Elektrizität und Himmelsfische
Buch von Andrej Bulbenko, Marta Kajdanowskaja, Olga Radetzkaja, Henriette Reisner
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Buchdetails
Titel: Elektrizität und Himmelsfische
Andrej Bulbenko (Autor) , Marta Kajdanowskaja (Autor) , Olga Radetzkaja (Übersetzer) , Henriette Reisner (Übersetzer)
Verlag: dtv
Format: Gebundene Ausgabe
Seitenzahl: 192
ISBN: 9783423641197
Termin: Neuerscheinung Juli 2024
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Kurzmeinung
Dietmar58Ungewöhnlicher Jugendroman zu einem ernsten Hintergrund
Zusammenfassung
Inhaltsangabe zu Elektrizität und Himmelsfische
Der Tag beginnt wie viele Tage zuvor – und endet in einer Katastrophe Die 14-jährige Marzia erzählt, wie sich von jetzt auf gleich ihr Leben komplett und für immer verändert. Wie aus dem Nichts zwingt ein plötzlicher Raketenbeschuss Marzias Familie zum sofortigen Verlassen der Stadt. Nur mit dem Notwendigsten setzen sie sich in Opas Wagen und fahren – Mutter, Vater, sie, die kleine Schwester und die Großeltern – Richtung Grenze. Auf dieser Flucht erleben sie Gewalt, Not, Willkür und Demütigung und geraten in absurde, surreale Situationen, bis sie schließlich ein Motel an einer Grenze erreichen. Dort übergibt Marzia ihre Tagebuchaufzeichnungen einem Schriftsteller, Andrej Bulbenko, mit der Bitte, er möge sie erst lesen, wenn sie sich nach Ablauf einer Woche nicht bei ihm gemeldet habe. Marzia meldet sich nicht, und Bulbenko beginnt zu lesen …
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Bewertungen
Elektrizität und Himmelsfische wurde insgesamt 2 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 5 Sternen.
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Meinungen
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Ungewöhnlicher Jugendroman zu einem ernsten Hintergrund
Rezensionen zum Buch
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Rezension zu Elektrizität und Himmelsfische
- Dietmar58
Einen sehr außergewöhnlichen Jugendroman präsentiert der dtv-Verlag (Reihe Hanser) mit dem Titel "Elektrizität und Himmelsfische". Hinzu kommt, dass die beiden Autoren unter einem Pseudonym veröffentlichen, um ihre wahre Identität zu schützen. Die Originalausgabe wurde im Jahre 2022 in Russland veröffentlicht, was heute nicht mehr vorstellbar ist.Weiterlesen
Einen "Roman von zeitloser Gültigkeit über Krieg und diejenigen, die das Leid am härtesten trifft: Kinder und Jugendliche" verspricht der Verlag auf der Rückseite des Covers. Ein Maßstab.
Marzia (so der Name des 14-jährigen Mädchens im Roman) und der Schriftsteller begegnen sich im Motel "Ruhebank", wo sie mit ihrer Familie wartet, bis der Weg zur Grenze ohne Beschuss möglich ist. Vor der Abfahrt übergibt Marzia ihm zwei Umschläge. Den ersten soll er öffnen, wenn sie sich nach einer Woche noch nicht bei ihm gemeldet hat, den zweiten dann, wenn ein Monat ohne Nachricht vergangen ist.
Als Marzia eine Woche lang nichts von sich hören lässt, öffnet A. Bulbenko den Umschlag und findet Marias Notizen über die bisherige Flucht von zu Hause. Als "Schmierzettel" nutzt sie die mehrseitige Aufbauanleitung für ein Kinderbett, das aufgebaut werden sollte, bevor sich die Familie (Großeltern, Eltern und eine kleine Schwester) sich in einem völlig überladenen PKW auf die Flucht vor den Angriffen begeben.
14 Blätter umfasst die Aufbauanleitung, entsprechend gliedert sich diese "Roadstory" (ergänzt um ein Vorwort und einen Epilog) auch in 14 Abschnitte, die besonderen Erlebnissen gewidmet sind, die Marzia und ihre große Familie während der Fahrt erleben.
Fazit:
Es handelt sich um ein ungewöhnliches Buch in mehrfacher Hinsicht. Verfasst wurde es in jugendlich-frischer Sprache, die dem Alter der fiktiven Autorin Marzia entspricht. Es lässt sich also gut und flüssig lesen. Und trotzdem bin ich bei der Lektüre immer wieder ins Stocken geraten. Da ist der teilweise scharfe Kontrast zwischen dem genervten Reagieren einer pubertierenden 14-Jährigen auf das beengte Zusammensein mit den Erwachsenen und der kleinen Schwester und den zum Teil rätselhaft anmutenden Geschichten. Rätselhaft jedoch nur auf den ersten Blick, denn schlussendlich wird klar: Die Familie befindet sich nicht auf einem Ausflug, sondern auf der Flucht aus einem Kriegsgebiet.
