Viribus Unitis: Der Kaiser und sein Hof

Buch von Martina Winkelhofer

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Viribus Unitis: Der Kaiser und sein Hof

Repräsentationsbühne und privates Rückzugsgebiet des Kaisers, Hofbälle und Empfänge, Hofbeamte und Diener, Skandale und Korruption - der Hof unter Kaiser Franz Joseph war ein eigenes Universum mitten in Wien, in dem mehr als 1500 Menschen lebten und arbeiteten. Damit Verwaltung, Organisation und Repräsentation dieses Großunternehmens »wie geschmiert« liefen, musste täglich aufs Neue ein perfekt funktionierendes Räderwerk in Gang gesetzt werden. Kaiser Franz Joseph war aber nicht nur Hausherr des ältesten und vornehmsten Hofes Europas, er war auch Vater und Patriarch für seine Hofstaatsbediensteten - besonders für die untersten sozialen Schichten. Er garantierte Versorgung für die Schwächsten und war dabei erstaunlich modern: Sozialpläne, Stipendien, kostenlose medizinische Versorgung und sogar ein Ganztagskindergarten zeigen, dass der Hof moderner war als man je für möglich gehalten hat. Erstmals wurden die Akten der Hofverwaltung im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv für dieses Buch ausgewertet, das lebendig und farbig von den Menschen am Hof erzählt.
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Bewertungen

Viribus Unitis: Der Kaiser und sein Hof wurde bisher einmal bewertet.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Viribus Unitis: Der Kaiser und sein Hof

    Worum es geht
    Gegenstand dieses Buches ist die wissenschaftliche Untersuchung des Wiener Hofes, dessen Aufbau und der Ablauf des Hofalltags zur Zeit des am längsten regierenden Herrschers der Habsburgermonarchie. Es ist eine Schicksalsgemeinschaft von 1500 - 2000 Personen, die mit und unter Kaiser Franz Joseph gelebt und gearbeitet haben. Von den Menschen, die diese Institution mitgetragen haben, weiß man heute fast nichts mehr. Als wichtige Zeitzeugen wurden sie zu ihrer Arbeit und ihrem Leben bei Hof nie befragt, weil in den schweren Jahren nach dem Untergang der Monarchie ganz andere Interessen vorherrschten. Vom Hofalltag wurden weder zeitgenössische Erinnerungen noch Fotografien hinterlassen, und nach 1918 verschwand auch die Weitergabe des Wissens, das die Hofführung erst ermöglichte.
    Die Autorin konnte sich deshalb nur auf das historische Gedächtnis des Hofes und seiner Lebenswelt, des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchives verlassen. Akribisch hat sie diese Quellen erforscht, und ein ungewöhnlich facettenreiches, lebendiges und wissenschaftlich fundiertes Bild des kaiserliches Hofes erstellt. Darüber hinaus ist es der Historikerin gelungen, ein neues Bild Franz Josephs zu entwerfen, und das bis heute gerne kolportierte Klischee eines starren Herrschers zu widerlegen. Aber auch so manche nette Anekdote, wie beispielsweise die von der kaiserlichen Tafel ins "Sacher" stürzenden hungrigen Erzherzöge, hält der unvoreingenommenen Überpüfung nicht stand.
    Wie es mir gefallen hat
    Besonders gut gefallen hat mir der Aufbau des Buches, das mit einem Tag am Hof des alten Kaisers beginnt. In diesem Kapitel wird das genau geregelte und anstrengende Pflichtprogramm, das Franz Joseph tagtäglich von 4 Uhr morgens bis nach 8 Uhr abends absolvierte, beschrieben, und der Leser fragt sich, ob er mit seinem bisherigen Bild des Kaisers als erstem Hofbeamten, versunken in einem Berg von Akten, als unnahbarem Vorgesetzten und strengem Familienoberhaupt nicht doch goldrichtig liegt.
    Im Verlauf der weiteren Lektüre tritt jedoch Erstaunliches und durchaus Unbekanntes zutage. Entgegen der weit verbreitenden Ansicht, dass der Kaiser Reformen äußerst skeptisch gegenüberstand, musste gerade Franz Joseph im Laufe seiner 68 Jahre währenden Regierungszeit mit mannigfaltigen Veränderungen zurechtkommen. Dazu gehörten der Verlust der italienischen Provinzen, die Autonomie Ungarns, die Einführung einer konstitutionellen Monarchie, sowie der Verlust der Führungsrolle Österreichs im Deutschen Bund. In seinen letzten Lebensjahrzehnten hatte der Kaiser zudem eine Reihe persönlicher Schicksalsschläge zu verkraften.
    Bereits der junge Kaiser, der 1848 ein Relikt aus dem 18. Jahrhundert übernommen hatte, einen Hof, der sich in einem desaströsen finanziellen und administrativen Zustand befand, sah sich gezwungen, die tiefgreifendste Reform der letzten 200 Jahre in Angriff zu nehmen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Franz Joseph in seinen ersten Regierungsjahren aufgrund seines harten Vorgehens gegen die revolutionären Aufständischen äußerst unbeliebt war, und daran sollte sich durch die militärischen Niederlagen Österreichs bis 1866 auch nichts ändern. Mit der verlorenen Schlacht von Königgrätz setzte auch ein innenpolitischer Dominoeffekt ein, bei dem kein Stein auf dem anderen blieb, doch an dessen Ende stand eine völlig neue Positionierung des kaiserlichen Hofes. Eingeleitet wurden diese Veränderungen durch die Einsetzung eines neuen Obersthofmeisters, des Prinzen Konstantin Hohenlohe-Schillingsfürst. Unter seiner Leitung gelang nicht nur die Verwandlung zum modernen Verfassungsstaat, mit Hohenlohe beginnt auch für den Hof Franz Josephs ein goldenes Zeitalter. Der Obersthofmeister löste einerseits dringende Finanzprobleme, begann andererseits aber auch ein umfassendes Reformwerk, indem er die Beschäftigungsverhältnisse auf eine zeitgemäße Grundlage stellte, und die Hofbediensteten endlich in ein modernes Besoldungssystem eingliederte.
    Mit seiner Gattin Marie stand ihm eine kongeniale Partnerin zur Seite, die, hochgebildet und belesen, legendäre Bälle, Soireen und Diners veranstaltete, und den Platz der häufig abwesenden Kaiserin im gesellschaftlichen und kulturellen Leben Wiens einnahm.
