Horns Ende

Buch von Christoph Hein

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Horns Ende

Thomas war damals noch fast ein Kind, aber an die Ereignisse im verschlafenen Bad Guldenberg, während des Sommers 1957, erinnert er sich genau: wie er sich bei den Zigeunern verdingte und dafür von seinem Vater, dem Apotheker, bestraft wurde und wie er seine erste, schüchterne Liebe zu Elske erlebte. Aber auch andere erinnern sich: Bürgermeister Kruschkatz, Dr. Spodeck, der alteingesessene Arzt, und die sanfte Krämersfrau Gertrude Fischlinger. Und da ist auch Marlene, die nur durch den Opfertd ihrer Mutter den faschistischen Terror überlebt hat. Sie alle tragen ihren Teil bei zur Erinnerung an jenen Sommer, als Zigeuner ihr Lager mitten in der Stadt aufschlugen, als eine Untersuchungskommission vom Bezirk kam und Horn sich das Leben nahm. »Ein meisterhafter Roman«, urteilte Hans Ulrich Probst in seiner Laudatio zum Solothurner Literaturpreis 2000, »den ich für eines der wichtigsten Bücher aus 40 Jahren DDR-Literatur überhaupt halte.«
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Bewertungen

Horns Ende wurde insgesamt 3 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Horns Ende

    Verlagstext
    Thomas war damals noch fast ein Kind, aber an die Ereignisse im verschlafenen Bad Guldenberg, während des Sommers 1957, erinnert er sich genau: wie er sich bei den Zigeunern verdingte und dafür von seinem Vater, dem Apotheker, bestraft wurde und wie er seine erste, schüchterne Liebe zu Elske erlebte. Aber auch andere erinnern sich: Bürgermeister Kruschkatz, Dr. Spodeck, der alteingesessene Arzt, und die sanfte Krämersfrau Gertrude Fischlinger. Und da ist auch Marlene, die nur durch den Opfertd ihrer Mutter den faschistischen Terror überlebt hat. Sie alle tragen ihren Teil bei zur Erinnerung an jenen Sommer, als Zigeuner ihr Lager mitten in der Stadt aufschlugen, als eine Untersuchungskommission vom Bezirk kam und Horn sich das Leben nahm.
    »Ein meisterhafter Roman«, urteilte Hans Ulrich Probst in seiner Laudatio zum Solothurner Literaturpreis 2000, »den ich für eines der wichtigsten Bücher aus 40 Jahren DDR-Literatur überhaupt halte.«
    Der Autor
    Christoph Hein wurde am 8. April 1944 in Heinzendorf/Schlesien geboren. Nach Kriegsende zog die Familie nach Bad Düben bei Leipzig, wo Hein aufwuchs. Ab 1967 studierte er an der Universität Leipzig Philosophie und Logik und schloss sein Studium 1971 an der Humboldt Universität Berlin ab. Von 1974 bis 1979 arbeitete Hein als Hausautor an der Volksbühne Berlin. Der Durchbruch gelang ihm 1982/83 mit seiner Novelle »Der fremde Freund/Drachenblut«. Hein wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Uwe-Johnson-Preis und Stefan-Heym-Preis.
    Inhalt
    Fünf Icherzähler berichten aus mehr als 20 Jahren Distanz rückblickend, wie es in den 50ern zum Selbstmord des Museumsleiters Horn in Bad Guldenberg/Ostdeutschland kam, der des Revisionismus verdächtigt war und deshalb in den kleinen Kurort versetzt wurde. Es sind drei Erwachsene, die den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg bewusst miterlebt haben müssen, (der Arzt Dr. Spodeck, Gertrude Fischlinger, allein erziehende Mutter von Paul, Ladeninhaberin und Vermieterin von Horn, der neue Bürgermeister Kruschkatz), ein Kind und eine geistig behinderte junge Frau. Thomas, der Sohn des Apothekers, ist im Sommer 1957 mit 11 Jahren am Beginn der Pubertät und leidet darunter, als Kind einer stadtbekannten Familie im Mittelpunkt zu stehen. Marlene Gohl hat trotz einer geistigen Behinderung die Tötung Behinderter während der NS-Zeit überlebt. Die damals noch immer schlechte Versorgung mit Konsumgütern in der DDR zeigt sich daran, dass bestimmte Artikel nur gegen Lebensmittelmarken abgegeben werden. Durch eine Großfamilie von „Zigeunern“, die im Ort lagert, eskalieren alte Konflikte zwischen Einwohnern und der politischen Führung, die aus gewählten Mitgliedern und Berufsstadträten besteht.
    Die sehr unterschiedlichen Erzähler berichten nüchtern, fast im Protokollstil. Als Leser muss man sich die Ereignisse und die Verbindungen zwischen den Figuren nach und nach zusammenreimen. Heins Figuren äußern sich gegenüber ihren Mitbürgern häufig herablassend und voller Vorurteile. Mehr kann man vermutlich nicht erwarten, wenn alte Köpfe ein neues System organisieren müssen. Nach 12 Jahren in einem Staat, der sich für unbelastet vom Nationalsozialismus erklärte, befremdet, wie ungebrochen sich – hier in der Fiktion - Denunziation halten konnte im Kampf um Posten und Vorteile.
    Aus der Sicht eines Wessis kenne ich die geschilderten Verhältnisse von Familienbesuchen. Auf mich wirkt der Roman wie ein Theaterstück, konzentriert auf wenige Szenen und Figuren, in dem mit der Zigeunergruppe ein anarchistisches Element auftritt, das den bürokratisch-totalitären Staat provoziert. Das Zigeunermotiv konkurrierte in meinem Kopf mit den Bildern meiner Kindheit von reisenden Scherenschleifern, Altmetall- und Teppichhändlern, die einfach ihren Berufen nachgingen. Ich konnte im Roman nur schwer nachvollziehen, wo das Problem mit den "Zigeunern" sein soll, war mir jedoch bewusst, dass der beschriebene Staat 4 Jahre später Reisende mit Mauern und Schussanlagen abwehrte.
    Von Rückblicken in der Ichperspektive erwarte ich sonst eine Selbstkritik der Figuren, die ich hier nicht gefunden habe. Die charakteristischen Probleme der 50er in der DDR (Abbau der Produktionsanlagen durch die Besatzungsarmee, Flucht der Fachkräfte nach Westdeutschland und sich daraufhin weiter verschlechternde Versorgungslage) bleiben auf Heins Theaterbühne nur angedeutet. Arzt, Apotheker und Politiker sind nicht gerade charakteristische Berufe; aus der Arbeitswelt des Durchschnittsbürgers erfährt man als Leser kaum etwas. Gerade Gertrude steht doch mit ihrem Laden im Fadenkreuz von Enteignung und Zwangskollektivierung Selbstständiger und Schwächen der Planwirtschaft. Geschildert wird eine reine Männerwelt, in der Frauen als Ehefrauen und Assistentinnen kurz durchs Bild huschen. Da in den 50ern eine ganze Generation von Männern im Krieg gefallen war, noch vermisst wurde oder versehrt zurückkehrte, finde ich die Darstellung von Frauen in „Horns Ende“ nicht gerade treffend für die Zeit. Christine, Spodecks Arzthelferin, verkörpert aus meiner Sicht ein Abhängigkeits-Verhältnis von Herr und Knecht, das das DDR-System mit der Vertreibung und Enteignung ehemaliger Gutsherren eigentlich überwinden wollte.
    Fazit
    Das Rätseln, was zu Horns Tod führte, hat mir durchaus Spaß gemacht. Um von „Horns Ende“ gefesselt zu sein, hätte Thomas für meinen Geschmack seine kindliche Perspektive von damals allerdings aus der Sicht des Erwachsenen reflektieren müssen. Wer beim Erscheinen des Romans 1985 die DDR nicht aus eigener Anschauung kannte, wird bereits damals Verständnisprobleme gehabt haben; 30 Jahre später rätsele ich umso mehr, was Hein mit dem Roman vermitteln wollte.
    (26.6.2018)
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  • Rezension zu Horns Ende

