Der Afrikaner

Buch von J. M. G. Le Clézio, Uli Wittmann

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Der Afrikaner

»Daher war der Aufenthalt in Ogoja für mich zu einem Kleinod geworden, zu einer strahlenden Vergangenheit, die ich nicht verlieren konnte. Und so erinnerte ich mich an die schimmernde rote Erde, die von der Sonnenhitze rissig gewordenen Wege, den Wettlauf barfuß über die Savanne zu den Festungen der Termitenhügel, das Heraufziehen des abendlichen Gewitters, die lauten, lärmenden Nächte, unsere Katze, die sich auf dem Wellblechdach mit Wildkatzen paarte, die Benommenheit, die der Fieberglut in den frühen Morgenstunden folgte, wenn durch das Moskitonetz kühle Luft hereindrang. Diese schwüle Hitze, dieses Brennen, dieses Beben.« Die für ihn fremde und zugleich magische Welt Afrikas, wie er sie als Achtjähriger 1948 auf einer Reise kennenlernte, sollte J.M.G. Le Clézio nie mehr loslassen. Eine Welt, deren Klänge und Farben, Freiheiten wie Gefahren er uns auf lebendige Weise näherbringt. Daneben erzählt er von seiner Familie und dem Verhältnis zu seinem Vater, dem er hier zum ersten Mal begegnete. ›Der Afrikaner‹ ist der faszinierende Bericht über eine Reise und die eigene Vergangenheit.
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Bewertungen

Der Afrikaner wurde insgesamt 6 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,9 Sternen.

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Meinungen

  • Rückerinnerung an Kindheit in Afrika und den Eltern des Autors.

    Farast

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Der Afrikaner

    Inhalt
    Für J.M.G le Clézio und seinen älteren Bruder wurde ihr abwesender Vater irgendwann zum Afrikaner. Wenn einem stets erzählt wird, der Vater arbeite in Nigeria als Arzt und könne wegen des Krieges nicht nach Frankreich zu Besuch kommen, kann man als Kind durchaus Zweifel an den Aussagen der Erwachsenen entwickeln. Le Clézios Vater stammte von der Insel Mauritius (das 1810–1968 zum britischen Weltreich zählte) und studierte in England Medizin. Aus einer momentanen Verärgerung über die britische Upper Class heraus meldet le Clézio senior sich spontan als Arzt für den Kolonialdienst in Guayana, später arbeitet er in Kamerun und Nigeria und verbringt sein gesamtes Berufsleben im Ausland. Seine Frau, die seine Cousine ist, lernt er in Kamerun kennen. Er wird nur zu seiner Hochzeit und zur Geburt seiner Kinder nach Frankreich kommen. 1948, als le Clézio 8 Jahre alt ist, reist die Mutter mit den Söhnen zu einem Besuch nach Nigeria. An diese Zeit pflegt der französische Autor eine in strahlendes Licht getauchte Erinnerung, was jedoch nicht für die übrige Biografie seiner Eltern gilt.
    Im Rückblick empfindet le Clézio die Ankunft in Afrika als seinen ersten Schritt ins Erwachsenenleben. Der Sohn erlebt seinen Vater schon bei diesem Besuch als verbrauchten und verbitterten Mann, der lebenslang Enttäuschungen eingesteckt und darüber geschwiegen hat. Vater le Clézio war als einziger Arzt für Tausende von Menschen zuständig, hat lebenslang gegen Amöbenruhr, Bilharziose und Pocken gekämpft und muss im Alter erleben, dass der Staat Nigeria ihn um seine Pension betrügen will.
    Im Rückblick des erwachsenen Autors überlagern sich die Erzählungen der Erwachsenen aus der Zeit vor dem Besuch mit seinen eigenen Bildern von Afrika. Heute kann er in bewundernswert versöhnlicher Art die Ereignisse seiner Kindheit aus der Perspektive seiner Eltern sehen. Für die Kinder unverständlich, folgt ihr Vater einer eisernen militärischen Disziplin, die ihm in Afrika Halt gibt und die er nun gegenüber den Söhnen durchsetzen will. Doch wenn der Vater sich auf den Weg zum Krankenhaus gemacht hat, werfen die Jungen die vom Vater vorgeschriebenen Wollstrümpfe und Schuhe weg, um gemeinsam mit den afrikanischen Kindern durch das Gras der Savanne zu rennen. Aus der Beengtheit einer winzigen Wohnung im sechsten Stock in Frankreich befreit und bisher nur von der Mutter und der sehr nachsichtigen Großmutter erzogen, löst das barfüßige Losrennen bei den Jungen ein überwältigendes Gefühl der Freiheit aus. Wenn man sich der Gefahren durch Krankheiten und giftige Tiere bewusst wird, deren Folgen der Vater als Arzt täglich zu behandeln hat, stellt sich das Beharren auf feste Schuhe natürlich ganz anders dar.
    Fazit
    Wenn le Clézio nicht den Nobelpreis für Literatur erhalten hätte, wäre ich vermutlich nie auf seine Bücher aufmerksam geworden – und das wäre ein Verlust gewesen. Auf knappen 124 Seiten schreibt le Clézio aus der Distanz des Erwachsenen eine Biografie seines bemerkenswerten Vaters und analysiert zugleich sein eigenes Verhältnis zu Afrika. Bewundernswert finde ich an diesem Buch das Maß an Selbstreflektion, mit dem der Autor seine Erinnerungen infrage zu stellen bereit ist; denn Erinnerungen können täuschen und mit den Augen eines Kindes sieht die Welt völlig anders aus.
    °°°°°
    Zitat
    „Die Tage, an denen wir durchs hohe Gras in Ogoja rannten, waren die ersten einer neu gewonnenen Freiheit. Die Savanne, die Gewitter, die jeden Nachmittag ausbrachen, die sengende Sonne auf unseren Köpfen und diese zu starke, fast karikaturistische Präsenz der Tierwelt, all das erfüllte unsere kleine Brust und ließ uns auf die Termitenhügel losstürmen, diese Festungen die schwarz in den Himmel ragten. Ich glaube, dass ich seit jener Zeit nie wieder so einen starken Drang verspürt habe. Ein solches Bedürfnis, zu dominieren und mich zu messen. Es war nur ein kurzer Moment in unserem Leben, ein unerklärlicher, fast vergessener Moment, der keine Reue aufkommen ließ und kein Konsequenzen hatte.“ (Seite 32)
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  • Rezension zu Der Afrikaner

