Bewertungen

Die Lästigen wurde insgesamt 3 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,7 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Die Lästigen

    In der Reihe "Die andere Bibliothek" erscheint seit ihrer Gründung 1984 durch Franz Greno monatlich ein Buch in bibliophiler Aufmachung. Bis 1997 noch in limitierte Ausgabe im Bleisatz gedruckt, ragen die inzwischen mit modernen Druckverfahren produzierten Bücher nach wie vor durch Satz und Papierqualität heraus. Eine Sammlung bisher nicht ins Deutsche übersetzter Kurzgeschichten von Joyce Carol Oates erscheint als Band 315 der Reihe. Diese "Neuigkeit" war noch vor meiner Sammelleidenschaft Grund, das Buch zu kaufen. Bis auf wenige Ausnahmen (zwei Erzählungen stammen aus den 60ern, eine war bisher noch unveröffentlicht) erschienen die von Gabriela Jaskulla ausgewählten Geschichten in den 90ern des 20. Jahrhunderts. Die Herausgeberin weist im Vorwort daraufhin, dass einige der Geschichten die Grenze des Genres Short Story überschreiten, weil sie sie sich nicht auf die für Kurzgeschichten charakteristische Einheit des Ortes beschränken. Die Herkunft von Oates Figuren, die zumeist zur vom Abstieg bedrohten weißen Mittelschicht der USA gehören, waren für die Herausgeberin inhaltliches Kriteriun für die Zusammenstellung dieses Bandes.
    Oates zeigt in ihren Arbeiten die dunkle Seite des ehemaligen Landes der unbegrenzten Möglichkeiten. Sie legt (laut Jaskulla) ihren Lesern Gewalt als Leitmotiv der amerikanischen Biografie nahe, indem sie Situationen herausarbeitet, in denen Väter und Mütter ihre Familien nicht vor Eindringlingen von außen schützen können. Besonders deutlich wird diese Hilflosigkeit in "Wo ist hier?" als ein Fremder sich sein angebliches Elternhaus ansehen will und die Familie, die dort inzwischen wohnt, nicht weiß, wie sie den Mann wieder loswerden soll. Einige der Erzählungen beginnen in alltäglichen Familiensituationen (Gib Daddy einen Kuss, Ihr habt mich gestreichelt, Verklärte Nacht), andere stürmen mit Tod, Gewalt oder Selbstzerstörung direkt auf den Leser herein (Leidenschaft, Böses Schäferspiel, Todesmutter). Herausragend finde ich Joyces Fähigkeit aus der Perspektive von Kindern zu erzählen, die Gewalt erfahren haben oder denen Gewalterfahrungen unmittelbar bevorstehen (Todesmutter, Die Lästigen, Ewige Liebe). "Akt der Einsamkeit", "Nackt" und "Der feine, weiße Winterdunst" zeigen das problematische Zusammenleben Weißer mit Afro-Amerikanern. Bemerkenswert, wie die amerikanische Autorin ihre Leser zunächst mit der Vertrautheit in Paar- und Familien-Beziehungen einlullt, um kurz darauf die Fassade komplett zu zerstören (Gib Daddy einen Kuss) und die dahinter lauernde Gefährdung zu demaskieren. "Morgen" geht bis in die 60er zurück und beleuchtet die Affäre zwischen der verheirateten Studentin Lydia und ihrem erheblich älteren Dozenten. Lydia begehrt gegen ihre allzu früh geschlossene Ehe auf, nur um im Verhältnis zu Scott die Hausfrauenrolle zu wiederholen, die jene Zeit für Frauen vorgesehen hatte. Dass für Frauen im Wolfsrudel der Wissenschaftler noch kein Platz vorgesehen war, fiel Lydia noch nicht auf. "Das Omen" auf nur 6 Seiten hat mich mit seiner Symbolik und der knappen Landschaftsbeschreibung am stärksten beeindruckt.
    "Die Lästigen" eignet sich für jene Leser als Einstieg in das Werk der verblüffend produktiven Joyce Carol Oates, die sich von der Fülle ihrer Veröffentlichungen - noch - überfordert fühlen.
    Textauszug
    "Eine Stimme klang in meinem Ohr: Hier sind wir! Es war früh, bevor die Sonne begonnen hatte, den Küstennebel aufzusaugen. Möwenschreie rissen mich aus dem Schlaf. Warum lauter als gewöhnlich? - durchdringender, schauriger? Ich lag in meinem Bett und lauschte und kam zu dem Schluss, dass es sich um menschliche Schreie handelte, schrecklich anzuhören. Und doch - so früh? Zu einer Zeit, zu der sicher noch niemand am Strand wäre, geschweige denn im Wasser, um zu schwimmen. An diesem abgelegenen, windigen Ort, auf einer schmalen Landzunge, drei Meilen vom nächsten Dorf entfernt und zwanzig Meilen vom nächsten Städtchen. Hier bestimmten der Atlantik und der Himmel das Dasein. Wie schnell wird, wenn man sein früheres Leben verlassen hat, die Landschaft dieses Lebens zu einer Abstraktion, wie eine Landkarte. Eine Landkarte, die man zusammenfalten und weglegen kann, und dann braucht man sie sich nie mehr anzusehen." (S. 305, Das Omen)
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  • Rezension zu Die Lästigen

