Orfeo

Buch von Richard Powers

Bewertungen

Orfeo wurde insgesamt 3 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,5 Sternen.

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Meinungen

  • Eine sehr anspruchsvolle Lektüre - für hartgesottene Musik- bzw. Literaturfans

    FrankWe

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Orfeo

    Manchmal ist man von einem oder zwei Büchern eines Autors zu begeistert, dass man unbedingt alles lesen möchte, was dieser Mensch jemals veröffentlicht hat.
    So ging es mir zuletzt mit Richard POWERS – und deshalb komme ich in die Verlegenheit, den Roman „Orfeo“ hier zu besprechen.
    POWERS hat es sich zu einem Markenzeichen gemacht, für seine Romane mit einer ungeheuren Energie und Intensität in Lebens- bzw. Themenbereiche einzutauchen. Das Ergebnis sind dann Erzählungen, die eine Oberflächenbetrachtung weit hinter sich lassen und immer wieder tiefe Einblicke in die jeweilige Materie ermöglichen. Dabei überschreitet er sicher hin und wieder die Grenzen auch interessierter Leser/innen.
    Der Roman „Orfeo“ hat bei mir solche Grenzen von Neugier und Geduld eindeutig durchbrochen.
    POWERS schreibt einen Roman über einen von (avantgardistischer) Musik besessenen Menschen, der sein gesamtes bürgerliches Leben dem Streben nach der „perfekten“ Musik opfert.
    Der Autor stellt sich unerschütterlich der – sicherlich riesigen – Herausforderung, diese lebenslange Sehnsucht nach den absoluten Klangerfahrungen in geschriebene Sprache zu übersetzen. Denn es wird tatsächlich auf vielen, vielen Seiten über (fantasierte, geplante, erinnerte) Musik geschrieben. Und da es sich nicht um etablierte, gängige oder gefällige Musik handelt, sondern um verschiedene Aspekte experimenteller klanglicher Ausdrucksformen, ist auch die sprachliche Umsetzung umso schwieriger (besser gesagt: eigentlich unvorstellbar).
    POWERS erzählt also eine Geschichte und lotet parallel aus, wie weit das Medium der Sprache die Welt der Musik einfangen und ausdrücken kann.
    Die Geschichte handelt von einem Mann, der letztlich an seiner Besessenheit scheitert. Auf diesem Weg begleiten ihn vor allem zwei bedeutsame Beziehungspartnerinnen, eine Tochter und ein Freund (der ebenfalls dem musikalischen „Wahn“ verfallen ist). Er trägt zwei berufliche Identitäten in sich (Musiker und Chemiker), die sich später auf eine so besondere Art miteinander verschränken, dass ihm dadurch die Grundlage seiner bürgerlichen Existenz endgültig entzogen wird.
    Die Totalität, mit der POWERS die musikalische Welt versprachlicht, ist wirklich atemberaubend – mutet allerdings auch Leseerfahrungen zu, die wohl nur einem relativ kleinem und spezialisierten Publikum auf Dauer Vergnügen bereiten wird. Es sind zwei große Stufen, die der Autor zumutet: die grundsätzliche Schwelle zwischen Sprache und Musik – und die zusätzliche Hürde zu einer fremden Musikwelt der Avantgarde (weit weg von üblichen Harmonie- und Melodieerwartungen). Das ist tatsächlich Hardcore!
    Empfehlen würde ich dieses Werk von POWERS nur Leser/innen, die entweder selbst einen Bezug zu modernen Musikformen haben oder die sich gerne mit den Grenzen literarischer Kunst und ihrer Möglichkeiten befassen.
    Wen in erster Linie das (wechselhafte) Schicksal des Protagonisten interessieren sollte (wie man z.B. plötzlich in die Fänge der Terroristen-Abwehr geraten kann), dem/der sollte bewusst sein, dass lange Phasen echter Lesearbeit bevorstehen, die ohne Disziplin kaum zu bewältigen sind.
    Die Erzählkunst von POWERS ist in seinen letzten beiden Büchern sehr viel leichter zu entdecken.
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  • Rezension zu Orfeo

    Klappentext:
    Nach ›Der Klang der Zeit‹ ein großer Roman über Musik, das Rätsel der Kreativität und die fragile Geborgenheit der Familie
    Erzählt wird die Geschichte von Peter Els, der an der Ostküste der USA Professor für Musik ist. In den wilden Siebzigern waren seine Stücke Avantgarde. Jetzt will er der DNA ihre musikalische Struktur ablauschen und mit Molekülen komponieren. Bis die Homeland Security in sein Labor stolpert und ihn verhört, denn nach dem 11. September ist jeder verdächtig. Auf einer Fahrt quer durch die USA flüchtet Els vor dem FBI, erinnert sein Leben und sucht seine Familie – ein spannendes Roadmovie voller Emotion und funkelndem Geist, unserer Gegenwart und ihren Themen immer einen Schritt voraus.
    Mein Leseeindruck:
    Orpheus:
    der Sänger der griechischen Mythologie, der mit seiner Musik die Naturgewalten bändigte, der sogar die Götter gnädig stimmte und die Grenzen zwischen Leben und Tod verwischte.
    Dieser Orpheus tritt uns hier als ein pensionierter Musik-Professor und Komponist entgegen.
    Sein Leben besteht aus Musik, alle seine Wahrnehmungen erfolgen als Musik. „Seine Hand fuhr über die Oberfläche des Steins, und die Vertiefungen spielten Töne auf seiner Haut, wie eine Notenrolle. Er blickte auf: Musik glitt in Wolkenformationen über den Himmel, und Lieder huschten über die gestaffelten Schindeln eines nahegelegenen Dachs. Rings um ihn her wartete ein gewaltiger verborgener Chor in einer großen alternativen Notenschrift nur darauf, dass jemand ihn aufzeichnete“ (S. 441 ff.). Die Parallelen zu Robert Schneiders Werk „Schlafes Bruder“ sind unüberhörbar.
    Peter Els erkennt die Zeitgebundenheit jedes Werks, auch der Musik, und will nun wie Orpheus quasi den Tod überwinden: er will Musik in die DNA eines Bakteriums einpflanzen, dort speichern und so die Unsterblichkeit sichern. Mit großer Sachkenntnis schildert Powers das Procedere (S. 445 ff.). Durch seine biochemischen Experimente gerät Peter Els aber ins Visier einer nationalen Terrorbekämpfungstruppe.
    Hier setzt nun ein zweiter Handlungsstrang ein: die Flucht vor der Polizei. Powers schildert einen Überwachungsstaat, der Panik und Horrorszenarien produziert ohne Rücksicht auf Fakten: „Wieder einmal hielt eine Bedrohung die wacklige Demokratie zusammen“ (S. 236). Quer durch das Land wird er als Bioterrorist verfolgt, mit einer maßlosen, fast paranoiden Hysterie. Das kann man als Satire auffassen, aber der wahre Kern ist unübersehbar.
    Kunst ist für den Protagonisten immer auch Politik: „Kunst ist gefährlich. Kunst ist nicht unschuldig“ (S. 134, Zitat Picasso).
    Und hier entfaltet der Roman wunderschöne Passagen. Ein Beispiel nur, Schostakowitsch betreffend, der von Stalin „mit einer einzigen Handbewegung … zum Volksfeind“ (S. 374) erklärt wurde. Der Leser begleitet Peter Els bei dessen politisch-historischem Verstehen der einzelnen Sätze der 5. Symphonie, und hier ist es vor allem das Largo. Ein tieftrauriges Thema, ein Totentanz. „Die Musik sprach… von dem, was übrigblieb, nach dem Schlimmsten, das Menschen einander antaten“ (S. 378).
    Diese Einlassungen zur Musik, zur Geschichte, zur Zeitgebundenheit der Werke sind Glanzlichter in dem Buch – und das Buch beginnt auch gleich damit: mit den Kindertotenliedern von Mahler nach den Gedichten von Friedrich Rückert. Mag sein, dass das Buch langweilt, wenn einem diese Werke unbekannt oder gleichgültig sind.
    Das Buch ist nicht leicht zu lesen. Es besticht durch eine enorme Recherchearbeit im naturwissenschaftlichen und musischen Bereich. Es besticht aber auch sprachlich. So nennt er z. B. die singenden Gäste einer Party den „Chor der trunkenen Engel.“ Powers kann aber auch bösartig-zynisch werden. Ein Beispiel: Els hält einen Vortrag im Altenheim. „Fleisch, locker geworden von Schwerkraft, krampfadrige Glieder im Ringen mit Aluminium-Gehwagen und Schottendecken, Altersfleckenkontinente, die auf Ozeanen bleicher Gesichter schwammen, Lächeln, das löffelbreite Zahnlücken entblößte, zu Sehnen verdorrte Hälse…“ (S. 141 ff.). Da kann dem Leser ganz anders werden…
    Den großen Nachteil des Buches sehe ich in seiner Intellektualität; das Buch spricht vorwiegend den Kopf an und in eher selteneren Momenten das Herz – das dann allerdings umso schöner.
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Ausgaben von Orfeo

Hardcover

Seitenzahl: 491

Taschenbuch

Seitenzahl: 400

E-Book

Seitenzahl: 385

Orfeo in anderen Sprachen

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