Trauriger Tiger

Buch von Neige Sinno, Michaela Meßner

  • Kurzmeinung

    Maesli
    Ich gebe dem Buch 3 Sterne, weil ich es aus dem Gesichtspunkt der literarischen Eigenschaft wohlwollend betrachte

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Trauriger Tiger

»Ein bahnbrechendes Buch – Neige Sinno muss man sich merken.« Les Inrockuptibles Das Buch, über das ganz Frankreich sprach, eine in ihrer radikalen Ehrlichkeit außergewöhnliche Schriftstellerin. Als Kind immer wieder sexueller Gewalt ausgesetzt, erzählt Neige Sinno von einem Familienleben, das um Lügen und Täuschungen herum gebaut ist. Und von den vielen Facetten von Erinnerung, den vielen Gesichtern eines Menschen in Ungeheuerlichkeit und Banalität. Wie werden wir zu denen, die wir sind? Kommt vor Gericht zur Sprache, was in Familien ungesagt bleibt? Neige Sinno erzählt vielstimmig, nähert sich ohne Pathos der Wahrheit. Ein kristallklarer Stil, ein so kluges wie Mut machendes Buch, das in Frankreich die Herzen von Hunderttausenden von Leserinnen und Lesern eroberte.
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Bewertungen

Trauriger Tiger wurde insgesamt 2 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4 Sternen.

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Meinungen

  • Ich gebe dem Buch 3 Sterne, weil ich es aus dem Gesichtspunkt der literarischen Eigenschaft wohlwollend betrachte

    Maesli

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Trauriger Tiger

    Ich tue mich bei diesem Buch sehr schwer, meine Meinung zu äußern, weil das erzählte dargelegte Schicksal für mich so unglaublich schwer zu ertragen scheint und was soll ich, als Außenstehende, schon dazu sagen?
    Das Unrecht, dem Neige jahrelang ausgesetzt war, ist kaum in Worte zu fassen. Die erzählten Ereignisse sind so schlimm, dass sie es mir unmöglich machen, mich dazu in irgendeiner Weise zu äußern. Ich kann überhaupt nicht mitreden, was sollte ich sagen, die ich niemals in solch einer Lage war? Trotzdem: ich mochte das Buch von Anfang an nicht, und auch jetzt, am Ende, mag ich es nicht.
    Trauriger Tiger - ist Neige traurig? Ich denke nein und ja, aber eher scheint sie zu hassen, das kann ich verstehen und dieses starke Gefühl der Ablehnung hat sie ihr Leben lang begleitet. Die Wunschstrafe, die sie sich für ihren Peiniger ausgedacht hatte, ein Selbstmord des Täters, hat sich nicht erfüllt, im Gegenteil. Und sie ist die Überlebende.
    Ich habe keine Ahnung von psychologischen Therapien etc. aber ich glaube, dass eine gute professionelle Hilfe Neige von Vorteil gewesen wäre. Es gibt nichts schlimmeres, als mit einem Erlebten nicht fertig zu werden, denn das ist hier der Fall. Wie geht so etwas, ich weiß es nicht, aber ihre strikte Ablehnung, weil das Gesundheitssystem per sé schlecht sei etc. ist mir zu lapidar. Sie will ihre Seele selber kurieren, sucht eher Zuflucht in der alternativen Heilmethodik, vertraut sich Freunden an usw. Doch das ist nicht dasselbe.
    Das Thema, das Neige hier offenbart, ist so sensibel, ihr Schicksal schier unerträglich und somit für mich unantastbar, dass ich mich außer Stande sehe, das Buch in Bezug auf den Handlungsstrang zu bewerten. Wie sollte ich das auch machen? Es scheint eine ihrer selbst heilenden Therapien zu sein, mit dem Geschehen fertig zu werden, doch bleibt, so scheint mir, vor allem eines: Hass. Und der frisst sie auf.
    Law & Order – Special Unit, die Krimireihe aus den USA, habe ich sehr lange geschaut, bis ich Angstzustände bekam, merkte, wie sich mein Verhalten änderte und von Alpträumen geplagt wurde. In diesen Episoden habe ich fast alles erfahren, was Neige hier z. T. auch schreibt, sei es von Opferseite, wie von Täterseite. Und gerade deshalb habe ich mir von dem Buch etwas anderes erwartet, eine literarische Aufarbeitung, eine Innenansicht, in einem persönlichen Schreibstil ohne Analysen, Interpretationen, Abschweifungen. Mir fehlt die Seele im Buch - ich weiß gar nicht, ob ich das bei so einer Handlung überhaupt schreiben darf. Das Buch gleicht eher einer Abhandlung.
    Wäre das Buch Fiktion gewesen, ich hätte hier besser argumentieren können, warum es mir nicht gefallen hat. Aber eigentlich möchte ich das nicht, sondern die Geschichte nur so stehenlassen. Es ist ihr Schicksal und sie hat das alleinige Recht darüber zu befinden.
    Ich gebe dem Buch 3 Sterne, weil ich es aus dem Gesichtspunkt der literarischen Eigenschaft wohlwollend betrachten möchte, und blende den Inhalt aus meiner Bewertung absichtlich aus. Der Stilmix, die z.T. belehrenden Abschnitte, die Zitate anderer Autoren (die mir am besten gefallen haben, auch vom Schreibstil), reichen nicht für eine höhere Punktezahl.
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  • Rezension zu Trauriger Tiger

    Klappentext/Verlagstext
    Das Buch, über das ganz Frankreich sprach, der Überraschungs-Bestseller, mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, u. a. dem Prix Femina und dem Premio Strega Europeo 2024.
    Eine in ihrer radikalen Ehrlichkeit außergewöhnliche Schriftstellerin. Als Kind immer wieder sexueller Gewalt ausgesetzt, erzählt Neige Sinno von einem Familienleben, das um Lügen und Täuschungen herum gebaut ist. Und von den vielen Facetten von Erinnerung, den vielen Gesichtern eines Menschen in Ungeheuerlichkeit und Banalität. Wie werden wir zu denen, die wir sind? Kommt vor Gericht zur Sprache, was in Familien ungesagt bleibt? Neige Sinno erzählt vielstimmig, nähert sich ohne Pathos der Wahrheit. Ein kristallklarer Stil, ein so kluges wie Mut machendes Buch, das in Frankreich die Herzen von Hunderttausenden von Leserinnen und Lesern eroberte.
    Die Autorin
    Neige Sinno wurde 1977 in der Region Hautes-Alpes in Frankreich geboren, sie verbrachte viele Jahre in Mexiko und lebt heute im französischen Baskenland. Sie studierte amerikanische Literatur, die sie an der Universität lehrte, und arbeitete als Übersetzerin. Sie hat Kurzgeschichten und den kurzen Roman ›Le Camion‹ sowie mehrere Essays veröffentlicht. ›Trauriger Tiger‹ war ein Bestseller in Frankreich. Ausgezeichnet mit dem Prix Femina, Prix littéraire Le Monde, Prix Goncourt des lycéens, Prix Jean-Marc Roberts, Prix littéraire Les Inrockuptibles, sowie dem Premio Strega Europeo 2024.
    Rezension
    Inhalt
    Neige Sinno wuchs auf mit ihrer Mutter Sylvaine, einer jüngeren Schwester, Stiefvater und zwei weiteren jüngeren Kindern aus dessen Ehe mit ihrer Mutter. Ungefähr vom 7. Lebensjahr an erlitt sie sexuelle Gewalt durch den Stiefvater und hatte lange Probleme, auszudrücken, was mit ihr geschah. Der Täter war ein charismatischer, angesehener Bergführer, der von Menschen stets Gehorsam erwartete. Er zählt zu einer Tätergruppe, deren Handeln gern relativiert wird (ein Mann wie er würde das nie tun, würde seinen biologischen Kindern nichts antun, hatte auch gute Seiten…), was zu Victimblaming führt und zum Abschieben der Verantwortung auf das Kind. Wir sprechen hier von einem Täter, den der Gutachter im Prozess als „narzisstischen Perversen mit sadistischen Neigungen“ bezeichnete. Relativiert wird durch das Umfeld, Medien und durch den Täter selbst (sie wollte es, sie respektierte mich nicht, ich wollte sie auf das Leben vorbereiten).
    Charakteristisch finde ich, dass die Familie jahrelang als Zugezogene im Ort abgeschieden auf der Baustelle ihres Hauses lebt und kaum soziale Kontrolle stattfindet. Erst als Neige Sinno in der Pubertät Worte findet, um mit einer Freundin zu sprechen, als sie unbedingt ihre jüngeren Geschwister schützen will und als ein erheblich älterer Mentor sich entschlossen für sie engagiert, kann sie mit ihrer Mutter sprechen und die erlittene sexuelle Gewalt anzeigen. Der Entschluss ihrer Mutter, selbst Anzeige zu erstatten, zieht sich allerdings hin, da die Familie den einzigen Ernährer verlieren wird und die Mutter erst ihre Ausbildung abschließen will. Die Autorin beschreibt explizit und strukturiert, was ihr angetan wurde und verdeutlicht, dass es bei sexueller Gewalt nicht um Sex, Anziehung oder Verführung geht, sondern um Macht, Manipulation (dem Kind Einvernehmlichkeit suggerieren), Erniedrigung, Strafe und Scham. Sinno ordnet die Einzelthemen wie ein Vieleck an, dessen Ecken sich verbinden lassen. Es sind: ihre Motivation, dieses Buch zu schreiben; Persönlichkeit des Täters; Rolle der Mutter, Rolle ihres biologischen Vaters; ihre Situation als Überlebende (Opfer) damals und heute; Scham, Sprachlosigkeit, Finden einer Sprache; Lügen und inszeniertes Familienbild; Anzeige + Prozess, Unterstützer + Rückhalt + Anwältin; Trauma, Erkrankung, ACE-Werte (= Adverse Childhood Experiences); Darstellung in Film und Literatur + Literatur als Chance die eigenen Stimme zu finden + der „Markt“ für biografische Texte; Weggehen + Auswandern).
    Der vielstimmige Text, den die Autorin leicht ironisch „mein kleines Memoir“ nennt, liefert keine Betroffenheitsprosa. Obwohl Sinno keine Therapie absolviert hat, schreibt sie sachlich als Betroffene, psychiatrischer Laie und als Literaturwissenschaftlerin. Da ich mich lange mit dem Ermächtigen von Kindern befasst habe, über Erlittenes zu sprechen, und die Rolle von Institutionen und Kinderliteratur in dem Prozess, hat mir Neige Sinnos Bericht die Augen geöffnet, was noch zu tun bleibt. Wir müssen sehr viel aufmerksamer und direkter auf Relativieren und Verharmlosen sexueller Gewalt reagieren – und das besonders in Literatur und Medien. Fälle wie dieser dürfen nicht länger unter der Überschrift „Zärtlichkeiten“ vermarktet werden und die Ermächtigung von Kindern, über Gewalterlebnisse zu sprechen, darf Zensuraktivitäten konservativer Kreise nicht zum Opfer fallen.
    Fazit
    Als strukturierter biografischer Text ist „Trauriger Tiger“ aus meiner Sicht ein Buch, das jede und jeder lesen sollte, es passt jedoch ebenso gut ins Fachbuch-Regal aller, die beruflich und ehrenamtlich mit Kindern zu tun haben.
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Ausgaben von Trauriger Tiger

Hardcover

Seitenzahl: 304

Besitzer des Buches 3

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