Mister Pip

Buch von Lloyd Jones, Grete Osterwald

Bewertungen

Mister Pip wurde insgesamt 3 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,2 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Mister Pip

    Bougainville, eine kleine Insel im pazifischen Ozean, deren Name ich bisher eher mit der ebenfalls nach ihrem Namensgeber benannten Pflanze Bougainvillea in Verbindung brachte, ist der Schauplatz dieses Romans, der sich vor dem realen Hintergrund des dortigen, von der Weltöffentlichkeit fast unbemerkten Bürgerkrieges abspielt. Tausende von Menschen starben damals, darunter viele Zivilisten, unter anderem auch infolge der Blockade, die das Eiland von sämlichen Lieferungen incl. Lebensmittel und Medikamente abriegelte.
    Auch Mathilda, ein 'dünnes vierzehnjähriges Ding', spürt die Auswirkungen. Von ihrem Vater, der in Australien arbeitet, bekommen sie und ihre Mutter keine Nachrichten mehr und alle Ausländer verlassen nach und nach die Insel, so auch ihre Lehrerin. Lediglich der etwas schrullige Mr. Watts mit seiner einheimischen Frau Grace bleiben und nach einiger Zeit bietet er sich als Lehrer für die verbliebenen Kinder an. Sein 'Hauptprojekt' ist das tägliche Vorlesen eines Kapitels aus 'Große Erwartungen' von Charles Dickens, dem 'größten Roman des größten englischen Schriftstellers aus dem 19. Jahrhundert'. Nicht nur Mathilda ist begeistert, doch für sie wird der Waisenjunge Pip, die Hauptfigur, zu einem richtigen Freund und sie lernt zum ersten Mal in ihrem Leben eine neue Welt kennen - sehr zum Missfallen ihrer gottesfürchtigen Mutter. Doch es bleibt nicht bei den verhältnismäßig kleinen Unstimmigkeiten: Der Bürgerkrieg rückt in ihrem Dorf ein in Form einer Gruppe von Soldaten...
    Jones beschreibt im Namen der 14jährigen Mathilda in bedachtsamer und aufmerksamer Form, was Literatur im Menschen bewirken kann: Wie die Phantasie sich Bahn bricht, fiktive Gestalten immer realere Formen annehmen im Guten wie im Schlechten und dass das Zurückziehen in seine eigene Gedankenwelt dennoch Kraft, Hoffnung und Trost geben kann - gerade in schlimmen Zeiten. Ein schönes Buch, das zum Lesen animiert - und besonders zum Lesen der 'Großen Erwartungen' ;-)
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  • Rezension zu Mister Pip

    Originaltitel: Mister Pip
    (Shortlisted für den Man Booker Prize 2007)
    Bougainvillein den frühen 90ern: auf der papa-neuguinesischen Insel tobt ein Bürgerkrieg um die Unabhängigkeit der Insel. Geschildert wird das Leben in einem kleinen Dorf in Strandnähe. Das Mädchen Matilda berichtet im Rückblick von ihren Erfahrungen in dieser Zeit und erzählt mit einer kindlichen Färbung. Die große Politik des Landes berührt den Dorfalltag lange Zeit nicht, doch als zunächst eine Truppe regierungstreuer Truppen (Redskins) auftaucht und wenige Zeit später eine Gruppe Revolutionäre (Rambos) ihr Lager im nahe gelegenen Dschungel aufschlägt, kommt es zu dramatischen Ereignissen, das nicht nur Matildas Leben verändert.
    Matildas Held wird ihr Lehrer Mr "Pop-Eye" Watts, der als einziger Weißer mit seiner einheimischen Frau Grace im Dorf wohnt. Er zieht nicht nur wegen seiner Hutfarbe die Aufmerksamkeit der Nachbarn auf sich, sondern auch wegen eines rätselhaften Schauspiels, das sich in unregelmäßigen Abständen im Dorf abspielt: gelegentlich setzt "Pop-Eye" eine rote Clownsnase auf, stellt seine Frau Grace auf einen Bollerwagen und zieht sie wie bei einer Parade durch das Dorf. Alle fragen sich, was damit auf sich hat. Doch auch als Mr Watts beginnt, die Kinder des Dorfes zu unterrichten, erlaubt es ihnen ihre Höflichkeit nicht, nach dem Grund zu fragen. Doch Mr Watts wichtigster Lehrinhalt lenkt sie bald von dieser Absonderlichkeit ab. Er bietet ihnen eine Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen und mit ihm gemeinsam ins England des 19. Jahrhunderts zu flüchten: täglich liest er ihnen einen Abschnitt aus Charles Dickens "Große Erwartungen" vor. Als eines Tages das Buch verschwindet, ermuntert er die Kinder, sich Stück für Stück an das Werk zu erinnern und schreibt ihre Erinnerungen nieder. Leider zeigt sich, dass die gemeinsame Begeisterung das Dorfleben nicht nur bereichert, sondern auch einen Preis fordert...
    "Mister Pip" liest sich wie eine Hommage zu Dickens "Große Erwartungen" und überrascht immer wieder mit ungewöhnlichen Abwandlungen des Klassikers. Gemeinsam mit Matilda ordnet man den Bougainvillanern Rollen zu, ärgert sich mit ihr über die Engstirnigkeit ihrer Mutter, erfreut sich der Schönheit des Landes und lässt sich von Mr Watts Fantasie und Art gefangen nehmen. Mitunter schafft Lloyd Jones wunderschöne Sätze und Gedanken, z. B. wenn er den Unterricht der Kindern darum bereichert, dass ihre Verwandten ihre praktischen Lebenserfahrungen mit den Kindern teilen, weil Mr Watts feststellt, dass er nur einen sehr einseitigen Unterricht bieten kann. Insbesondere Matildas Mutter wird regelmäßiger Gast in diesen Stunden. Auf ihre umständliche, ungeschickte Art versucht sie, dem Dorfnachwuchs verständlich zu machen, wie wichtig es ist, an etwas zu glauben. Mitunter bin ich fast vor Mitleid zu ihr verflossen, weil ich sehr gut greifen konnte, was sie aussagen wollte und keine Möglichkeit fand, dies den Kindern auf eine interessante Weise nahe zu bringen. Andererseits ist sie auch etwas störrisch und starrköpfig, was sie schwer erträglich macht. Für mich beleben solche Charaktere Romane und ich habe sie letztendlich sehr ins Herz geschlossen. Insgesamt fiel es mir sehr leicht, mit den Figuren zu fühlen und mich von ihren Schicksalen mitreißen zu lassen.
    Besonders gut hat mir gefallen, dass Jones aufzeigt, wie wichtig Geschichten für das Aufwachsen und die Entwicklung sein können. Matildas Mutter z. B. versucht Matilda in die Familiengeschichte einzuweihen, indem sie ihrer Tochter eine Liste an Namen präsentiert, die sie auswendig lernen soll. Zur gleichen Zeit hat Mr Watts Matilda in die Lebensgeschichte von Pip und seinen Bekannten hineingezogen, die ihr wesentlich interessanter und kennenswerter erscheint als die eigenen Ahnen. Es kommt wie es kommen muss, Mutter und Tochter geraten in einen Streit und keiner gibt nach. Dabei wäre es so einfach gewesen, die Situation aufzulösen: hätte ihre Mutter mit jedem Namen eine Geschichte verbunden, wäre Matilda hellauf begeistert gewesen und hätte ihrer Mutter Löcher in den Bauch gefragt. Diese und ähnliche Denkansätze sind zwischendurch immer mal wieder zu finden. Auch wenn Jones keine konkreten Antworten bietet, kann man als aufmerksamer Leser einiges aus dem Roman herausziehen!
    Im "Ich-lese-gerade-Thread" hat Josef K. u. a. geschrieben:
    […]
    Wer hier romantisierte Realität erwartet, wird sicher enttäuscht sein. Was die Beseitigung wichtiger Figuren angeht, muss ich sagen, dass mir diese kurze brutale Art sehr unter die Haut ging, weil der Rest des Romans wie oben erwähnt von bildhafter, detaillierter und liebevoller Sprache geprägt ist. Dies gelingt Jones auch in solchen Situationen, in denen das Leben in der weißen westlichen Welt dem im Dorf in nichts entspricht (z. B. wie erklärt man Menschen, die in Holzhütten am Strand wohnen, was dicht an dicht stehende Gebäude einer Großstadt bedeuten inkl. deren Geruch, Enge und Anonymität dem Bekannten in nichts entspricht). Das ist sicher Geschmackssache. Was mir allerdings gefehlt hat, waren nähere Informationen über den bewaffneten Konflikt - bisher wusste ich gar nichts über den Bürgerkrieg in Bougainville und ein paar kurze Details im Nachwort wären hilfreich gewesen.
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Ausgaben von Mister Pip

Taschenbuch

Seitenzahl: 288

Hardcover

Seitenzahl: 288

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Besitzer des Buches 11

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