Die Geschichte dieses Buches wirkt nach und das offene Ende lädt zum Nachdenken ein. Und in der Tat: Dieser Roman ist von zeitloser Gültigkeit - der Leserschaft wurde nicht zu viel versprochen! -
Rezension zu Elektrizität und Himmelsfische
- SimoneF
Bereits das Autorenduo bildet ein ungewöhnliches und vielversprechendes Gespann - ein ukrainischer Schriftsteller und eine 15-jährige Schülerin, die beide unter Pseudonym schreiben und die eine Fluchterfahrung eint.Weiterlesen
Die 14-jährige Marzia muss eines Tages Hals über Kopf mit ihren Eltern, Großeltern und der jüngeren Schwester ihr Zuhause verlassen und fliehen, da ihre Stadt unter Raketenbeschuss gerät. Zu sechst sitzen sie nun zwischen eilig zusammengepackten Taschen im Auto, am Steuer der Opa, der als einziger einen Führerschein hat, und versuchen zur Grenze zu gelangen. Nach mehreren Tagen erreichen sie ein Motel in Grenznähe. Dort lernt Marzia den Schriftsteller Andrej kennen und übergibt ihm am Tag ihrer Abfahrt einen Umschlag mit ihren Tagebuchaufzeichnungen über die Flucht, mit der Bitte, diese erst zu lesen, wenn sie sich binnen einer Woche nicht bei ihm gemeldet hat. Die Woche vergeht, Marzia meldet sich nicht, und Andrej öffnet dem Umschlag…
Marzias Heimatland wird nie explizit erwähnt, doch es ist offensichtlich, dass es sich hier um die Ukraine handelt. Ein Hinweis ist auch der plötzliche Raketenbeschuss im Februar, der Monat, in dem 2022 der Angriff auf die Ukraine stattfand. Im Buch wird als Ortsangabe lediglich mehrfach der Ruppigon erwähnt, der unter Beschuss steht und überquert werden muss. Da ich das Wort nirgends finden konnte, nehme ich an, dann dieses fiktiv ist und hiermit eine Grenzregion gemeint ist. Die phonetische Nähe zum antiken „Rubikon“ ist sicher kein Zufall.
Marzia hält in ihren Aufzeichnungen ihre Eindrücke, Erlebnisse und Gedanken während der Flucht im Auto fest. Schnelle Gedankensprünge, kuriose Beobachtungen und Diskussionen im Auto zwischen den Familienmitgliedern wechseln sich hierbei ab. Die Bedrohung durch Beschuss, Bomben, die Willkür von Kontrollposten, die prekären Verhältnisse in den Nachtlagern werden wie beiläufig erzählt, neben scheinbar alltäglichem Geplänkel im Auto und skurrilen Begegnungen am Straßenrand während der Stauphasen. Gerade diese Gegensätze - der lebensbedrohliche Ausnahmezustand und die normale Familiendynamik, wie sie auf jeder Urlaubsfahrt auftreten könnte (die um Zugluft besorgte Oma, der schwerhörige Opa mit dürftigem Orientierungssinn, Diskussionen über die Route, Kabbeleien unter Geschwistern), haben mich beim Lesen nicht mehr losgelassen. Das ist einfach grandios umgesetzt. Hinzu kommt Marzias unvergleichlicher Ton: eine eloquente Jugendliche, intelligent beobachtend, mit staubtrockenem Humor. Allein die Szene mit der Hochzeitsgesellschaft am Seitenstreifen ist großartig beschrieben: Unglaublich komisch und zugleich so traurig, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt.
Während der Autofahrt und ihren Gesprächen mit Andrej im Motel spürt man anhand Marzias Gedanken den Ernst der Lage: Was bleibt von einem Menschen nach seinem Tod? Welche Spuren hinterlässt er bei seinem Mitmenschen und was verschwindet im Vergessen? Und ihre Überlegungen zum (im russischen Sprachraum) bekannten Märchen „Ludwig der Vierzehnte und Tutta Karlsson“ von Jan Ekholm bilden eine scharfsinnige Parabel auf den Ukrainekonflikt.
Mich hat dieses Buch nachhaltig berührt und beeindruckt. Es ist stilistisch außergewöhnlich umgesetzt und bietet viele Möglichkeiten zur Interpretation und Diskussion. Ich könnte mir den Roman auch hervorragend als Klassenlektüre ab der 9. Jahrgangsstufe vorstellen. Unbedingt lesen!
5 Sterne!
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