Der Kartograf des Vergessens

Buch von Mia Couto

Cover zum Buch Der Kartograf des Vergessens

Titel: Der Kartograf des Vergessens

4,8 von 5 Sternen bei 2 Bewertungen

Verlag: Unionsverlag

Format: Gebundene Ausgabe

Seitenzahl: 288

ISBN: 9783293006119

Termin: Neuerscheinung September 2023

Aktion

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Der Kartograf des Vergessens

Der Dichter Diogo Santiago kehrt in seine Heimatstadt Beira zurück. Alle verehren ihn, doch als er Einsicht erhält in alte Akten der Geheimpolizei, gerät seine Welt ins Wanken. Während der Zyklon Idai drohend über Beira aufzieht, stürzen neue Wahrheiten auf ihn ein. Sein Vater, auch ein Poet, versuchte, im Geheimen die Verbrechen der Kolonialtruppen zu dokumentieren. Sein Cousin, der eines Tages plötzlich verschwand, war nie der, für den ihn alle hielten. Und was steckt hinter der tragischen Legende des schwarzen Jungen und des weißen Mädchens, die den Tod wählten, weil ihre Liebe verboten war? Die junge Frau, mit der sich Diogo rätselhaft verbunden fühlt, scheint Teil dieser Geschichten zu sein. Gemeinsam gehen sie auf die Suche nach Antworten, die unter dem Tosen des hereinbrechenden Sturms alle Gewissheiten vernichten.
Weiterlesen

Bewertungen

Der Kartograf des Vergessens wurde insgesamt 2 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,8 Sternen.

(2)
(0)
(0)
(0)
(0)

Meinungen

  • Dichter und farbiger Roman um Entkolonialisierung

    drawe

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Der Kartograf des Vergessens

    • 15. November 2023 um 15:37
    Auf der Suche nach (der) Wahrheit
    „Poeten sind Propheten. Mein Mann ist ein vergesslicher Prophet. Erst hat er die Zeit vergessen. Dann hat die Zukunft ihn vergessen.“ Virgínia Santiago (S. 245)
    Mia Couto – ein Name, der mir bisher nichts sagte. Nun, das wird sich nach dem Roman „Der Kartograf des Vergessens“ (erschienen im Unionsverlag in der Übersetzung von Karin von Schweder-Schreiner) wohl ändern (müssen), hat er mich doch nachhaltig beeindruckt.
    Dabei gehört auch „Der Kartograf des Vergessens“ zu den Romanen in diesem Jahr, zu denen ich erst sehr spät Zugang gefunden habe, da die Geschichte weit komplexer ist, als es zunächst den Anschein hat.
    Der Ich-Erzähler Diogo Santiago kehrt in den Ort seiner Jugend zurück – in den mosambikanischen Ort Beira (dort wuchs auch Mia Couto auf). In der Vorbemerkung des Romans heißt es
    „Dies ist die Geschichte eines arglosen portugiesischen Dichters und Journalisten, der Beweise für ein Massaker erhält, das die portugiesischen Truppen 1973 in Mosambik verübt haben. Dieser gute arglose Mann war mein Vater. […] In manchen weißen Vierteln verfielen die Menschen dem Wahnsinn. Damals wurde mir klar, dass Krankheit mitunter das einzige Heilmittel ist. Manche mussten vergessen können, was geschah, um Zukunft zu ermöglichen. Für andere war das, was geschah, schon die Zukunft. Diese fiktive Erzählung ist durch reale Personen und Ereignisse inspiriert. […]“ (S. 7)
    Das genannte Massaker hat Einzug in den Roman gehalten und gehört inhaltlich zu den nachhaltigsten Szenen des gesamten Romans – an der ein oder anderen Stelle musste ich ob der geschilderten Grausamkeiten die Lektüre kurz unterbrechen. Auch an anderer (inhaltlicher) Stelle konnte ich das Buch nicht am Stück lesen, brauchte immer wieder eine Pause. Das lag jetzt nicht nur an der Geschichte selbst, sondern auch an dem allgemeinen Stil von Mia Couto, dem auch eine schriftstellerische Nähe zum sogenannten „magischen Realismus“ nachgesagt wird. Nun, das kann ich nach Ende der Lektüre insoweit bestätigen, als dass sich märchenhaft-mystisches mit knallharter Realität fließend die Klinke in die Hand gibt und man als Leser:in genau aufpassen muss, wo und wie die Grenzen verlaufen. (Literarische) Vorlieben für Gabriel Maria Marquez und ähnliche Autoren können also nicht schaden, wenn man sich auf Mia Couto einlässt bzw. einlassen will.
    Neben der Aufarbeitung des erwähnten Massakers lernen die Leser:innen auch viel über die mosambikanische Kultur; das gelingt Couto hervorragend durch die „Einarbeitung“ von einheimischen Charakteren in die Handlung, die jeweils verschiedene Eigenschaften und Traditionen versinnbildlichen.
    Darüber hinaus gibt es Ausflüge in die Kolonialgeschichte Mosambiks, die durch (fiktive) Protokolle, Briefe, Tagebuchaufzeichnungen etc. dargestellt werden und im Wechsel mit den Gegenwartsabschnitten stehen. Letztlich erhält die geneigte Leserschaft viel Inhalt für gut angelegtes Geld.
    Wer also einen gut 300-seitigen Roman mit Anspruch lesen will, der trotz aller Ernsthaftigkeit aber auch humoriges zu bieten hat, dem empfehle ich eindringlich die Lektüre dieses Romans, der von mir 5 verdiente Sterne bekommt!
    ©kingofmusic
    Weiterlesen
  • Rezension zu Der Kartograf des Vergessens

    • 5. Oktober 2023 um 15:11
    Klappentext:
    Der Dichter Diogo Santiago kehrt in seine Heimatstadt Beira zurück. Alle verehren ihn, doch als er Einsicht erhält in alte Akten der Geheimpolizei, gerät seine Welt ins Wanken.
    Während der Zyklon Idai drohend über Beira aufzieht, stürzen neue Wahrheiten auf ihn ein. Sein Vater, auch ein Poet, versuchte, im Geheimen die Verbrechen der Kolonialtruppen zu dokumentieren. Sein Cousin, der eines Tages plötzlich verschwand, war nie der, für den ihn alle hielten. Und was steckt hinter der tragischen Legende des schwarzen Jungen und des weißen Mädchens, die den Tod wählten, weil ihre Liebe verboten war?
    Die junge Frau, mit der sich Diogo rätselhaft verbunden fühlt, scheint Teil dieser Geschichten zu sein. Gemeinsam gehen sie auf die Suche nach Antworten, die unter dem Tosen des hereinbrechenden Sturms alle Gewissheiten vernichten.
    Mein Lese-Eindruck
    „Manche mussten vergessen können, was geschah, um Zukunft zu ermöglichen“ (S. 7).
    Der Autor versetzt uns mit seinem Roman in die 70er Jahre, mitten in den Kolonialkrieg in Mozambique und in eine Zeit, die auch im Mutterland Portugal von Terror, Gewalt und Unruhen gezeichnet war.
    Der Dichter Diogo Santiago kehrt 2019 nach jahrelanger Abwesenheit in seine Geburtsstadt zurück und begegnet dort Liana Campos. Beide sind durch ihre Vergangenheit und ihre Väter miteinander verbunden und zugleich belastet. Lianas Vater, der damalige Polizeichef, hatte nämlich vor über 40 Jahren Diogos Vater verhaftet und gefoltert. Beide, Diogo und Liana, haben ein gebrochenes Verhältnis zu ihrer eigenen Geschichte. Liana, in einer Pflegefamilie aufgewachsen, sucht ihre Mutter, und Diogo hat seine Vergangenheit vergessen und sich in eine Depression geflüchtet. Liana konfrontiert nun Diogo mit alten Unterlagen der unterschiedlichsten Art und der Aufforderung, „mit den Schatten zu sprechen“, sein Vergessen zu überwinden und ihrer beider Geschichte zu schreiben.
    Die Geschichte entfaltet sich auf zwei Zeitebenen, die beide allmählich durch das Personal miteinander verschränkt werden. Der Autor lässt einen enorm großen Figurenreigen auftreten, und jeder Figur wird eine eigene kleine Geschichte zugeordnet. Im Lauf der Geschichte werden aber zügig die Erzählfäden miteinander verknotet, sodass eine äußerst dichte und letztendlich abgerundete Erzählung entsteht.
    In Lianas Unterlagen befinden sich Quellen unterschiedlichster Art: Tagebucheinträge, Vernehmungsprotokolle, amtliche Schreiben, private Briefe, Zeugenaussagen und vieles mehr. Alle Quellen machen die Zustände kurz vor der Unabhängigkeit des Landes deutlich: Massaker der portugiesischen Arme, Geheimpolizei, Rechtsbeugungen, Folterungen, Rassismus, Ausbeutung, Spitzeltätigkeit,, Verrat und Korruption in allen Bereichen, auch der Kirche. Das öffentliche System spiegelt sich in den Familien: auch hier treffen wir auf Mord und Totschlag, auf rassistische Übergriffe, auf Verrat und Treuebruch etc.; der Erzähler spart nicht an dramatischen Details, die ich persönlich in dieser Überfülle nicht gebraucht hätte. Allerdings liest der Leser auch von Loyalität, Liebe und Opferbereitschaft, alles Lichtblicke in einer unruhigen Zeit.
    Aus diesen Quellen soll nun, so Lianas Wunsch, Diogo als erfolgreicher Dichter nun ihrer beider Vergangenheit destillieren. Diesen Auftrag erfüllt Diogo allerdings nicht. Er präsentiert lediglich die Quellen und setzt dafür den Leser als „Kartograf des Vergessens“ ein. Dadurch kommt es zunächst zu Fehlschlüssen beim Leser, die erst durch eine andere Quelle zurechtgerückt werden und das Lesen spannend machen.
    Diese subjektive Art der Quellendeutung wird verstärkt durch die Tatsache, dass in diesem Roman realistische Wahrnehmungen anders ablaufen, als man es gewohnt ist. Schon die lyrischen Kapitelüberschriften („Eine durchlöcherte Seele“, „Der Abstieg in den Himmel“) machen deutlich, dass Coutos Erzählung einer anderen, nicht-europäischen Erzähl-Logik folgt. Augenfällig wird das in den Berichten schwarzer Zeugen, deren Wahrnehmung durch ihre animistische Art der Welterklärung geprägt ist. Dadurch entstehen eigenartig schwebende, fast traumhafte und ungemein ausdrucksstarke Bilder, die sich niemals nur auf ein singuläres Ereignis beziehen, sondern immer Diesseits und Jenseits miteinander in Verbindung setzen.
    Insgesamt ein erzählerisch dichter Ausflug mit realen und surrealen Elementen in die Zeit der Kolonialkriege, bei dem viele Schattierungen von Rassismus deutlich werden.
    Weiterlesen

Ausgaben von Der Kartograf des Vergessens

Hardcover

Cover zum Buch Der Kartograf des Vergessens

Seitenzahl: 288

Taschenbuch

Cover zum Buch O mapeador de ausencias

 

Der Kartograf des Vergessens in anderen Sprachen

  • Deutsch: Der Kartograf des Vergessens (Details)
  • Portugiesisch: O mapeador de ausencias (Details)

Besitzer des Buches 2

  • Mitglied seit 30. November 2017
  • Mitglied seit 28. August 2023
Update: 15. November 2023 um 15:37