    Selbstverständlich wollte ich den Literatur-Nobelpreisträger von 2008 kennen lernen. Le Clézio wurde 1940 in Nizza geboren, schrieb zahlreiche Romane und erhielt auch schon einige Auszeichnungen. Dennoch war mir dieser Autor bis jetzt völlig unbekannt, und das wollte ich ändern!
    Der Afrikaner ist ein sehr persönliches Werk, denn es handelt von der prekären Beziehung zwischen dem Autor und dessen Vater.
    Le Clézios Vater studierte in England Medizin mithilfe eines Stipendiums. Aus diesen Grund musste er nach dem Studium für das Königreich tätig werden, und man schickte ihn zu den englischen Kolonien nach Afrika. Zunächst nach Kamerun und später wurde er nach Nigeria versetzt.
    Bis zum Ausbruch des II. Weltkriegs war seine Frau, des Autos Mutter, mit dabei, und die Jahre in Afrika waren für dieses Paar eine Zeit der Glückseligkeit. Die Geburten ihrer Söhne wollte seine Mutter allerdings in Europa erleben, und so kam es zu dem Malheur, dass die Familie die Zeit des Krieges getrennt wurde. Erst 1948 mit acht Jahren lernte der Autor seinen Vater in Afrika kennen.
    Die Zeit und die Umstände hatten diesen Idealisten mürbe gemacht, wenn nicht gar zerstört. Viele Jahre später ist Le Clézio auf den Spuren seines Vaters gewesen, um dessen Gefühle und Lebensweise zu verstehen.
    Der beste Einstieg in die Lektüre von Le Clézio war dieses Buch eventuell nicht, allerdings lernt man den Autor direkt sehr persönlich kennen, und vielleicht ist es nicht die schlechteste Einstiegslektüre. Wer weiß das schon?
    Mich hat direkt diese ausgewogene Sprache fasziniert, sehr weich und fließend:
    “Jeder Mensch hat einen biologischen Vater und eine biologische Mutter. Man muß sie nicht unbedingt lieben oder anerkennen, man kann ihnen Mißtrauen. Aber sie existieren - mit ihrem Gesicht, ihrer Haltung, ihren Manieren und Manien, ihren Illusionen, ihren Hoffnungen, der Form ihrer Hände und Zehen, der Farbe ihrer Augen und ihres Haars, ihrer Art zu reden, ihren Gedanken und vermutlich dem Alter, in dem sie sterben, all das haben wir in uns aufgenommen.” Die ersten Sätze.
    Der Leser steigt in diese Lektüre ein mit der Gewissheit, hier schreibt jemand nicht nur an der Oberfläche, sondern menschlich und psychologisch sehr tief. Und so war ich direkt im Buch drin, und die ausgewogene Sprache hat mich wirklich durch die 130 Seiten getragen.
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Ausgaben von Der Afrikaner

Hardcover

Seitenzahl: 136

Taschenbuch

Seitenzahl: 128

Hörbuch

Laufzeit: 00:03:07h

Der Afrikaner in anderen Sprachen

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