Russische Spezialitäten
Buch von Dmitrij Kapitelman

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Buchdetails
Titel: Russische Spezialitäten
Dmitrij Kapitelman (Autor)
Verlag: Hanser Berlin
Format: E-Book
Seitenzahl: 176
ISBN: B0DLJT5H11
Termin: Neuerscheinung Februar 2025
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Kurzmeinung
easymarkt3Ein interessantes Zeitzeugnis – Ukraine als Kriegsgebiet
Bewertungen
Russische Spezialitäten wurde insgesamt 4 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4 Sternen.
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Meinungen
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Ein interessantes Zeitzeugnis – Ukraine als Kriegsgebiet
Rezensionen zum Buch
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Rezension zu Russische Spezialitäten
- hennie
Ukrainisch-moldawisch-jüdisch-russische Welt im deutschen OstenWeiterlesen
Dmitrij Kapitelman versucht mit den russischen Spezialitäten seine ukrainisch-moldawisch-jüdisch-russische Welt im deutschen Osten der Leserschaft nahezubringen.
Mit acht Jahren aus dem ukrainischen Kijiw als Kontigentflüchtling ins sächsische Leipzig gekommen, wird bald das Geschäft (russ.Магазин) der Eltern zum bestimmenden Lebensmittelpunkt. Hier treffen sich die Nashi (die Unseren, steht für osteuropäische Nationalitäten, vorwiegend aus den Ländern der untergegangenen Sowjetunion), seltener deutsche Kunden. Hier lebt er als Kind und Jugendlicher wie in einer Blase und verliert sich manchmal in Traumwelten (sprechende Fische).
Der Ich-Erzähler ist eindeutig als der Autor zu erkennen. Sein extravaganter Sprachstil forderte mich hier und da. Dmitrij Kapitelman balanciert mit Wörtern wie ein Akrobat, kreiert neue Wörter und ungewöhnliche Wortzusammensetzungen, schafft teilweise ganz bizarre bis absurde Bilder. Einiges habe ich nicht verstanden. Ich kann es auch nicht interpretieren. Da fehlt mir wahrscheinlich die Fantasie, die er in seinen vielen humorigen, anekdotisch anmutenden Szenarien trotz auch ernster Themen zum Ausdruck bringt. Witzig finde ich die Beschreibungen der Zustände im Laden (bspw. die nervige Ladenklingel, die extreme Langsamkeit von Ira, der sich wiederholende, gleichbleibende Speiseeiskauf vom alten Genadij u.v.m.). Auch bemerkenswert ist Dimas Angst vor fehlenden russischen Wörtern.
Im Fokus seiner Geschichte steht im ersten Teil das Geschäft und im zweiten Teil die Reise nach Kiew. Ein großes Problem, das Dima sehr beschäftigt, ist das irrationale Verhältnis seiner geliebten Mutter zu Russland. Außer der Sprache verbindet die Mutter nichts mit dem russischen Staat, trotzdem glaubt sie dessen Propaganda und der Kriegsberichterstattung (was für eine Diskrepanz). Das Massaker in Butscha hält sie für Fake. Die Verzweiflung, die Zerrissenheit des Sohnes teilt sich mir mit, ist schmerzlich zu spüren. Er entschließt sich in die Ukraine zu fahren und besucht Verwandte, Freunde und Bekannte. Dort findet er neben der erstaunlichen Normalität und Alltäglichkeit des Lebens überall Spuren des Krieges wie junge kriegsverletzte Männer im Straßenbild, unbeachtet von den Passanten.
Für ihn selbst hat die Reise wichtige Erkenntnisse gebracht.
„Heimat ist der Ort, der einem nie egal wird. Kyjiw.“ S.179
Doch im Umgang mit seiner Mutter hinsichtlich der prorussischen Einstellung ist er leider keinen Schritt weitergekommen. Er kann sich ihr gegenüber nicht Luft machen und Tacheles reden. Eine Erklärung liefern mir die letzten Seiten des Buches. Vielleicht!? -
Rezension zu Russische Spezialitäten
- SimoneF
In „Russische Spezialitäten“ schildert Dmitrij Kapitelman eindrucksvoll seine innere Zerrissenheit angesichts des Ukraine-Krieges. Der Autor selbst ist in Kyjiw geboren und dort russischsprachig aufgewachsen, bevor er im Alter von acht Jahren mit seiner Familie nach Deutschland kam. Dort führte die Familie in Leipzig über 25 Jahre ein Geschäft für russische Spezialitäten.Weiterlesen
Seit Beginn des Krieges geht eine Spaltung durch die Familie, engste Freundschaften werden auf die Probe gestellt. Während sich der Autor westlich positioniert, verfolgt seine Mutter russisches Staatsfernsehen und glaubt der russischen Propaganda. Kapitelman spürt, wie sich auch sein Leben durch den Krieg verändert und er nach seiner eigenen Identität sucht, da er seit Kriegsbeginn „weder vollständig lachen noch weinen kann“ (Kapitel „Tate ist noch auf dem Spielplatz“). So fasst er schließlich den Entschluss, trotz der Gefahr nach Kyjiw zu reisen.
Kapitelman erzählt sehr persönlich, pointiert, mit großem Sprachgefühl und einem messerscharfen schwarzen Humor. Trotz des schweren Themas enthält sein Buch auch viele komische Momente.
Mich hat das Buch sehr bewegt und mir noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie komplex nicht nur die politischen, sondern auch die zwischenmenschlichen und innerfamiliären Auswirkungen des Ukraine-Krieges sind. Sehr lesenswert! -
Rezension zu Russische Spezialitäten
- easymarkt3
Ein interessantes Zeitzeugnis – Ukraine als KriegsgebietWeiterlesen
Das in zwei Teile gegliederte Buch beschreibt zunächst das Leben einer ukrainischen Familie aus Kyjiw , die seit ca. 1994 in Leipzig als »jüdische Kontingentflüchtlinge« leben und ein russisches Spezialitätengeschäft betreiben, mit dem Autor von Kindesbeinen an als helfende Hand. Er karikiert ihr Familienleben und die teils skurrilen Momente im Geschäftsalltag. Besonders die Mutter unterliegt seit dem russischen Überfall auf die Ukraine dem Einfluss politischer Nachrichten in russischen Medien, während der Sohn solche Propaganda der Russen hinterfragt. Mit dem Schlaganfall des Vaters und Corona verschlechtert sich die finanzielle Situation bis zur Schließung des Geschäfts nach mehr als 20 Jahren.
Im zweiten Teil geht es mit Dmitrij zunächst nach Kyjiw, seiner Heimat in die Ukraine. Mittels Kontakt zu seinem Sandkastenfreund und zu dortigen Verwandten erfährt er hautnah Grenzkontrollen, Luftangriffe, Abkehr von der russischen Sprache im Kriegsgebiet und sieht bauliche Zerstörungsgewalt und frische Soldatenfriedhöfe. Dieser Romanteil endet mit Hakenkreuz und zerbrochener Fensterscheibe in Leipzig, polizeilich behandelt als Ordnungswidrigkeit. Während der Anfang den Spagat in Leipzig zwischen neuer und alter Heimat teils humorvoll, teils komisch, versetzt mit russischen Begriffen, menschlich nah präsentiert, regt der folgende Teil sehr zum Nachdenken an zwischen den verschiedenen politischen Ideologien. Sein Festhalten an der russischen Sprache und an Kyjiw als alte Heimat verhilft ihm zur Festigung der Familienbande und zur eindeutigen Identitätsfindung.
Eine interessante Lektüre. -
Rezension zu Russische Spezialitäten
- Deidree C.
Inhalt:Weiterlesen
Bittersüß und zutiefst politisch schreibt Dimitrij Kapitelman in seinem neuen Roman über Familie und die (Un-)Möglichkeit der Verständigung in Zeiten alter und neuer Kriege.
Eine Familie aus Kyjiw verkauft russische Spezialitäten in Leipzig. Wodka, Pelmeni, SIM-Karten, Matrosenshirts – und ein irgendwie osteuropäisches Zusammengehörigkeitsgefühl. Wobei, Letzteres ist seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht mehr zu haben. Die Mutter steht an der Seite Putins. Und ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, aber auch keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Klug ist es nicht von ihm, mitten im Krieg in die Ukraine zurückzufahren. Aber was soll er tun, wenn es nun einmal keinen anderen Weg gibt, um Mama vom Faschismus und den irren russischen Fernsehlügen zurückzuholen? Ein Buch, wie nur Dmitrij Kapitelman es schreiben kann: tragisch, zärtlich und komisch zugleich.
Rezension:
Berührend, aufzeigend und manchmal witzig
Eine Geschichte die aufzeigen will, dass es nie nur schwarz oder weiß gibt, dass Familien weitab vom Kriegsgeschehen ebenso Trennung und Schmerz, Verlorensein und Unverständnis erleben wie sie auch der Versuchung von Propaganda erliegen können. Bei all den schweren Themen hatte ich dennoch nicht das Gefühl einen deprimierenden Text vor mir zu haben. Dmitrij Kapitelman hat einige witzige Szenen eingebaut, die auflockern.
Auch, wenn immer wieder russische Wörter und Sätze einfließen, so ist der Lesefluss dadurch nicht wesentlich unterbrochen. Da ich weder russisch noch ukrainisch sprechen und lesen kann, musste ich diese sowieso überspringen. Meistens wurden sie aber sofort übersetzt oder der Sinn ergab sich aus dem Zusammenhang. Ich konnte mit dem Schreibstil des Autors sehr gut umgehen.
Die Hauptfigur war mir greifbar und sympathisch. In seinem Versuch der Mutter eine andere Sichtweise zu zeigen, sich selbst zu finden und Ansichten zu hinterfragen, wurde er menschlich und verletzlich dargestellt.
„Russische Spezialitäten“ hat mich auf eine Reise mitgenommen. Nicht nur auf eine Reise in die vom Krieg fest umklammerte Ukraine, sondern auch auf die Suche des Sohnes nach seiner Identität. Es berührt, zeigt auf und lässt mitfühlen.
Ausgaben von Russische Spezialitäten
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