    Inhalt:
    »Die Tragödiendichterin des amerikanischen Traums« FAZ
    Von diesen wirklichkeitssatten und sinnlichen Storys geht ein Sog aus, dem wir uns nicht entziehen wollen. Im Blitzlicht der Prosa von Joyce Carol Oates, in ihren Kurzgeschichten, die zu Kürzestromanen werden, sind krude Wirklichkeiten, verborgene Ränder und Abgründe des amerikanischen Kontinents schonungslos sichtbar.
    Es macht atemlos, wie Joyce Carol Oates in ihren radikal subjektiven Geschichten in die Haut von Männern und Frauen mit ihren Demütigungen schlüpft, wie sie beschädigten Kinderseelen und aufsässigen Teenagern oder pädophilen Vätern zu Sprache verhilft. Joyce Carol Oates' Helden stammen aus der vom Abstieg bedrohten amerikanischen Mittelschicht es sind verunsicherte Existenzen.
    In all diesen in Die Lästigen versammelten und von Susanne Röckel kongenial erstmals ins Deutsche übertragenen Geschichten entfaltet sich die innere Wahrheit der Joyce Carol Oates, die »eine« Geschichte, die sie obsessiv variiert ihre amerikanische Chronik. Sie handelt von der Verletzlichkeit des Individuums und damit von uns. Sie erzählt von der Nachtseite Amerikas, von der Enge in seiner Größe und von Gewalt.
    (Quelle: Verlagsseite)
    Die Autorin:
    Joyce Carol Oates wurde 1938 im Bundesstaat New York geboren und lebt heute in Princeton, wo sie als Professorin Kreatives Schreiben lehrt. Mehrfach mit dem Pulitzer-Preis, 2009 mit dem Man Booker International ausgezeichnet, ist Joyce Carol Oates eine der bekanntesten amerikanischen Gegenwartsautorinnen. Die Herausgeberin Gabriela Jaskulla, 1962 bei Würzburg geboren, arbeitete 16 Jahre lang als Redakteurin beim NDR. Sie veröffentlichte zahlreiche Erzählungen, Romane und Theaterstücke – zuletzt »Annas Abschied von der romantischen Liebe«. Seit ihren schriftstellerischen Anfängen zählt Joyce Carol Oates zu ihren großen Vorbildern.
    (Quelle: Verlagsseite)
    Allgemeines:
    ausgewählt und mit einem Nachwort von Gabriela Jaskulla, übersetzt von Susanne Röckel erscheint: 02.2011
    Seitenanzahl: 384
    Originalausgaben
    Bandnummer: 315
    Limitierte Ausgabe; gebunden in vinylbeschichtetem, rosa-farbenen Designpapier; Fadenheftung und Lesebändchen
    (Quelle: Verlagsseite)
    Meine Meinung:
    In dem schön gestalteten Band "Die Lästigen" werden 19 bislang unbekannte Kurzgeschichten von Joyce Carol Oates veröffentlicht; eine davon erstmalig. Der Großteil der Erzählungen erschien in den 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts.
    Der Untertitel lautet "Eine amerikanische Chronik in Erzählungen". In ihren Geschichten erzählt Oates von Gewalt, Entfremdung, unterdrückten Geheimnissen, Vernachlässigung und zeichnet somit ein recht düsteres Bild der amerikanischen Mittel- und Oberschicht.
    In den Geschichten geraten die Protagonisten vielfach in Situationen, denen sie hilflos gegenüberstehen. So kann z.B. in "Nackt" die Protagonistin sich nicht gegen eine Schar Kinder wehren oder in "Wo ist hier?" dringt ein Fremder in das Haus ein und die Bewohner wissen sich nicht helfen.
    In "White Trash" spricht die Protagonistin von sich in der dritten Person.
    Einige Geschichten (z. B."Gib Daddy einen Kuss") fangen im alltäglichen familiären Alltag an und nehmen eine überraschende Wendung, andere wiederum beginnen düster mit Tod oder Selbstzerstörung(z.B."Todesmutter","Böses Schäferspiel")
    Im Vorwort geht Gabriela Jaskulla ausführlich auf die Kurzgeschichten ein und schon dort zeigt sich, dass das zentrale Motiv der Geschichten Gewalt ist.
    Erwähnenswert ist die besondere Aufmachung des Bandes. "Die Lästigen" gehört zu der Reihe "Die andere Bibliothek", begründet von Hans Magnus Enzensberger und zeichnet sich durch Fadenbindung und hohe Papierqualität aus.
    Für mich waren die Erzählungen von der Autorin eine Entdeckung.
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Ausgaben von Die Lästigen

Taschenbuch

Seitenzahl: 368

Hardcover

Seitenzahl: 384

Besitzer des Buches 11

Update: