"Sie können aber gut Deutsch!": Warum ich nicht mehr dankbar sein will, dass ich hier leben darf,...

Buch von Lena Gorelik

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"Sie können aber gut Deutsch!": Warum ich nicht mehr dankbar sein will, dass ich hier leben darf,... wurde bisher einmal bewertet.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu "Sie können aber gut Deutsch!": Warum ich nicht mehr dankbar sein will, dass ich hier leben darf,...

    Als am 23. Februar bei der zentralen Gedenkfeier für die Opfer der NSU-Morde die 25-jährige Tochter eines der türkischstämmigen Opfer der Zwickauer Neonazizelle, Semiya Simsek, sprach, da stellte sie Fragen, die mir jedenfalls unter die Haut gingen: „Heute stehe ich hier, trauere nicht nur um meinen Vater und quäle mich mit der Frage: Bin ich in Deutschland zu Hause? Ja, klar bin ich das. Aber wie soll ich mir dessen noch gewiss sein, wenn es Menschen gibt, die mich hier nicht haben wollen. Soll ich gehen?“
    Sie drückt das aus, was mit Sicherheit viele Menschen in unserem Land spüren und denken. Das Gefühl, obwohl man schon seit Jahren vielleicht die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat, nicht willkommen zu sein in einem Land, das doch die Freiheit und das Menschenrecht in seiner Verfassung verankert hat. Und sie ruft leidenschaftlich dazu auf, das endlich ernst zu nehmen:
    „In unserem Land, in meinem Land, muss sich jeder frei entfalten können, unabhängig von Nationalität, Migrationshintergrund, Hautfarbe, Religion, Behinderung, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Lasst uns nicht die Augen verschließen und so tun, als hätten wir dieses Ziel schon erreicht.“
    Auch die 1992 zusammen mit ihrer russisch-jüdischen Familie als „Kontingentflüchtling“ nach Deutschland gekommene Lena Gorelik behandelt in ihrem neuen, hier vorliegenden Buch dieses Thema. Sie will nicht mehr dankbar dafür sein, dass sie hier leben darf, und hält Toleranz für eine Haltung, die nicht weiterhelfen wird, denn wir müssen erkennen, dass wir längst in einer ethnisch gemischten Gesellschaft leben. Die Gesellschaft und die Menschen, so zeigt sie immer wieder mit zahlreichen Beispielen, müssen aufhören, immer nur über gelungene oder misslungenen Integration zu reden, sondern die Tatsache ihrer ethnischen Mischung als eine Stärke begreifen lernen und von dieser Stärke zu profitieren. Für sich selbst wünscht sie sich:
    „Ich bin das, was gemeinhin als ‚gut integriert’ bezeichnet wird. Und weil ich das bin, sage ich: Ich möchte gerne in einem Land leben, in dem man sich für mich als Mensch interessiert, nicht nur für meine so genannte erfolgreiche Integration. Ich möchte kein gutes Beispiel sein, ich möchte ein Puzzleteilchen, Teil dieses Landes sein. Ich möchte nicht darüber nachdenken müssen, zu wie viel Prozent ich mich deutsch, zu wie viel russisch fühle. Ich wünsche den Menschen in diesem Land, dass sie sich diese Gedanken über mich und andere wie mich ebenfalls nicht machen müssen. Ich wünsche mir und Deutschland, dass es keine Vorzeigeausländer mehr zu brauchen meint.“
    Ihr Traum von einem solchen Deutschland ist ansteckend: „Zu diesem Deutschland würden und wollen und sollen und müssen und werden viele unterschiedliche Menschen beitragen, sie werden es mit gestalten, sie werden es spannend machen, sie werden es reicher machen, reicher nicht (nur) im monetären Sinne, sondern im Sinne von ‚Bereicherung’. Eine Bereicherung werden sie sein, weil sie so unterschiedlich sind, nicht obwohl.“
    Es geht nicht mehr um Integration es geht um echte Teilhabe. Ein leidenschaftliches Plädoyer fernab von aller bisherigen Multikulti-Verherrlichung. Ein Buch das aufrüttelt, das Mut macht und jeden Bewohner dieses Landes, egal wo er herkommt, zum kritischen Nachdenken auffordert und zu einem veränderten Verhalten. Nicht nur äußerlich, sondern auch von innen her gewachsen.
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Ausgaben von "Sie können aber gut Deutsch!": Warum ich nicht mehr dankbar sein will, dass ich hier leben darf,...

Taschenbuch

Seitenzahl: 240

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