Das Geschrei deiner Feinde

Buch von Robert Stone, Benjamin Schwarz

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Das Geschrei deiner Feinde

    Der Autor (nach Wikipedia): Robert Stone war ein am 21. August 1937 in Brooklyn, New York, geborener US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Er war zweimal in der Endrunde für den Pulitzer Prize (1982 für „Das Geschrei deiner Feinde / A Flag for Sunrise“ und 1998 für die Storysammlung „Bear and His Daughter“), einmal für den PEN/Faulkner Award (1982 für „Das Geschrei deiner Feinde / A Flag for Sunrise“) und fünfmal für den National Book Award for Fiction (1975 für „Unter Teufeln / Dog Soldiers“, zweimal – 1982 als Hardcover, 1983 als Paperback – für „Das Geschrei deiner Feinde / A Flag for Sunrise“, 1992 für „Das zweite Logbuch / Outerbridge Reach“ und 1998 für „Das Jerusalem-Syndrom / Damascus Gate“), den er 1975 für seinen zweiten Roman „Unter Teufeln / Dog Soldiers“ erhielt. Für seinen Romanerstling „Zerrspiegel / A Hall of Mirrors“ erhielt er 1967 den William Faulkner Foundation Award. Das TIME Magazine setzte „Unter Teufeln / Dog Soldiers“ auf seine Liste mit den 100 besten englischsprachigen Romanen von 1923 bis 2005. Robert Stone starb im Alter von 77 Jahren am 10. Januar 2015 in Key West, Florida.
    Kurzbeschreibung (Klappentext - Rowohlt-Hardcover): Eine Handvoll Nordamerikaner, eine Nonne, ein Priester, ein Deserteur, ein paranoider deutscher Entwicklungshelfer [eine eher unwichtige Figur!] – alle sind sie gefangen im Mahlstrom eines kleinen mittelamerikanischen Landes am Rande der Revolution. Tekan, in dem El Salvador und Nicaragua wiederzuerkennen sind, wird von einer korrupten Militär-Oligarchie beherrscht. Die Friedhofsruhe im Innern wird gefährdet von Terroristen, Revolutionären und Konterrevolutionären, von Agenten und Spionen aus dem Ausland.
    Auf diesem politischen Vulkan lebt Pater Egan, ein alternder Missionar, der seine Gottesbegegnung in der Whiskeyflasche sucht. Neben ihm hofft die Ordensschwester Justin, der Revolution (und einem katholischen Revolutionär [ein wenn überhaupt nur ganz am Rande erwähnter Sachverhalt!]) in Liebe zugetan, auf neuen Lebenssinn. Ihre bedrohte Missionsstation an der Karibikküste erhält Besuch: Ein Anthropologe aus Bosten wird von alten CIA-Bekannten aus dem Vietnamkrieg dazu missbraucht, die Mission und ihre Rolle im marxistischen Guerilla-Milieu auszuforschen. Und ein drogensüchtiger Fahnenflüchtiger der amerikanischen Coast Guard nähert sich der Küste auf einem Schmuggelschiff mit Konterbande: Waffen für die Revolutionäre.
    Auf dem Höhepunkt der spannenden Handlung, während des Revolutionsversuchs, verstricken sich die Schicksale der Protagonisten zu einer Tragödie unerfüllbarer Träume und verratener Liebe.
    Der Roman erschien zuerst 1981 bei Alfred A. Knopf in New York unter dem Titel „A Flag for Sunrise“. Die deutsche Übersetzung von Benjamin Schwarz erschien 1986 unter dem Titel „Das Geschrei deiner Feinde“ bei Rowohlt in Reinbek bei Hamburg. Die hartgebundene Ausgabe hat einen Seitenumfang von 552 Seiten. Dem Roman ist als Motto der letzte Bibelvers des 74. Psalms vorangestellt: „Vergiss nicht das Geschrei deiner Feinde; das Toben deiner Widersacher wird je länger, je größer.“ Der 74. Psalm beschreibt die Klage über das verwüstete Heiligtum.
    Ein faszinierender Roman über die nach und nach zusammengeführten Schicksale von vier deplatzierten US-Amerikanern in einem fiktiven mittelamerikanischen Staat kurz vor einem Staatsstreich. Vier runde, interessante Charaktere und wie sie sich in einem politisch angespannten Milieu verhalten, was meint: moralisch verhalten. Es ist ein moralischer Roman, ein Roman der Ideen. Kein Roman, in dem Ideen diskutiert werden, sondern in dem sich Ideen über die gelebten Ansichten der Figuren in Interaktion übertragen oder nicht übertragen. Was tut man dafür, für seine Ideen einzustehen und sie zu verwirklichen? Was tut man dafür, das Scheitern von Hoffnung zu verhindern? Im Grunde geht es darum, welchen Nutzen ein jeder hat. Wobei die Betonung auf Nutzen liegt, nicht auf Wert. Es geht nicht um Menschenwürde, sondern um Nützlichkeit. Auf die Spitze getrieben in Notsituationen.
    Alle Figuren müssen sich die Frage stellen, wie sie für einen guten Ausgang der Lage, in der sie sich befinden, nützlich sein können. Ist das, was sie tun, für jene Menschen, deren Haltung sie teilen, oder mit denen sie – wenn auch nur temporär – in einer Gemeinschaft verbunden sind, ein Gewinn? Dazu müssen sich die Figuren erst einmal darüber klar werden, welche Haltung sie denn überhaupt einnehmen. In dieser angespannten Situation, in der Fremde, voller Bespitzelung und militärischer Überwachung: Ausnahmezustand und Revolutionsgeklirre. Über jeden kursieren Gerüchte. Jeder kann vereinhamt werden. Jeder kann zu Befragungen und Folter abgeholt werden. Um sich über die eigenen Ansichten klar zu werden, muss man sich notgedrungen auch einmal mit Politik beschäftigen, selbst wenn es die Politik eines fremden Landes ist. Auch wenn dem einzelnen US-Amerikaner die Lage in Mittelamerika egal sein mag, strecken im Hintergrund die nordamerikanischen Geheimdienste und Wirtschaftskreise schon die Fühler aus. Weswegen die Lage eigentlich keinem noch so fremden Privatmann aus dem Norden egal sein dürfte... Aber gut.
    Manche der Romanfiguren adeln ihre Irrwege dadurch, dass sie eine Vorbestimmung zu erkennen glauben, bei anderen erwacht unter Druck die Loyalität zu einer Tätigkeit, die zu befolgen sie gelobt haben, auch wenn der eigene Bezug gerade dabei war, sich für immer zu verabschieden. Wenn wirklich alle glauben, du unterstütztest die Gegenseite, bleiben dir gegebenenfalls nur noch wenige Handlungsoptionen. Andere wollen sich nicht aus der Beobachterrolle drängen lassen und werden doch immer weiter genötigt, sich zu positionieren: entweder zu spionieren oder zu verraten. Sag ihnen,was sie hören wollen oder sag ihnen meinetwegen irgendwas: Dein Nutzen liegt in deiner Rolle als Informant, die Qualität der Information wird später bemessen. Aber verrate nicht die, die du liebst! Oder liebst du vielleicht nur dich selbst in der Rolle als Liebender? Eine Rolle, die man leichter abstreifen kann als politische Gesinnung?
    Der Roman ist relativ schwere Kost, aber leicht zu lesen, wenn man einfach einmal zuhört und nicht ständig etwas erwartet. Alles, was passiert, beschreibt die Figuren und führt ihre Wege mehr oder weniger eng zusammen, da muss man nicht in jedem Kapitelchen brav die Sprossen der Leiter aufgezeigt bekommen, die einen zur Auflösung der Geschichte hinführen. Faszinierende Lektüre, weil hier nicht einfach nur Charaktere ins Rennen geschickt werden, die platt eine dramaturgische Absicht erfüllen sollen (X verhält sich auf eine Weise, damit Y darauf auf andere Weise reagiert, Zs Verhalten schafft Situation 1, aus der Y als Gewinner herausgeht, was die neue Situation 2 ermöglicht). Als Leser muss man sich völlig in die Hand des Autors begeben. (Mancher mag sich da alleingelassen fühlen!) Man erlebt, wie sich Figuren mit ihren Wesenszügen in zugespitzten Situationen verhalten. Worauf all ihre Gespräche und Begegnungen, all die geschilderten Vorgänge hinauslaufen, ist dabei völlig offen. Jedes Vorwissen über Storyschemata wird einem kaum helfen. Insofern ist der Roman eine Abhandlung über Moral getarnt in Gestalt einer völlig entkernten Abenteuergeschichte (der Vorstoß in die Fremde, Freiheitssinn, dubiose Verstrickungen und dunklte Gestalten, Geheimdiensttätigkeiten und ein großes, dramatisches Maß an Seefahrerei!) - und in dieser Anlage Vorbildern wie Graham Greene („Der stille Amerikaner“) oder Joseph Conrad („Nostromo“) tatsächlich sehr ähnlich. Großartige Dialoge und lebendige Charaktere, eine offene Erzählstruktur, langsam zwischen den Figuren hin- und herwandernd, eine immer bedrohlicher werdende, fast klaustrophobische Untergangsstimmung. Wenn man mag auch ein Buch über Opferbereitschaft: Sich einer Sache völlig hingeben! Sei es im Dienst an Gott, hineingerutscht in die Revolution, als schnöder Spitzel oder als drogenabhängier Glücksritter auf Sinnsuche, der irgendwann nur noch den Diamanten zu seinem Sohn nach Hause bringen möchte. Die Notwendigkeit, Haltung zu beziehen. Aber auch ein Traum und wie er sich in einen Albtraum verwandeln kann.
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Ausgaben von Das Geschrei deiner Feinde

Hardcover

Seitenzahl: 576

Taschenbuch

Seitenzahl: 551

Besitzer des Buches 2

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