Eine Messe für die Stadt Arras

Buch von Andrzej Szczypiorski, Karin L. Wolff

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Eine Messe für die Stadt Arras

Ketzerprozesse, Hexenjagden, Judenverfolgungen und die Inquisition – ein Geschichtsroman und eine aufrüttelnde, zeitlose Studie über Massenwahn und den Zerfall einer Gesellschaft. Wenngleich es der Roman ›Die schöne Frau Seidenman‹ war, der Szczypiorski – quasi über Nacht – weltberühmt machte, halten doch viele ›Eine Messe für die Stadt Arras‹ für das Hauptwerk dieses großen Homme de lettres, der mit Leben und Werk einen bedeutenden Beitrag zur Völkerverständigung zwischen Ost und West geleistet hat.
Weiterlesen

Bewertungen

Eine Messe für die Stadt Arras wurde insgesamt 2 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,8 Sternen.

(2)
(0)
(0)
(0)
(0)

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Eine Messe für die Stadt Arras

    Über den Autor:
    Andrzej Szczypiorski (3.4.1928 – 16.05.2000) war ein polnischer Schriftsteller, der nicht nur durch sein literarisches, sondern auch durch sein politisches Engagement Bedeutung erlangte. Sein Werk erklärt sich aus seinem Lebensweg: Aufgewachsen in einer vom Bildungsbürgerturm geprägten Familie erlebte er als 15-jähriger die Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg. Er nahm am Warschauer Aufstand teil, wurde gefangen genommen und im KZ Sachsenhausen interniert. Nach dem Krieg arbeitete er zunächst als Journalist und begann seine literarische Tätigkeit 1955. Unter dem Pseudonym Maurice S. Andrews veröffentlichte er einige Kriminalromane. Ab 1977 veröffentlichte er zunehmend in Oppositionszeitungen und war in dem oppositionellen Komitee zur Verteidigung der Arbeiter aktiv. Dies führte nach Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember 1981 zu seiner zeitweiligen Internierung. Nach der politischen Wende 1989 bekleidete er als Vertreter der Unia Demokratyczna bis 1991 das Amt eines Senators in der zweiten Kammer des polnischen Parlaments. Bis zu seinem Tode äußerte er sich immer wieder zur politischen und moralischen Entwicklung der Dritten Polnischen Republik.
    Die neuesten Forschungen des polnischen Institutes für Nationales Gedenken (IPN), das sich mit der Aufarbeitung der Geschichte der kommunistischen Herrschaft in Polen befasst, haben erbracht, dass Szczypiorski seit 1955 mit dem polnischen Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet hat. Die Details dieser Zusammenarbeit wurden im Film von Grzegorz Braun „Korrektur zur Biografie“ aus dem Jahr 2007 vorgestellt. (Quelle: nach Wikipedia, leicht zusammengefasst)
    Buchinhalt:
    Im Frühling des Jahres 1458 wurde die Stadt Arras von Hungersnot und Pest heimgesucht. Im Laufe eines Monats fand beinah ein Fünftel der Stadtbevölkerung den Tod.
    Im Oktober 1461 kam es aus ungeklärten Gründen zur berüchtigten „Vauderie d'Arras“ - grausamen Juden- und Hexenverfolgungen, Prozesse wegen angeblicher Häresie, und auch zu Brandschatzung und Gewaltverbrechen. Nach drei Wochen trat wieder Ruhe ein.
    Geraume Zeit danach erklärte David, Bischof von Utrecht und unehelicher Sohn Philipps des Guten, des Herzogs von Burgund, alle Hexen- und Ketzerprozesse für nichtig und segnete die Stadt.
    Diese Ereignisse sind es, die den Hintergrund zu der nachfolgenden Erzählung bilden.
    A.S.
    (Einführung in die Geschichte durch den Autor, erste Seite in meiner Ausgabe des Diogenes Verlags von 1988)
    Das Buch umfasst 198 Seiten, ist jedoch nicht in Kapitel unterteilt. Es sind Absätze gekennzeichnet durch denselben, immer wiederkehrenden Einleitungssatz.
    Meine Meinung:
    Ich liebe historische Romane – und nach dem Lesen dieser Einführung hab ich einfach genau das erwartet. Naja, und was hab ich vorgefunden? Der Ich-Erzähler Jean, ein junger gebildeter Mann, herangezogen vom führenden Geistlichen der Stadt Arras als sein Nachfolger und ein Freund des Bischofs von Utrecht, schildert die Vorfälle einem (erst später bekannten) Dritten. Die Sprache ist der damaligen Zeit angemessen und das macht mir normalerweise auch keine Schwierigkeiten, aber da der Erzähler eben von einem Geistlichen und der damaligen Religion stark geprägt ist, entwickelt sich die Geschichte in vielen langen Teilen zu (pseudo-) religionstheoretischen Betrachtungen und Überlegungen. Diese spiegeln sehr wohl den inneren Konflikt des Erzählers wider, der zwar auf der einen Seite in unbedingter Loyalität zu seinem Ziehvater und der Stadt steht, aber andererseits sehr wohl den Wahnsinn hinter dem Treiben erkennt. Aber das war nicht das, was ich erwartet hatte – und es war nicht das, was ich lesen wollte!
    Die Erzählung beginnt fast am Ende der Vauderie um dann zurückzublenden in die Vorgänge im Jahr 1458 kurz vor dem Wüten der Pest. Ab dort wird die Geschichte chronologisch erzählt. Natürlich bekommt man ein Bild dessen, was sich in Arras abgespielt haben muss in diesen drei Jahren und man erkennt hinter all diesen Beschreibungen, Überlegungen und inneren Monologen auch die Intrigen und Schachzüge desjenigen, der die Stadt über Jahrzehnte geprägt und angeleitet hat. Aber dieses ständige Abdriften in diese moraltheologischen Überlegungen, in diese Fragen ob eine Sünde, die reinen Herzens begangen wird, eben doch keine Sünde sind und so weiter – das ging mir auf die Nerven. Ich war kurz davor, das Buch abzubrechen und in die Ecke zu pfeffern.
    In Vorbereitung auf diese Rezension hab ich dann mal im Internet gestöbert nach dem Autoren und den realen Ereignissen in Arras – das hätte ich mal vorher tun sollen. Ich stieß auf diese Seite hier
    Hexen: historische Faktizität und fiktive Bildlichkeit und dann war mir auf einmal alles klar.... Szczypiorski hat die Form des historischen Romans gewählt, um die ideologischen Vorgänge während der Zeit des kommunistischen Regimes in Polen aufzuzeigen und anzuklagen, besonders der Vorgänge während des polnischen März 1968. Und das ist ihm perfekt gelungen. Mit diesem Wissen stellt sich der gesamte Roman ganz anders da und all die Gedanken, die man beim Lesen schon über die Manipulationen des Drahtziehers in Arras entwickelt, bekommen eine ganz neue Bedeutung. Die Parallelen zwischen den Vorgängen in Arras und denen in Polen sind schon beängstigend und es ist der perfekte Plot, um die politische Kritik geschickt und nach außen harmlos zu verpacken. Im Nachhinein erklärt dies auch die Lobeshymnen der Presse, die auf der Rückseite meiner Ausgabe zitiert werden.
    Wie bewerte ich nun dieses Buch? Auf der einen Seite wird der unbedarfte Leser komplett in die Irre geführt durch den nach außen als historischen Roman dargestellten Plot. Jeder Leser, der sich für historische Romane interessiert und wie ich ohne vorherige Erkundigungen und Nachforschungen und ohne Kenntnis über den Autoren dieses Buch liest, wird vermutlich genauso wie ich reagieren und mehr oder weniger enttäuscht sein. Auf der anderen Seite musste der Autor zur damaligen Zeit (das Buch erschien 1971) diesen Weg wählen, zumindest in seiner Heimat und den Staaten des Warschauer Pakts. Aber in der westlichen Welt hätte ein kleiner Hinweis, wie das Buch zu lesen ist, vielleicht doch gut getan? Immerhin ist meine Ausgabe von 1998, stammt also aus einer Zeit, in der man sehr wohl einer deutschen Ausgabe ein Vorwort voranstellen könnte wie der Inhalt aufzufassen ist. Gäbe es eine getrennte Wertung für Buch und Ausgabe, so fiele meine Wertung für die Ausgabe aus diesem Grunde erheblicher schlechter aus. Da aber hier der Inhalt des Buches im Vordergrund steht, werden es doch 4,5 Sterne – einen halben zieh ich ab für die extremen religions-theoretischen „Schwafeleien“, die mir auch in der Nachbetrachtung das Lesen sehr schwer gemacht haben.
    Weiterlesen

Ausgaben von Eine Messe für die Stadt Arras

Taschenbuch

Seitenzahl: 208

Hardcover

Seitenzahl: 272

Eine Messe für die Stadt Arras in anderen Sprachen

  • Deutsch: Eine Messe für die Stadt Arras (Details)
  • Polnisch: Msza Za Miasto Arras (Details)

Besitzer des Buches 15

Update: