Kindeswohl

Buch von Ian McEwan, Werner Schmitz

  • Kurzmeinung

    towonder
    In dem Einworttitel steckt so viel über das Buch drin. Und es schwingt noch nach!

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Kindeswohl

Scheidungen, Sorgerecht, Fragen des Kindeswohls – das ist das Spezialgebiet der Richterin Fiona Maye. In ihrer eigenen, kinderlosen Ehe ist sie seit über dreißig Jahren glücklich. Bis zu dem Tag, als ihr Mann ihr einen schockierenden Vorschlag unterbreitet und ihr ein dringlicher Gerichtsfall vorgelegt wird, in dem es für einen 17-jährigen Jungen um Leben und Tod geht.
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Über Ian McEwan

Der britische Schriftsteller Ian McEwan wurde 1948 in Aldershot in England geboren und wuchs durch die Umzüge seiner Familie unter anderem in Libyen und Singapur auf. Mehr zu Ian McEwan

Bewertungen

Kindeswohl wurde insgesamt 47 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,3 Sternen.

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Meinungen

  • In dem Einworttitel steckt so viel über das Buch drin. Und es schwingt noch nach!

    towonder

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Kindeswohl

    Richterin Fiona Maye steht an einem Tiefpunkt ihres Lebens - sie hat gerade herausgefunden, dass ihr Mann Jack, mit dem sie jahrzehntelang eine glückliche und erfüllte Ehe geführt hat, plötzlich fremdgeht und weiß gar nicht, ob sie verärgert, gekränkt oder enttäuscht ist oder alles auf einmal.
    Dabei hatte es gar nichts mit ihrer Beziehung zu tun, dass sie in den letzten Wochen so in sich gekehrt und Zärtlichkeiten eher abgeneigt war, vielmehr war es ein besonders belastender und große Medienaufmerksamkeit erregender Fall, den sie am Familiengericht zu verhandeln hatte, der sie auch außerhalb der Arbeit nicht mehr losgelassen hat. Und nun landet die nächste harte Nuss auf ihrem Tisch: ein Siebzehnjähriger mit einer Krebserkrankung verweigert aus religiösen Gründen die Bluttransfusionen, die seine einzige Chance aufs Überleben darstellen, nachdem alle anderen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind.
    Fiona ist hin- und hergerissen, wie der Fall zu beurteilen ist. Handelt es sich um Gehirnwäsche durch die Sekte, der Adams Familie angehört, oder ist er, der nur wenige Monate von der Volljährigkeit entfernt ist, sich der ganzen Tragweite seiner Entscheidung wirklich bewusst? Da Adam zu krank ist, um persönlich vor Gericht zu erscheinen, beschließt Fiona, ihn unüblicherweise im Krankenhaus zu besuchen, und setzt damit eine Kette von Ereignissen in Bewegung, die sie selbst nicht erwartet hätte.
    Nach dem in meinen Augen eher schwachen "Honig" läuft McEwan hier endlich wieder zu alter Form auf und bringt auf relativ wenigen Seiten (im Original nur gut 200) eine gleichermaßen mitreißende wie äußerst nachdenklich machende Geschichte über sehr lebensecht gezeichnete Charaktere in Ausnahmesituationen zu Papier, die sich so spannend liest wie ein Justizthriller, mit zwischenmenschlicher Dramatik berührt und überrascht und ohne zu werten moralisch-ethische Fragen aufwirft, über die man stundenlang diskutieren könnte. Da ist kein Wort zu viel und keines zu wenig und die Fäden sind am Ende sauber verknüpft, auch wenn lang nicht alle Fragen beantwortet werden.
    Hochinteressant fand ich neben der Haupthandlung auch die Einblicke in Fionas Arbeitsalltag in den altehrwürdigen Hallen des Londoner Gerichts, und ich mochte die große Rolle, die die Musik als Gegengewicht zur faktenbasierten Welt der Jusitz einnimmt. Gelungen dargestellt ist auch die intellektuelle und vielleicht sogar ein wenig elitäre Lebenswirklichkeit von Fiona und Jack, die oft einen starken Kontrast zu den Lebenumständen der Menschen bildet, deren Schicksale Fiona von ihrer Richterbank aus verhandelt.
    Dies ist eines der Bücher, die einen noch lange nach dem Lesen nicht loslassen und trotz geringen Umfangs sehr viel vermitteln können. Es darf sich getrost in die Reihe meiner Lieblinge von McEwan einreihen.
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  • Rezension zu Kindeswohl

    Inzwischen habe ich dieses faszinierende Buch beendet und will noch einiges aus meiner Lesewarte zufügen :
    Klappentext und verschiedene Kommentare ordnen die beiden Handlungsfäden (hier : persönliche Situation der Richterin in den Spannungen ihrer Ehe ; dort: ihr Tun als Richterin vor Gericht) quasi parallel auf. Dann wäre es angebracht sich zu fragen, inwieweit hier Persönliches das Professionelle stört, bzw dort abfärbt, und umgekehrt, inwieweit ihr Beruf ihr zurzeit die Ehe erschwert…, und eben mehr oder weniger allein das.
    Meines Erachtens ist es aber gerade ein viel feineres, und engeres Beziehungsgeflecht zwischen diesen beiden Ebenen, das hier gerade in den ersten Kapiteln aufgezeigt wird. Dazu einige Bemerkungen :
    Es geht eingangs mE nicht allein um Darstellungen gewisser verschiedener Gerichtsfälle, die « nur » andere jeweils richten oder von außen vorstellen und uns als ethische Kniffelrätsel gefallen könnten und zu Diskussionen einladen.
    Zeitgleich mit dem Vorstellen jener Fallbeispiele, dh dem Anzeigen von Verweigerung innerhalb gewisser traditioneller Auffassungen und eines Glaubens an ein gewisses darüberstehende Gut und Wohlsein, wird Fiona dargestellt, wie sie – sicher in einem ganz anderen Rahmen und eventuell auch nicht aus gleichen Beweggründen – doch zu einer kategorischen, nahezu unnachvollziehbaren Weigerung kommt, die ein anderes Gut aufs Spiel setzt. Und sie droht hier – ebenfalls parallel – mit einer Form von Ausschluß, Hinauswurf : das Spiel geht so weit, dass das « Rein » und « Raus » in den Lebensgemeinschaftsort ohne legale Gründung einfach ausgetauscht wird (sprich : das Schloß gewechselt wird)! Wow !
    Damit finden Benehmen des Ausschlußes und eines gewissen Dogmatismus' in der Logik des Autors auch über traditionell religiöse Kreise einen Nährboden ! Damit steht jene, die richten wird über andere trotz ihrer Großzügigkeit und gewollten Bereitschaft, alle Komponenten zu verstehen, letztlich selber in einer Logik, die gefangen ist. Und ist es also tatsächlich der Fall, dass sie den Standpunkt des anderen einnehmen kann (sein Wohlsein im Auge hat), wenn sie es aus ihrer Sicht betrachtet und nicht bereit sein wird, die Lücke zu füllen, die sich auftut?
    Ich finde es sehr beruhigend, dass McEwan es meines Erachtens dem Leser nicht zu einfach macht, indem er mal schnell zB so genannte « Opfer von (religiösen) Überzeugungen » klar ausmacht und dann mit hocherhobenem Zeigefinger auf einen Glauben zeigt. All das ist viel feiner. Es geht um Bezug, Sicherheit, Überzeugung, Inhalt, Sinn. Kann ich von außen mich als Richter erheben und erklären, dass dies und jenes keine Relevanz hat ? Teils ist sich Fiona dessen bewußt. Doch wer wird die Freiräume füllen, die eine anscheinende Befreiung von « überkommenen Traditionen und Werten » schafft ? Freiraum oder… Abgrund ?
    Von einem Satz abschließender Art (gegen Ende) abgesehen konnte ich bei diesem faszinierenden Roman immer wieder nur erstaunt den Kopf nicken, wie fein McEwan hier analysiert und darstellt. Ein tolles Buch ! Da gibt's von mir fünf Sterne !
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  • Rezension zu Kindeswohl

    Darf man über Leben und Tod entscheiden? Gegen den ausdrücklichen Wunsch des Patienten? Fiona Maye, gerade in einem Strudel der eigenen Gefühle gefangen, gerät in die prekäre Lage über das Leben eines fast volljährige Jungen zu entscheiden zu müssen. Adam ist bereit zu sterben, aber ist er sich den Folgen der Entscheidung überhaupt vollkommen bewusst?
    Meine Meinung
    "Kindeswohl" ist mein erstes Buch von McEwan. Und nach dieser faszinierenden Lektüre, wird es wohl nicht mein letztes gewesen sein. Für mich war es eine ganz neue Erfahrung ein Buch zu lesen, dass aus so wenigen Dialogen besteht. Wenn ich es in ein Verhältnis setzten müsste, würde ich sagen das Buch bestand 1/4 aus Dialog, während der restliche Teil die inneren Konflikte von Protagonistin Fiona darstellte. Oft ware nnebensächliche Unterhaltungen auch in kurzer Nacherzählung zusammengefasst. Bloß die zentralen, für die Handlung absolut wichtigen Dialoge, waren ausgeschrieben. Das war für mich sehr ungewohnt, aber doch sehr angenehm zu lesen. Meist habe ich die Erfahrung gemacht, dass wenn ein Buch zu wenig Dialog hat, ich dann die eine oder andere Seite zwischen den Dialogen auch mal bloß überflogen habe. In diesem Fall war ich Seite für Seite am Ball.
    Das Buch behandelt eine Thematik, die oft noch Tabuthema darstellt. Darf sich jemand in die medizinischen Entscheidungen eines anderen Menschen einmischen? Adam ist fast volljährig. Drei Monate trennen ihn davon seine eigenen Entscheidung treffen zu dürfen. Und Fiona muss eine Lösung finden, die nicht nur ihn sondern auch seine religiöse Welt beeinflussen wird.
    Ich hab mich selber zuvor noch nie mit den Ansichten der Zeugen Jehovas beschäftigt. Ihre Einstellung zum Thema Bluttransfusion fand ich daher sehr befremdlich. Es war interessant zu sehen, wie Adam an seiner Meinung festhielt und dafür kämpfte. Das erste Zusamentreffen von Fiona und Adam im Krankenhaus war eine Schlüsselszene, die man nicht loswurde. Wie kann ein so intelligenter, aufgeweckter, junger Mensch so entschlossen sein zu sterben?
    Die Szene hat nicht nur mich, sondern auch Fiona aufgewühlt, die ja ohnehin mit ihrem Hals ganz tief in der Tinte ihrer Gefühlswelt steckt. Wie geht man damit um, wenn einen der eigene Mann um die Erlaubnis für eine Affäre bittet? Für eine Richterin am Familiengericht, die jeden Tag über Scheidung und Sorgerechtsstreitereien urteilen soll doch eine ungewohnte Situation, mit der sie überhaupt nicht zurecht kommt.
    Das Ende
    Ein knapp 200 Seiten dickes Buch in Anfang, Mitte, Schluss zu unterteilen, so wie man Lektüren und Aufsätze früher in der Schule auseinandergenommen hat, scheint hier nicht wirklich nötig. Denn zu Beginn steht man bereits mitten in der Geschichte und diese nimmt einfach ein viel zu plötzliches und unerwartetes Ende. Es gab Szenen im
    Buch, mit denen hatte ich fast gerechnet. Die letzten 30 Seiten hingegen kamen für mich sehr unerwartet. Als ich das Buch zuklappte klappte mir erst einmal der Mund auf und ich saß eine Weile bloß so da. Ich war geschockt. Weiter möchte ich das gar nicht kommentieren, um nicht zu viel vorweg zu nehmen. Es bleibt mir bloß zu sagen, dass diese kurze Lektüre immer wieder zum Nachdenken anregen wird und man noch lange nicht davon los kommt.
    Fazit
    Dieses kleine Buch hat doch einen stolzen Preis, ist aber auf jeden Fall jede Seite wert! Wer gerne mal einen kleinen kulturellen Austausch lesen und sich über Gott und die Welt Gedanken machen möchte, macht hier überhaupt nichts verkehrt. Für mich war es ein großes Leseerlebnis!
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  • Rezension zu Kindeswohl

    Ich habe dieses Buch aufgrund der interessanten Rezi von @Marie in der Bücherei vorbestellt und innerhalb von zwei Tagen verschlungen. Für mich war es erst das zweite Buch von diesem Autor (nach "Am Strand").
    Nach meinem Gefühl ist die Handlung dieses Romans total aus dem Leben gegriffen, sowohl die Probleme im Privatleben der Protagonistin als auch die beruflichen Fragestellungen, mit denen sie sich befassen muss, sind sehr realitätsgetreu und "zeitgenössisch". Es hat mir gut gefallen, dass außer dem Fall des gerade noch minderjährigen Leukämiekranken, der aus religiösen Gründen eine Bluttransfusion ablehnt, auch noch andere Fälle und die damit verbundenen Anforderungen an die Familienrichterin genannt werden, wie z.B. der Fall der siamesischen Zwillinge, bei denen einer auf Kosten des anderen gerettet werden könnte (Alternative: Tod beider Kinder) und auch der Fall des jüdischen Ehepaares, das sich über die Erziehung der Töchter uneins ist. Äußerst interessant und für Diskussionsrunden zu ethischen Problemen einladend! Gerade Leser, die selbst Kinder haben, bleiben von diesen Fällen wohl kaum unberührt...
    Auch bei der Eheproblematik lassen sich beide Standpunkte nachvollziehen, jeder ist auf seine Weise ebenso im Recht wie im Unrecht.
    "Kindeswohl" hat mich sehr beeindruckt und ich denke, dass ich nach weiteren Romanen des Autors in der Bücherei Ausschau halten werde.
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  • Rezension zu Kindeswohl

    Klappentext:
    Fiona Maye ist eine angesehene Richterin am High Court in London, bekannt für ihre Gewissenhaftigkeit. Mit ihrem Mann Jack, einem Geschichtsprofessor, ist sie seit mehr als dreißig Jahren verheiratet – harmonisch, wenn auch in letzter Zeit vielleicht ein wenig distanziert. So fällt Fiona aus allen Wolken, als er ihr eröffnet, dass er ihren Segen für eine außereheliche Affäre will.
    Genau in diesem Moment wird ihr ein eiliger Fall vorgelegt: Ein 17-jähriger Junge, der an Leukämie leidet, benötigt dringend eine Bluttransfusion. Aber seine Familie – Zeugen Jehovas – lehnt das aus religiösen Gründen ab. Genauso wie er selbst. Doch ohne Transfusion wird er qualvoll sterben. Fiona bleiben für ihr Urteil weniger als 24 Stunden. Kann sie jetzt, inmitten ihres emotionalen Tumults, ihre kühle Professionalität bewahren? (von der Verlagsseite kopiert)
    Zum Autor:
    Ian McEwan, geboren 1948 in Aldershot (Hampshire), lebt bei London. 1998 erhielt er für ›Amsterdam‹ den Booker-Preis und 1999 den Shakespeare-Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung für das Gesamtwerk. Sein Roman ›Abbitte‹ wurde zum Weltbestseller und mit Keira Knightley verfilmt. Er ist Mitglied der Royal Society of Literature, der Royal Society of Arts und der American Academy of Arts and Sciences. (von der Verlagsseite kopiert)
    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: The Children Act
    Erstmals erschienen 2014 bei Jonathan Cape Ltd. London
    Aus dem Englischen übersetzt von Werner Schmitz
    Konsequent aus der personalen Perspektive der Richterin erzählt
    5 Kapitel, Dank
    223 Seiten
    Eigene Meinung / Bewertung:
    Nach dem süffisant-ironischen „Honig“ wechselt McEwan mit diesem Buch nun wieder auf die andere Seite, die alltäglich-realistische.
    Fiona ist eine gut situierte 59-jährige Frau, kinderlos verheiratet, als Richterin täglich konfrontiert mit familien- und sozialrechtlichen Prozessen, in denen sie Urteile fällen muss, die nicht nur mit dem englischen Recht konform gehen, sondern auch ihr Gewissen fordern. Oft muss sie zwischen Pest und Cholera entscheiden, kann in den meisten Fällen nicht allen Parteien gerecht werden und muss dennoch Tag für Tag in die Zukunft von Kindern, Eltern und Behörden eingreifen. Sie macht es sich nicht leicht, braucht Zeit zum Studieren alter Gerichtsurteile und zum Nachdenken; darunter leidet ihre eigentlich zufriedene Ehe, so dass ihr Mann sich außerhalb vergnügen möchte – aber nicht ohne ihr Einverständnis. Das gibt sie ihm nicht.
    Mitten in ihrer verzweifelten und verwirrenden privaten Situation hat sie ein Urteil zu fällen, das schon in ruhigen Zeiten mehr als schwierig wäre. Es geht nicht darum, dass sie eine Behandlung auf der Basis des gesunden Menschenverstandes, die lebensnotwenige Bluttransfusion, anordnet, sondern um die Frage, ob der 17-jährige Adam nach Erwachsenenrecht zu beurteilen ist – also keine medizinische Behandlung gegen seinen Willen – oder ob andere über ihn zu bestimmen haben. Fiona begibt sich ins Krankenhaus, um den jungen Mann persönlich kennenzulernen und seine Urteilsfähigkeit zu bewerten.
    Dass ihr Besuch solch umfassende Konsequenzen nicht nur für Adam und seine Familie, sondern auch für sie selbst haben könnte, konnte sie nicht einberechnen. Oder hat es provoziert ohne an Folgen zu denken.
    McEwan breitet eine ganze Palette Anliegen aus, die auf den Gewissensentscheid zielen, und den Leser herausfordern: Was ist höher zu bewerten, die Freiheit (auch auf den eigenen Tod) oder das aufgezwungene Leben? Wie weit darf religiöser Glaube gehen und wo sind seine Grenzen? Wann beginnt Verantwortung und wann endet sie?
    Der Autor stellt gesellschaftlich relevante Fragen ohne in das Minenfeld aktueller politischer Auseinandersetzungen zu treten.
    Gleichzeitig bleibt er dicht bei Fiona Maye, geht mit seiner Protagonistin emotional ins Detail. In ihrer Arbeit, in ihrer Person verkörpert sich das Spannungsfeld der Verantwortung. Einerseits für ihre Ehe: Wo ist ihr Anteil am Scheitern? Andererseits für Adam, den sie nicht nur vor seiner Religion, sondern auch vor sich selbst retten soll. Wenn aber sie es ist, die sein Überleben in die Hand nimmt, wie reagiert sie, wenn er den bisherigen Halt verliert und nach dem einzig neu Vertrauten, nach ihr greift?
    Mit jedem Roman begibt McEwan sich auf ein neues Feld. Medizin, Physik, Spionage, u.a. hat er schon beackert, diesmal ist das Recht an der Reihe. Immer ist er gut gerüstet, hat recherchiert und bedankt sich bei Fachleuten.
    „Kindeswohl“ gehört zu McEwans besten Romanen.
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Rezensionen zum Hörbuch

  • Rezension zu Kindeswohl

    Das Warten auf jedes neue Buch des englischen Schriftstellers Ian McEwan lohnt sich. In großer Regelmäßigkeit legt er handwerklich perfekte Romane vor, deren Zauber und sachlicher Präzision man sich nicht entziehen kann. Er schreibt in einer verständlichen Sprache, er analysiert kühl sowohl gesellschaftliche Verhältnisse wie menschliche Beziehungen und Seelen. Wer das große sprachliche, gar poetische Kunstwerk sucht bei Romanen, wird bei den Büchern von Ian McEwan mehr oder weniger enttäuscht werden.
    So ist es auch bei seinem neuen Roman „Kindeswohl“, dessen eröffnende Sätze sehr typisch sind für McEwans ganzen Stil: „London. Sonntagabend, Eine Woche nach dem Ende der Gerichtsferien. Nasskaltes Juniwetter. Fiona Maye, Richterin am High Court, lag zu Hause auf der Chaiselongue und starrte über ihre bestrumpften Füße hinweg quer durch den Raum.“ McEwan geht sofort mitten hinein in die Szene und das Leben seiner Hauptpersonen. Fiona, 59 Jahre alt, hat soeben einen schrecklichen Streit hinter sich gebracht mit ihrem Mann, einem 60-jährigen Professor für Alte Geschichte, der ihr ganz locker gesagt hat, er wolle eine Affäre mit einer wesentlich jüngeren Frau beginnen. Das sei sein Recht, er wolle noch einmal richtig Sex, an dem sie ja wohl kein Interesse mehr habe. Fiona wirft ihren Mann aus dem Haus und ergeht sich in Überlegungen über den körperlichen Verfall im Alter. Doch für weiteres Selbstmitleid fehlt ihr die Zeit, es stehen wichtige Entscheidungen an bei Gericht.
    Da ist der 17- jährige Sohn von zwei Zeugen Jehovas. Damit sein Leben gerettet werden kann, braucht er dringend Bluttransfusionen. Das lehnen aber sowohl seine Eltern, als auch der Junge selbst heftig ab mit Verweis auf ihre Religion. Die Klinikverwaltung will per Gerichtsentscheidung erzwingen, dass Fiona dieses Recht auf körperlicher Selbstbestimmung aufhebt. Wie schon 2005 in „Saturday“ (damals ging es Gehirnchirurgie) von McEwan bis ins Kleinste recherchiert, wird der Leser staunender Zuschauer einer Verhandlung, einem juristischen Konflikt um Leben und Tod.
    Die Zeit drängt, doch bevor Fiona eine Entscheidung fällt, nimmt sie ihr Recht wahr, und besucht den kranken Adam in der Klinik. Als sie, aus ihrer professionellen Rolle fallend, den Jungen singend begleitet, als der ein von Benjamin Britten vertontes Gedicht von Yeats auf seiner Geige spielt, passiert in der Beziehung der beiden etwas Entscheidendes, das den weiteren Verlauf der Handlung des Buches wesentlich beeinflussen wird. Neben dieser sich langsam aufbauenden Dramatik beschreibt McEwan immer wieder andere Gerichtsfälle, wo es um das „Kindeswohl“ geht.
    So interessant das auch ist, es lenkt ein wenig ab vom dem eigentlichen Thema: wie Fiona Maye die Begegnung mit dem jungen Adam erlebt und bewältigt. Doch bei aller Kritik im Detail: Ian McEwan hat wieder einen großen Roman geschrieben und zeigt sich als Könner und Meister seines Faches.
    Das hier eingespielte Hörbuch gelesen und eine nun gekürzten Fassung von den Schauspielerin Eva Mattes lässt insbesondere die Hauptfigur Fiona Maye zur Geltung kommen und betont die kühle und analytische Sprache McEwans gut.
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Ausgaben von Kindeswohl

Taschenbuch

Seitenzahl: 224

Hardcover

Seitenzahl: 224

E-Book

Seitenzahl: 225

Hörbuch

Laufzeit: 00:06:17h

Kindeswohl in anderen Sprachen

Besitzer des Buches 78

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