Der Kaiser der Freude
Buch von Ocean Vuong, Nikolaus Stingl, Anne-Kristin Mittag

Titel: Der Kaiser der Freude
Ocean Vuong (Autor) , Nikolaus Stingl (Übersetzer) , Anne-Kristin Mittag (Übersetzer)
Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Format: Gebundene Ausgabe
Seitenzahl: 528
ISBN: 9783446282742
Termin: Neuerscheinung Mai 2025
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Rezensionen zum Buch
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Rezension zu Der Kaiser der Freude
- Buchdoktor
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15. Mai 2025 um 06:56
Klappentext/VerlagstextWeiterlesen
Der queere Hai, Sohn einer vietnamesischen Mutter, lebt in East Gladness, einem heruntergekommenen Kaff in New England. Auf den Straßen hängen noch die Schilder der Obama-Kampagne »Yes, we can«, doch Hai schluckt Pillen und denkt an Selbstmord. Bis er Grazina aus Litauen kennenlernt, eine Überlebende des Zweiten Weltkriegs, in deren Kopf die unerlösten Geister ihres Lebens schwirren. Hai wird ihr Pfleger und fängt an, in einem Diner zu arbeiten, dessen Belegschaft alles Underdogs sind wie er, die »in dieser angeblich freien Welt aus Arbeit, Schlaf und beschissenen Kuchen gefangen sind.« Poetisch und komisch, eindringlich und mit außergewöhnlicher Intimität erzählt Ocean Vuong von der Freundschaft jenseits aller Grenzen von Identität und Familie.
Der Autor
Ocean Vuong wurde 1988 in Saigon, Vietnam, geboren und zog im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie nach Amerika, wo er heute lebt. Für seine Lyrik wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Whiting Award for Poetry (2016) und dem T.S. Eliot Prize (2017). Bei Hanser erschienen zuletzt sein Debütroman »Auf Erden sind wir kurz grandios« (2019), für den er mit dem American Book Award ausgezeichnet wurde, und die Gedichtbände »Nachthimmel mit Austrittswunden« (2020) und »Zeit ist eine Mutter« (2022).
Inhalt
Im strömenden Regen will „der Junge“ von der Brücke in den Fluss springen und sieht ein, dass der Tod an dieser Stelle nicht so einfach zu finden ist wie gedacht. Hai, der bereits einen Entzug und Arbeit als Tabakpflücker hinter sich hat, wird von Grazina aufgenommen, einer zarten, schlagfertigen Person, geflüchtet aus Litauen und an die 80 Jahre alt. Da Hai amerikanisch Hello heisst und Hello litauisch Labas, nennt Grazina den jungen Mann Labas und bietet ihm Unterkunft im Tausch gegen Hilfe an. Sie ist offenbar die einzige Bewohnerin ihres giftmüll- und asbestverseuchten Teils von East Gladness/Connecticut. Da Hai seine demente Großmutter betreut hat, realisiert er, dass Grazina intensive Zuwendung benötigt. Er muss nun die Einnahme ihrer 13 Medikamente überwachen, die offiziell gegen Demenz, Depressionen und Wahnvorstellungen helfen sollen. Instinktiv findet er Zugang zu Grazinas Gedankenwelt; ihr weltfremder Sohn ist ihm dabei keine Hilfe.
Das bescheidene Guthaben auf Grazinas Geldkarte reicht nicht für den Unterhalt von zwei Personen, so dass Hai zusätzlich einen Job im Imbiss annimmt, in dem sein Cousin Sony arbeitet. Sony, dessen Mutter gerade eine Haftstrafe absitzt, interessiert sich allein für den amerikanischen Bürgerkrieg, scheitert jedoch am Anspruch seiner Mutter, wenigstens ein Wunderkind zu sein. Mit Sony, Mutter, Tante, Großmutter und deren Traumata aus dem Vietnamkrieg ist Hai aufgewachsen, für sie fühlt er sich verantwortlich. Die Generationen stehen hier für Kriege der USA (Amerikanischer Bürgerkrieg, Zweiter Weltkrieg. Vietnamkrieg). Während Grazina sofort gespürt hat, dass Hai anders ist als andere Männer seiner Generation, befürchtet ihr Mitbewohner längst, dass sie die englische Sprache verlieren könnte und er sie in einer Psychose nicht mehr erreichen wird.
Der Imbiss bildet mit Angestellten aus aller Herren Länder treffend die amerikanische Melting-Pot-Illusion ab und zeigt zugleich Scheinauthentizität im Alltag, in dem Fertigmahlzeiten „homecooked“ aus der Mikrowelle kommen. Würde hier tatsächlich eine ältere Immigrantin kochen, würde es dem Diner vermutlich finanziell besser gehen.
Fazit
Im Interview mit der SZ erzählt Ocean Vuong, dass es in seinem realen Leben eine betagte, demente Grazina gegeben hat, diese Person Fundament seines Romans sei und „der Rest des Hauses Fanatasie“. So ist ein in den Details feinfühlig beobachteter Roman entstanden mit einer queeren Hauptperson, den über mehrere Generationen vererbten Kriegstraumata und Söhnen, die die Träume ihrer Mütter erfüllen sollen. Thema sind nicht zuletzt Lügen einer Nation und von Einzelpersonen, die einander zu schützen versuchen.
Ein großartiger Roman.
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Update: 15. Mai 2025 um 06:57