    So streng sich der Kaiser in der Pflichtauffassung nicht nur gegen die Hocharistokratie, sondern auch gegen eigene Familienmitglieder zeigte, so milde erwies er sich im Umgang mit der Dienerschaft. Dieses Verhalten resultierte sicher aus seinem patriarchalischem Herrschaftsverständnis, das den Hofbediensteten lebenslangen Schutz und soziale Sicherheit gewährleistete. Der Kaiser gab diese Versorgungstradition zeitlebens nicht auf, obwohl die Arbeitsleistung der Dienerschaft oft nicht durch Leistung definiert war. Trotz zahlreicher Verwarnungen und Disziplinarverfahren gab es kaum Entlassungen, über fehlende Arbeitsmoral, Alkoholismus und sogar Diebstahl wurde großmütig hinweg gesehen.
    Die Autorin kann des weiteren belegen, dass sich der Kaiser entgegen der gängigen Meinung sehr wohl für das Ressort Kunst und Kultur interessierte, und auch die Funktion der berüchtigten Hofkamarilla kann ins Reich der Gerüchte verwiesen werden. Kaiser Franz Joseph sei von Jugend an absolut beratungsresistent gewesen, und habe auf Überschreitung diverser Kompetenzen äußerst empfindlich reagiert. Persönlichen Einfluss hatte auf ihn außer der Kaiserin niemand, nicht einmal engste Angehörige. Diese Isolierung auch innerhalb der Familie verstärkte sicher die Vereinsamung im Alter, doch Franz Joseph war im Bewusstsein erzogen worden, dass die Würde des Hauses nur durch Unnahbarkeit demonstriert werden konnte. Der Kaiser wandte sich auch niemals direkt an seine Untergebenen, sondern kommunizierte mit den unteren Ebenen nur über seine ranghöchsten Beamten. Größter Wert wurde auch darauf gelegt wurde, dass der Hof weder durch politische noch durch private Informationen über seine Bewohner Gegenstand des öffentlichen Gesprächs wurde. Trotz der Zensur bestand das Problem, dass Hofinterna in den Zeitungen landeten, bis zum Ende der Monarchie.
    Gegen Ende des Jahrhunderts sorgten einige jüngere Familienmitglieder für Skandale, doch der Kaiser zeigte für individuelle Lebenskonzepte nicht das geringste Verständnis. Für ihn stand die Pflicht über allen persönlichen Wünschen, hatte er doch zugunsten seiner Dynastie auf jegliches Privatleben verzichtet. Er lebte nur mehr für den Erhalt der Monarchie, und sogar am letzten Tag seines Lebens bat er seinen Leibdiener, ihn am nächsten Morgen wie gewohnt zu wecken, da er mit seiner Arbeit nicht fertig geworden sei.
    Viel Interessantes und Wissenswertes erfährt der Leser in diesem bemerkenswert Buch über den Aufbau des Hofes und dessen Finanzierung, über seine Beamten, Hausoffiziere und Diener, aber auch über die streng hierarchisch aufgebaute Hofgesellschaft, und gesellschaftliche Verpflichtungen des Kaisers, der einen großen Teil seiner späteren Beliebtheit sicher seiner persönlichen Anspruchslosigkeit und seinen höflichen Umgangsformen verdankt.
    Über die Schicksalsjahre 1866/67 weiß die Autorin genauso spannend zu berichten wie über die "goldenen Jahre" am Wiener Hofe, über die Bedeutung von Kunst und Kultur, das Privatleben der kaiserlichen Familie, aber auch über Skandale bei Hof und den Zeitenwechsel, der die letzten Jahre unter Kaiser Franz Joseph einläutet, sowie das Ende des Hofes mit dem Untergang der Monarchie.
    Gerne bin ich der Autorin an den Hof Franz Josephs gefolgt, und habe dabei durchaus unbekannte Seiten des Herrschers, aber auch der Organisation dieser kleinen, eigenen Welt innerhalb der Haupt-, Reichs- und Residenzstadt, kennengelernt. Lebhaft kann man sich das Treiben bei Hofe vom frühen Morgen bis zum späten Abend vorstellen, den engen Lebensraum, in dem sich die Wohnung einer Hofdame durchaus neben dem Zimmer einer Küchenmagd befinden konnte. Und doch bot die Arbeit bei Hof, selbst wenn sie nicht gut bezahlt wurde, die Chance auf eine lebenslange Anstellung, Versorgung im Alter, medizinische Betreuung der ganzen Familie, und darüber hinaus auch die Aufnahme der Kinder in den Hofdienst, während die Elendsviertel in und um Wien wuchsen.
    Für mich zählt diese Arbeit zu einem wichtigen Zeitdokument, das für die Nachwelt aufgrund einer reich vorhandenen Quellenlage hervorragend und gut verständlich aufbereitet wurde. Leicht lesbar zeigt es das authentische Bild einer längst vergangenen Epoche, in der das patriarchalische Prinzip mit dem Verständnis eines beschützenden und versorgenden Kaiservaters zu einer Einheit verschmilzt.
    Nicht zuletzt fand ich auch den gewählten Titel des Buches sehr passend, denn getreu dem Wahlspruch Franz Josephs war wohl auch das komplizierte Räderwerk des Hofes nur "mit vereinten Kräften" am Laufen zu halten.
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Ausgaben von Viribus Unitis: Der Kaiser und sein Hof

E-Book

Seitenzahl: 272

Hardcover

Seitenzahl: 272

Update: