Die Untersuchung

Buch von Philippe Claudel, Ina Kronenberger

Bewertungen

Die Untersuchung wurde insgesamt 7 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,7 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Die Untersuchung

    […]
    Die Kritiker scheinen Die Untersuchung genauso zu sehen wie Du, aber vielleicht würde sich ein Vergleich zwischen Josef K. und dem "Ermittler" beim Lesen lohnen. Der Prozess liegt bei mir sehr lange zurück, und es kann gut sein, dass ich kein weiteres Buch mehr so erleben möchte wie dieses Kafka-Buch, denn so beklemmend war für mich keine andere Lektüre mehr danach, glaube ich. Da ich an defätistischen Büchern keinen Gefallen finden kann (ich kann einfach keinen Sinn dahinter finden), ist das durchaus möglich, dass ich nach Punkten suche, von denen aus ich die Sache anders betrachten kann.
    Wobei ich mir bei einem auf "modern getrimmten" Josef K. nur schwer vorstellen könnte, dass er sein Mobiltelefon nicht auflädt und einem grünen Strich blind folgt - Josef K. hat ja sogar sein eigenes Plädoyer vorbereitet, weil ihm das seines Anwaltes nicht gut genug vorkam, wenn ich mich recht erinnere. Andererseits hat auch er vor der Auspeitschung der Männer in einer Kammer lieber die Tür zugemacht, weil er diesen Anblick und seine Schuldgefühle nicht ertragen konnte, und dieser Zug gleicht wiederum sehr dem Ermittler beim Frühstück inmitten der Vertriebenen.
    Da hast Du wohl recht, Marie, dass man den Ermittler auf zwei Arten betrachten kann. Vielleicht findet jemand anders noch einen anderen Blickwinkel zu diesem Buch? Wäre durchaus interessant, noch mehr Meinungen zu lesen.
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  • Rezension zu Die Untersuchung

    Klappentext:
    Der Ermittler kommt in eine namenlose Stadt. Er soll in einem großen Unternehmen die auffällig zahlreichen Selbstmorde von Angestellten untersuchen. Von Beginn an scheint sich alles gegen ihn verschworen zu haben – es regnet, er findet kein Hotel, kommt zu spät. Seine Untersuchung kommt nicht voran. Nichts wird klarer, im Gegenteil: Er wird versehentlich eingeschlossen, macht verstörende Beobachtungen und gerät schließlich sogar unter Spionageverdacht. (von der Verlagsseite kopiert)
    Zum Autor:
    Philippe Claudel wurde 1962 in Dombasle in Lothringen geboren, wo er als Autor und Regisseur heute noch lebt. In Deutschland gelang ihm 2004 mit «Die grauen Seelen» der Durchbruch. Es folgten ein Erzählungsband und fünf weitere Romane, zuletzt «Brodecks Bericht». Claudels Bücher wurden von der Presse gefeiert und sind bislang in über 25 Sprachen übersetzt worden. 2008 lief auf der Berlinale sein Film «So viele Jahre liebe ich dich». (von der Verlagsseite kopiert)
    Allgemeines:
    Originaltitel: L’Enquête
    Aus dem Französischen übersetzt von Ina Kronenberger
    Mit 42 nummerierten Kapiteln auf 221 Seiten sind die Leseabschnitte sehr kurz gehalten.
    Erzählt wird aus der personalen Perspektive des Ermittlers, der ohne Namen bleibt und stets nur mit seiner Funktion genannt wird, ebenso wie sämtliche anderen Figuren auch.
    Inhalt:
    Der Ermittler kommt per Zug in der Stadt an, wird nicht mehr in die Fabrik, wo er seine Untersuchung führen soll, eingelassen. Es regnet, schneit, er wird bei seiner Suche nach einer Unterkunft klitschnass, schließlich findet er ein dubioses Hotel und quartiert sich für eine Nacht, wie er glaubt, ein. Die merkwürdigen Ereignisse setzen sich am nächsten Morgen fort: Das Bad ist nicht benutzbar, das Frühstück abscheulich, und schließlich wird er von einem Polizisten abgeführt.
    Doch das war nur Vorgeplänkel. So richtig absonderliches stößt ihm zu, als er die Fabrik unter widrigen Umständen doch noch erreicht.
    Auch wenn sich einen Tag später alles zum Besseren zu drehen scheint, hat der Aberwitz noch kein Ende, so dass sich der Ermittler zu fragen beginnt, ob er „nur“ verrückt oder evtl. schon tot und in der Hölle ist.
    Eigene Meinung /Beurteilung:
    Würde mir jemand erzählt haben, es sei ein verschollenes Manuskript von Franz Kafka aufgetaucht und nun als dieses Buch veröffentlicht, ich hätte ihm sofort geglaubt – zumindest bis zum ersten Mal ein Handy oder Computer erwähnt wird.
    Ohne Claudels beängstigende Bilder durch eindeutige Interpretationen zu sehr einzuschränken: Der Begriff „Endzeitparabel“ trifft das Buch am besten.
    - Menschen besitzen keine Einzigartigkeit mehr durch Wesen, Gesicht und Namen;
    - Menschen definieren sich ausschließlich durch ihre Funktion;
    - Sogar diese Funktion ist nicht eindeutig festgelegt, sondern scheint willkürlich verliehen;
    - Gesetze, Normen und Regeln verlieren ihre Gültigkeit;
    - Eine Kommunikation zwischen Menschen ist unmöglich, weil Sprache ihren Wert verliert und Definitionen beliebig scheinen;
    - Die Realität zerfällt in nicht mehr zu deutende Eindrücke;
    - Das Altbekannte existiert nicht mehr, und das Neue bietet keinen Anhaltspunkt, um sich zurechtzufinden.
    Ein wahres Horrorszenario, das Claudel in diesem Buch erschafft. Umso schlimmer zu ertragen, weil der Protagonist immer noch und immer wieder nach Überbleibseln seiner vertrauten Welt sucht, bzw. der Horrorwelt begegnet, als sei sie die Realität, und jedes Mal wieder an die Aussichtslosigkeit stößt, sich bemerkbar oder verständlich zu machen.
    Ein Ausweg ist unmöglich. Der Ermittler versucht es mit Freundlichkeit, mit Unterordnung, mit Widerstand – alles zwecklos, sein Weg in die Auflösung scheint vorprogrammiert.
    Einen Anhaltspunkt zum Einstieg in eine mögliche Deutung gibt Claudel: Was bei Kafka das Schloss als Sitz der Reichen, Herrschenden und Mächtigen war, ist bei ihm die Fabrik. Nicht nur als Arbeitsstätte, denn die Fabrik ist die Stadt, und die Stadt ist die Fabrik. Menschen laufen durch die Straßen in einem gleich bleibenden Rhythmus, stets im selben Tempo, den Blick stier vor sich hin gerichtet. Die geschlossenen Reihen zu durchbrechen, ist beinah ausgeschlossen.
    Man liest, von grauenerregender Spannung getragen und kann nicht auf einen versöhnlichen Ausklang hoffen. Auch wenn ein Ende mit Schrecken zu erwarten ist: Hauptsache, irgendwann hat der Alptraum ein Ende, ganz gleich, welches.
    Das Buch wirkt, als hätten sich Kafka, Orwell und Huxley zusammengeschlossen und ihren grässlichsten Phantasien freien Raum gelassen.
    Fazit:
    Ein verstörend düsteres Buch, das viel Platz für eigene Deutungen liefert.
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  • Rezension zu Die Untersuchung

    Original: Französisch, September 2010
    ZUM INHALT:
    Ein Mann kommt an, mit dem Auftrag eine Selbstmordserie zu untersuchen, die in einem Unternehmen der Stadt aufgetreten ist. Doch es ist als ob sich alles dagegen verschwört, dass er überhaupt zum Beginn einer Ermittlung kommt. Die Zeit dehnt sich aus, und auch Räume scheinen gegen alle Regeln zu sprechen. In den Begegnungen mit den Menschen der Stadt herrscht eine Willkür: mal eine grobe Stimmung, mal eine entgegenkommende. Unruhe, Feindseligkeit und Ungewissheit kommen auf. Worauf kann man sich da verlassen? Wie nicht die Anhaltspunkte verlieren? Anstatt eine Untersuchung der Selbstmorde zu werden, wird der Weg des Ermittlers einer, der ihn fragen lässt, wo er eigentlich steht. Und nach und nach scheint er selbst in die Maschine zu kommen.
    ANMERKUNGEN :
    Menschen und Orte werden nicht bei Namen genannt. Hier werden sie nur durch Funktionen bezeichnet, ohne individualitätsspendende Identität. Sie mögen für uns und unsere Städte stehen, in denen wir oft in einer Anonymität leben. Philippe Claudel ändert das Register und erzählt anders. Das Szenario erinnerte mich an eine Mischung von George Orwell, Franz Kafka, Fritz Langs Metropolis und auch z.B. Saramagos „Das Zentrum“ (uam.). Vielleicht liegt da auch eine Schwäche dieses Werkes: die Querverweise scheinen offensichtlich, doch Claudel braucht noch eindeutigere Erklärungen, um seine unbequeme Welt darzustellen, als es ein Franz Kafka braucht. Er liefert andauernd schon die Erklärungen oder Schlüssel mit.
    Stilmäßig fängt der Roman eher realistisch an, um dann schnell hinüberzugleiten ins Absurde und Phantastische. Vielleicht hätten mehr Andeutungen und Suggestive Darstellungen ausgereicht? So hat man manchmal den Eindruck, dauernd an die Hand genommen zu werden.
    Die Hauptperson, der „Ermittler“, steht anfangs schnell als „jämmerlich“ und bemitleidenswert da. Es stimmt: Er steht - und mit ihm wir alle - in absurden Prozessen und Erfahrungen. Wie kann dies nicht abgleiten in den Abgrund? Man wird sich fragen, inwieweit man angesichts anonymer Prozesse in der Gesellschaft nicht nur als Opfer da steht, sondern auch als Beteiligter? Er wird an sich die Kritik ergehen lassen: „Sie sehen auf die Menschen und die Welt wie auf ein unpersönliches und geschlechtsloses System von Funktionen, Zahnrädchen, einem großen Mechanismus.“
    Das Buch lässt sich auch ohne weiteres als Kritik der anonymen Großunternehmen in den Zeiten der Globalisierung lesen: hier weiß letztlich kaum einer mehr, wer wirklich als Verantwortlicher dasteht. Und, wie es eine Person des Romans sagt „Ich hasse die Unterschiedlichkeit.“
    Claudel zeichnet ein unerbitterliches, manchmal groteskes Bild unserer Gesellschaft und des verlorenen Einzelnen. Er gibt keine Lösung vor. Doch das ist – wie er selber sagt – auch nicht die Aufgabe eines Schriftstellers.
    Ich schließe mich nicht kurzbündig den eher negativen Kritiken in Frankreich an, dafür ist mein Respekt vor Claudel zu groß.
    Wohl nicht sein bestes Buch, doch für den Claudelleser mag es wieder etwas Neues zu entdecken geben.
    Es hat mir sehr geholfen, den Autor bei einer Lesung etwas zu diesem Buch sagen zu hören. Da zeigte er sich als durch und durch sympathischer Mensch, der sich in diesem Roman, wie schon so oft, hinter und nach allen Feststellungen von Gräueln die Frage nach dem Sinn stellt.
    ZUM AUTOR:
    Philippe Claudel (* 2. Februar 1962 in Dombasle-sur-Meurthe, Lothringen) ist ein französischer Schriftsteller, Dramatiker und Filmregisseur. Philippe Claudel hat Literatur studiert und ist ausgebildeter Pädagoge mit staatlicher Lehrbefugnis. Vor seiner literarischen Karriere war er einige Zeit als Lehrer in einem Gefängnis in Nancy tätig. Dort unterrichtet er noch heute an der Universität. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.
    Produktinformation
    Broschiert: 288 Seiten
    Verlag: Stock (September 2010)
    Sprache: Französisch
    ISBN-10: 2234065151
    ISBN-13: 978-2234065154
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Ausgaben von Die Untersuchung

Taschenbuch

Seitenzahl: 224

Hardcover

Seitenzahl: 224

E-Book

Seitenzahl: 224

Die Untersuchung in anderen Sprachen

  • Deutsch: Die Untersuchung (Details)
  • Französisch: L'Enquête (Details)

Besitzer des Buches 11

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