    Zum Inhalt:
    Fünf sehr verschiedene Erzähler erinnern sich Anfang der 1980er Jahre an ein Ereignis, das ein Vierteljahrhundert zurückliegt. Am 1. September 1957 brachte sich der Leipziger Historiker Dr. Horn im Wald nahe bei der Kleinstadt Guldenberg im Kreis Wildenberg um.
    Über acht Kapitel hinweg kommen Einwohner aus Guldenberg in 39 Beiträgen zu Wort. (...) Die Erzähler sind
    - Dr. Spodeck, behandelnder Praktischer Arzt Horns,
    - Thomas, 12-jähriger Sohn des Apothekers Puls, Paul Fischlingers Freund,
    - Gertrude Fischlinger, Pauls Mutter, Horns Zimmervermieterin,
    - Kruschkatz, Bürgermeister, ehemals Historiker in seiner Heimatstadt Leipzig und
    - Marlene Gohl, (...) Tochter des Kunstmalers Gohl.
    (...)
    (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Horns_Ende, gekürzt; die Inhaltsangabe bei amazon finde ich vom thematischen Schwerpunkt her irreführend und z.T. verrät sie schon zuviel)
    Meine Meinung:
    Ich habe diesen Roman gern gelesen und bin sehr froh, auf dieses Stück DDR-Literatur gestoßen zu sein.
    "Horns Ende" ist kein Buch, das man mal eben geschmeidig wegschmökern kann. Dafür sorgen zum einen die unterschiedlichen und ständig wechselnden Erzählperspektiven, in die man sich erst einmal hineinversetzen und aus deren Berichten man sich scheibchenweise das Geschehen und seine ProtagonistInnen zusammensetzen muss. Zum anderen bleibt auch vieles in diesem Roman ungesagt, nur angedeutet oder gänzlich offen - für meinen persönlichen Geschmack zu viele lose Fäden.
    Fasziniert hat mich die Darstellung des Gefangenseins der Figuren in Zwängen verschiedener Art; allen voran natürlich durch die politisch-gesellschaftliche Situation in der DDR, wo der Druck, sich anzupassen, und das Denunziantentum der Nazizeit - nur unter anderen Vorzeichen - munter weiter "gepflegt" wurden. Unter diesem Aspekt bietet der Roman scharfsichtige Einblicke in ein beklemmendes Stück Zeitgeschichte. Insbesondere das Geschehen um den abgesägten Historiker Horn, wenn auch nicht alles offengelegt wird, zeigt den Irrsinn des Überwachungs- und angestrebten Gleichschaltungssystems der DDR auf.
    Eine kritischere Sicht der erzählenden Figuren auf das Geschehen 30 Jahre zuvor hat mir gefehlt, v.a. bei Thomas, dessen Wahrnehmung die eines Kindes war und von dem man im Nachhinein nun wirklich ein wenig Reflexion hätte erwarten können. Die Kapitel um Kruschkatz und Dr. Spodeck hätten auch gern zugunsten von Marlene und Gertrude Fischlinger gekürzt werden können, deren Lebensumstände und -perspektiven mich viel mehr interessiert hätten, als der Roman hier Einblick gewährt.
    Insgesamt kann ich die Lektüre des Romans allen LeserInnen, die an den Lebenswelten in einem totalitären Regime interessiert sind, nur empfehlen, auch wenn insbesondere das weitgehend offene Ende des Romans mich persönlich ein wenig unzufrieden hinterlassen hat. Ich kann nachvollziehen, wie es dazu kommt, denn das Buch ist auf jeden Fall auch ein Lehrstück über das Schreiben von DDR-AutorInnen, die, wenn sie regimekritisch schreiben wollten, ständig den Spagat meistern mussten, dass ihre Texte deutlich genug sein sollten, um ihren Anliegen zu entsprechen, aber verschlüsselt / verschleiert genug, um dennoch die Zensur zu passieren. Das führt zu einer Dichte von Andeutungen, Zweideutigkeiten und Leerstellen, bei denen ostdeutsche LeserInnen sich schon gewohnheitsgemäß ihren Teil denken konnten, die sich aber westlich sozialisierten LeserInnen sicher nur schwer erschließen. Bei mir als DDR-Kind wurden sofort altbekannte Beklemmungen ausgelöst, verbunden mit der großen Erleichterung darüber, dass dieser Staat vor knapp 30 Jahren sein Ende gefunden hat.
    Interessant ist bei diesem Buch auch die Veröffentlichungsgeschichte - war es doch offenbar der einzige systemkritische Roman, der trotz ausdrücklichen Verbotes noch zu DDR-Zeiten (1985) bei Volk und Wissen aufgelegt wurde bzw. seine kleine DDR-Auflage einem widerspenstigen Mitarbeiter (Drucker?) verdankte. Mir war bisher nicht bekannt, dass so etwas überhaupt möglich war. Auch dies wirft ein eindrückliches Licht auf die beinahe alles erfassenden Kontrollmechanismen in der DDR.
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Ausgaben von Horns Ende

Taschenbuch

Seitenzahl: 272

Hardcover

Seitenzahl: 320

Besitzer des Buches 8

Update: