Vier Häuser und eine Sehnsucht

Buch von Eshkol Nevo, Anne Birkenhauer

Bewertungen

Vier Häuser und eine Sehnsucht wurde insgesamt 2 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,5 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Vier Häuser und eine Sehnsucht

    Noa und Amir, Mitte 20, sie angehende Fotografin, er Psychologiestudent, wagen das Experiment Zusammenleben und ziehen in eine kleine Mietwohnung in einer Siedlung unweit von Tel Aviv. Schnell merken sie, dass der gemeinsame Alltag seine Tücken hat. Sie fühlt sich eingeengt und fürchtet, ihre Kreativität einzubüßen, weil es ihr an persönlichem Freiraum fehlt, während er immer stärker an seiner Eignung für sein gewähltes Fachgebiet zu zweifeln beginnt und es wehtut, dass sich Noa immer wieder von ihm zurückzieht.
    Ihre Vermieter, Mosche und Sima, sind nur unwesentlich älter, aber schon ein gesetztes Ehepaar mit zwei kleinen Kindern. Sima liebt ihre Kinder, wünscht sich insgeheim aber manchmal auch mehr Freiheit und Ungebundenheit und ist überdies ziemlich genervt von Mosches strenggläubiger Verwandtschaft, die für sie immer nur Kritik übrig hat. Mosche sitzt zwischen den Stühlen, einerseits will er zu seiner Frau halten, spürt aber auch die Ansprüche seiner Herkunftsfamilie und ist hin- und hergerissen zwischen seiner Erziehung im Glauben und seinem viel weltlicher orientierten Leben mit Sima und den Kindern.
    In der Nachbarschaft lebt Jotam, dessen Bruder kürzlich bei einem Einsatz getötet wurde. Seine Eltern können den Verlust nicht verwinden und haben sich durch ihre sehr unterschiedliche Art zu trauern auseinandergelebt - der Vater vergräbt sich in Arbeit, die Mutter baut indessen zu Hause für den Toten einen Gedenkschrein und kann den Alltag nicht mehr bewältigen. Jotam kapselt sich von seinen Mitschülern ab und streift ziellos umher, wirkt mürrisch und wird verhaltensauffällig und will doch eigentlich nur verstanden und getröstet werden.
    Der Palästinenser Ssadeq arbeitet ein paar Häuser weiter auf der Baustelle, als ihm nach und nach aufgeht, dass er die Gegend kennt - er ist dort aufgewachsen, bevor der Staat Israel gegründet wurde und seine Familie ihr Haus verlor.
    Rund um das Haus von Mosche und Sima spielt sich die Handlung dieses faszinierenden Buches ab. Fast könnte man sagen, das Haus sei ein wichtiger Protagonist in dem Roman, der sich unter anderem damit beschäftigt, was ein Haus, ein Zuhause, ein Heim für seine Bewohner bedeutet und wie sehr wir ein geliebtes Zuhause auch noch Jahrzehnte später im Herzen tragen können.
    Es geht aber um noch mehr als nur das physische Zuhause: Wie kann Zusammenleben funktionieren? (Als Yitzhak Rabin erschossen wird, dringt auch das politische und gesellschaftliche Gewicht dieser Frage in die Handlung hinein - gerade in Israel nicht unwesentlich.) Was braucht es, um sich geborgen und heimisch zu fühlen? Kann man immer Kompromisse finden, die für beide Seiten taugen? Was, wenn Liebe allein nicht ausreicht, um einen gemeinsamen Alltag dauerhaft zu bewältigen?
    Mit viel Einfühlungsvermögen lässt uns Eshkol Nevo in die Welten seiner Protagonisten eintauchen. Dabei ist nicht gekennzeichnet, wer gerade erzählt, so dass der Einstieg zunächst ein wenig verworren wirkt (zumal manche Passagen auch in einer besonders poetischen Sprache, fast gedichtartig, verfasst sind, was mich anfangs leicht befremdet hat). Doch hat man sich erst einmal eingelesen und orientiert, entwickelt das Buch einen regelrechten Sog mit all den Fragen, die es aufwirft und all den so oft ungesagt bleibenden Dingen, die hier mit manchmal fast schmerzhafter Klarheit und Ehrlichkeit angesprochen werden. Hier ist nichts nur schwarz oder weiß, Nevo ist ein Meister der Zwischentöne und der Widersprüchlichkeiten, aus denen das Leben nun einmal besteht, und weiß sie wunderbar zu formulieren.
    Eine Empfehlung!
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Ausgaben von Vier Häuser und eine Sehnsucht

Taschenbuch

Seitenzahl: 448

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