Doppelleben

Buch von Tim Parks, Michael Schulte

Bewertungen

Doppelleben wurde insgesamt 3 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,3 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Doppelleben

    Nach Tim Parks - Schicksal und Tim Parks - Roger zu lieben habe ich mit "Doppelleben" (Originaltitel "Judge Savage") zum dritten Mal ein Buch dieses Autors gelesen.
    Inhalt:
    Daniel Savage ist Richter ihrer Majestät. Vor 40 Jahren als brasilianisches, also dunkelhäutiges Kind von Briten adoptiert, ist er jetzt mit einer englischen Klavierlehrerin verheiratet, Vater zweier Kinder und, im Kontrast zu seinem Beruf, ein notorischer Lügner.
    Nach diversen Seitensprüngen hat er jetzt Frieden mit seiner Frau geschlossen. Er ist ein prominenter Mann, die Familie hat sich ein statusgemäßes Eigenheim gebaut.
    Aber noch immer sucht er Frauenbekanntschaften außerhalb seiner Ehe, die er vor seiner Frau zu verstecken sucht. Die Tochter verfällt in absurde Protestreaktionen gegen die Ehekrise der Eltern, der Sohn reagiert mit verstärkter Anhänglichkeit.
    Eines Tages wird Daniel, vermutlich von Vater und Brüdern seines koreanischen Ex-Geliebten, niedergeschlagen und übel zugerichtet. Für die Öffentlichkeit sieht der Fall jedoch anderes aus, und aus Daniel wird ein Held, der gegen illegale Immigraten zu Felde zieht. Aber sowohl die Polizei als auch seine Ehefrau wollen wissen, was wirklich hinter dem Überfall steckt.
    Darüber hinaus sitzt Daniel im Gericht einem Fall vor, bei dem es um eine Gruppe Jugendliche geht, die angeblich Steine von einer Autobahnbrücke auf die Fahrbahn warfen, wodurch eine hochschwangere Frau einen Unfall hatte, seit dem sie im Koma liegt.
    -- Vorweg: Sehr ärgerlich ist die schlampige deutsche Übersetzung. Druckfehler, falsche Namen, Sätze, die unbeendet bleiben (bezieht sich auf die Hardcover-Ausgabe 3888973236, die immerhin 24,90 kostet). --
    Auch in "Doppelleben" hat sich Parks wieder dem Thema "Beziehungen" gewidmet. Ebenso wie in "Schicksal" geht es um eine Ehe, in der sich die Partner zwischen Bleiben oder Gehen entscheiden müssen.
    Das Buch beginnt damit, dass Daniel seinem alten Doppelleben abschwört, denn endlich hat er sich selbst gefunden, und endlich weiß er, was er an seiner Frau hat, und endlich spürt er so richtig, wie er seine Familie liebt. Aber er betrügt sich selbst. Obwohl er ein rationaler Mensch zu sein scheint und auf seine Intellektualität stolz ist, wird er von einem ganz anderen Körperteil als seinem Hirn beherrscht.
    Nur in seiner wahllosen Jagd auf Frauen - es ist ihm gleich, ob Prostitiuerte, Ehefrau eines Freundes, Geschworene vor Gericht - gelingt es ihm, irgendetwas zu fühlen, und auch die Katergefühle danach reichen nicht aus, bis in sein Gewissen zu dringen.
    Im Grunde ist Daniel trotz seiner beruflichen Erfolge und seiner Attraktivität im Bezug auf Frauen und trotz seines familiären Hintergrundes ein einsamer, von Selbstzweifeln geplagter Mann, der mit seiner Hautfarbe hausieren geht und Diskriminierungen ins Lächerliche zieht. Daniel kämpft eigentlich nicht um seine Ehe, sondern nur um sein eigenes Überleben, und weiss nicht einmal, wozu überhaupt. Kein unbedingter Sympathieträger also. Allenfalls kann man als Leser Mitleid empfinden, und selbst das fällt schwer. Lass deine Hose an, und das Dilemma hat ein Ende! wäre ein guter Ratschlag.
    Doch das Buch ist mehr als eine Ehegeschichte. Es geht vielmehr um die Frage: Was ist Wahrheit, was ist Lüge? An dem Fall, den Daniel vor Gericht behandelt, wird exemplarisch deutlich, dass es sogar bei einem Ereignis, das eigentlich aus einer Kette von Tatsachen besteht, nicht nur die eine Wahrnehmung und die eine objektive Sicht gibt. Und wieviel mehr Wahrheiten und Lügen machen sich breit, wo es um Beziehungen, Gefühle und Verletzungen geht?
    "Doppelleben" ist das Buch, das Parks als nächstes nach "Schicksal" veröffentlichte. Stilistisch ist es diesem sehr ähnlich; wieder springt der Autor zwischen den verschiedenen Handlungssträngen ohne erkennbare Zäsur hin und her, wieder macht er wenige Absätze, nur lange Kapitel, und wieder sind Dialoge im Erzähltext optisch nicht auszumachen.
    Kein schlechtes Buch, aber es ist nicht so anrührend wie "Schicksal". Es bleibt mehr im Kopf stecken und geht weniger ans Herz. Die tragischste Figur ist die Tochter Sarah; man weiss nicht, ob sie fest in den Fängen der Pubertät hängt oder ob die Eltern sie zum Wahnsinn treiben oder ob in ihrer Kindheit nicht etwas wesentlich schlimmeres passiert war, etwas, vor dem Daniel auch die Augen verschlossen hat.
    Immer noch begeistert mich "Schicksal" am meisten, das ich auch am lautesten empfehle. Aber ich habe ja noch neun Bücher von Parks vor mir.
    Marie
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Ausgaben von Doppelleben

Hardcover

Seitenzahl: 440

Taschenbuch

Seitenzahl: 448

Besitzer des Buches 10

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