Das Verbrechen der Olga Arbelina

Buch von Andreï Makine, Sabine Müller

Bewertungen

Das Verbrechen der Olga Arbelina wurde insgesamt 4 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,1 Sternen.

(0)
(1)
(3)
(0)
(0)

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Das Verbrechen der Olga Arbelina

    […]
    Ich kann kaum glauben, dass ich dieses Buch tatsächlich ausgelesen habe; die Thematik erscheint zu entsetzlich. Bei etwa Seite 190 habe auch ich erst mal nachdenken und mir eine „akzeptable“ Haltung des Autors zurechtlegen müssen, d.h. ich musste ihn mental auf meine Seite ziehen, sonst hätte ich genausowenig weiterlesen können.
    Es ist nun mal so, dass nicht einmal Sophokles es fertig gebracht hat, Ödipus und Iokaste in vollem Bewusstsein und mit Absicht in ihre Beziehung rennen zu lassen – ich glaube, niemand von uns muss sich fragen, warum. Keiner kann solch einen unerträglich scheußlichen Gedanken aushalten. Und dann kommt Herr Makine und wagt genau das?! Ich kann es immer noch kaum fassen!
    Da ich keinen Grund habe, in Herrn Makine ein unmoralisches Ungeheuer zu vermuten, nahm ich an, dass er Fürstin Arbelina als nicht zurechnungsfähig darstellen wollte.
    Aber insgesamt muss ich sagen, dass dieses Buch schriftstellerisch gehörig daneben gegangen ist. Ich war in anderen Büchern ziemlich von den Frauenfiguren angetan, von der Art und Weise, wie Makine sie literarisch gezeichnet hat; eigentlich sollte auch hier die Idee der Olga-Figur und mit ziemlicher Sicherheit der Plot darum herum funktionieren:
    […]
    Dies sollten meiner Meinung nach keine „Nebengedanken“ sein (Sie sind in der Geschichte jedoch beiläufig abgehandelt, da gebe ich Dir recht, @tom leo), sondern das sind Punkte, die auf die Labilität dieses Olga-Monsters ganz deutlich hinweisen müssten. Aber was macht der Autor daraus? Er bringt die Person, nein, fast die gesamte Handlung aus der persönlichen Perspektive der O. Arbelina in extrem naiver Ernsthaftigkeit in der dritten Person. Nur am Anfang, als davon die Rede ist, dass für die russischen Siedlungsbewohner die Fürstin keinen Hochmut, keinen Dünkel, keine Verzweiflung ob ihrer tristen Situation gekannt habe, sondern ihrem unwürdigen Leben gleichmütig und geradezu heiter begegnet sei, bekommt man einen Ansatzpunkt, um das Verhalten der Protagonistin später zu bewerten: sie bemüht sich nämlich keineswegs um Integration in die Gemeinschaft der „Goldenen Horde“ – nein, Olga wählt als Wohnstätte einen Anbau, der so ungünstig liegt, dass er bereits im ersten Jahr nach seinem Bau überflutet wurde, statt zu den anderen ins Gebäude zu ziehen, in dem einige Wohnungen leer stehen. Sie wahrt also den Abstand, sie gehört nicht zu ihnen. Desweiteren scheint sie mehr als alles andere mit sich selbst, ihrem Äußeren und ihrer adligen Herkunft beschäftigt zu sein; als ihr Mann sie verlässt, kann man nicht erkennen, dass sie um den Verlust einer Liebe trauert, es scheint eher, dass sie von der Beendigung der Verbindung mit dem Fürsten Arbelin geschockt ist, weil sie plötzlich völlig mittellos und ohne Aussichten dasteht. Auch die Beziehung zum Sohn vor der Drift in die bodenlose Unmoral schien einzig und allein geprägt von der Kümmernis um seine Erbkrankheit, dabei vor allem durch die Überzeugung von ihrer Schuld als Überträgerin des Gens - mehr weiß sie nicht von ihm zu berichten, nichts über seinen Charakter, seine Vorlieben etc. – sie scheint ihn in seiner Persönlichkeit gar nicht wahrzunehmen.
    Es gibt also durchaus Ansätze, die im Leser schon sehr früh im Buch Misstrauen der Protagonistin gegenüber erwecken. Doch im krassen Gegensatz hierzu steht die sprachliche Ausarbeitung Makines, die in Das Verbrechen der Olga Arbelina als verweichlicht-poetische Sprache erscheint. Weinerliche Prosa täuscht auch dann nicht über ihre Wehleidigkeit hinweg, wenn sie sprachlich äußerst elegant wirkt. Die naive Ernsthaftigkeit von Makines Prosa hat mich hierbei derart abgestoßen, dass ich am liebsten aus dem Buch gerannt wäre: da lässt er seine Protagonistin auch noch in aller Ernsthaftigkeit zugeben, in welch einen Wahnsinn sie verfallen sei und dass eine solche Beziehung vor keinem Menschen standhalten könne: ein solch unmoralisches Ungeheuer trifft keine derartigen Feststellungen in aller Ernsthaftigkeit und fährt dennoch lustig mit ihren zum Himmel schreienden Schandtaten fort – wieviel Dilettantismus will einem der Autor denn eigentlich zumuten während der Lektüre!
    Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass diese Geschichte hätte funktionieren können, wenn Olga Arbelina als unzuverlässige Erzählerin gekonnt verarbeitet worden wäre. Doch so etwas muss man beherrschen als Schriftsteller. Ich dachte immer, Autoren müssten selbst unwahrscheinlich viel und vor allem sehr Verschiedenes lesen, um schreiben zu können – hat Makine denn nie Chuck Palahniuk gelesen, oder seinen Landsmann Vladimir Sorokin, der in seinem Der Tag des Opritschniks nicht den geringsten Zweifel beim Leser aufkommen lässt, wie wenig er von den Ansichten seines Protagonisten hält? Auch Christian Kracht in Imperium kriegt das wunderbar hin, und er verwendet noch dazu eine ganz tolle Sprache mit einer Art Erich-Kästner-Anlehnung – sowas von gut! Wenn Andreï Makine eine unzuverlässige Erzählung richtig hinbekommen und seiner Sprache auch noch eine gewisse Note seelischer Verkommenheit und Dekadenz hinzugefügt hätte, dann sähe die Sache möglicherweise ganz anders aus. Denn die Protagonistin muss einen gehörigen „Sprung in der Schüssel“ haben, um so zu handeln, wie sie es in der Erzählung tut, und das muss meiner Ansicht nach in der verwendeten Sprache unbedingt widergespiegelt werden.
    Die Idee für das Buch ist doch eigentlich genial: die Mutter nimmt gerade die Krankheit, die durch generationenlange Verkommenheit ihrer eigenen Herkunft erst hervorgerufen wurde, zum Anlass für diese "Kompensation", die in haargenau dieser moralisch abgrundtiefen Verkommenheit besteht - auf so etwas muss man erst mal kommen! Das ist doch im Grunde eine Wahnsinnsidee!
    Fazit: Das Verbrechen der Olga Arbelina war für mich zwar ein extrem interessantes, aber in der Ausführung grässlich verpfuschtes Buch. Enttäuschend.
    Weiterlesen
  • Rezension zu Das Verbrechen der Olga Arbelina

    Ich stelle hier noch eine Verlinkung zur französischen Ausgabe ein. Im Nachhinein bedauere ich es, dass ich dieses Buch nicht im Original gelesen habe. Bei der Übersetzung wird wohl doch etwas von dieser magischen Sprache Makines verlorengegangen sein.
    Die beiden gerade entdeckten Kommentare auf dieser französischen Amazonseite bestätigen eine andere Lesart...
    Quatrième de couverture (amazon):
    «Tout devait être exactement ainsi, elle le comprenait à présent : cette femme, cet adolescent, leur indicible intimité dans cette maison suspendue au bord d'une nuit d'hiver, au bord d'un vide, étrangère à ce globe grouillant de vies humaines, hâtives et cruelles. Elle l'éprouva comme une vérité suprême. Une vérité qui se disait avec cette transparence bleutée sur le perron, le frémissement d'une constellation juste au-dessus du mur de la Horde, avec sa solitude face à ce ciel. Personne dans ce monde, dans cet univers ne savait qu'elle se tenait là, le corps limpide de froid, les yeux largement ouverts... Elle comprenait que, dite avec les mots, cette vérité signifiait folie. Mais les mots à cet instant-là se transformaient en une buée blanche et ne disaient que leur bref scintillement dans la lumière stellaire...»
    Weiterlesen

Ausgaben von Das Verbrechen der Olga Arbelina

Taschenbuch

Seitenzahl: 317

Hardcover

Seitenzahl: 320

Das Verbrechen der Olga Arbelina in anderen Sprachen

  • Deutsch: Das Verbrechen der Olga Arbelina (Details)
  • Französisch: Fre-Crime D Olga Arbelina (Details)

Besitzer des Buches 6

  • Mitglied seit 4. Juni 2004
  • Mitglied seit 15. August 2008
  • Mitglied seit 15. Februar 2011
  • Mitglied seit 30. März 2006
  • Mitglied seit 26. Dezember 2005
  • Mitglied seit 3. Oktober 2005
Update: