wegmarken gibt, um Entfernungen festzustellen, andererseits von so unendlicher, immer gleicher Ausdehnung) - und während des arktischen Sommers ohne nennenswerte Tag-Nacht-Wechsel – von Nöten sind, erhöht die Schwierigkeit, sich festzulegen, ungemein – und macht den Aspekt der Unentschlossenheit, vielleicht auch des "falschen Stolzes" für die Erzählung so wichtig. Einerseits wagemutig sein, den ersten Schritt wagen (für die Wissenschaft? Für den Ruhm Schwedens?) und doch auch zögerlich und hasenfüßig! Ein interessanter und ehrlicher Ansatz für diesen spannenden, klischeefreien, in stilvoller Sprache geschriebenen Bericht der gescheiterten Polarexpedition von 1897.
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Ausgaben von Ingenieur Andrees Luftfahrt

Taschenbuch

Seitenzahl: 418

Besitzer des Buches 1

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