Schönwald
Buch von Philipp Oehmke
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Buchdetails
Titel: Schönwald
Philipp Oehmke (Autor)
Verlag: Piper
Format: Gebundene Ausgabe
Seitenzahl: 544
ISBN: 9783492071901
Termin: Neuerscheinung Juli 2023
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Kurzmeinung
AbroxasPortrait einer dysfunktionalen Familie und Spiegel der Gesellschaft; ein Lesevergnügen -
Kurzmeinung
Bellis-PerennisHat mich leider nicht wirklich überzeugt
Zusammenfassung
Inhaltsangabe zu Schönwald
Eine deutsche Familie, ein großer Roman Anders als Harry findet Ruth Schönwald nicht, dass jedes Gefühl artikuliert, jedes Problem thematisiert werden muss. Sie hätte Karriere machen können, verzichtete aber wegen der Kinder und zugunsten von Harry. Was sie an jenem Abend auf einem Ball ineinander gesehen haben, ist in den kommenden Jahrzehnten nicht immer beiden klar. Inzwischen sind ihre drei Kinder Chris, Karolin und Benni erwachsen. Als Karolin einen queeren Buchladen eröffnet, kommen alle in Berlin zusammen, selbst Chris, der Professor in New York ist und damit das, was Ruth sich immer erträumte. Dort bricht der alte Konflikt endgültig auf. »Schönwald« ist der mitreißende Roman einer deutschen Familie und zweier Generationen, die ein tiefes Trauma miteinander verbindet.
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Bewertungen
Schönwald wurde insgesamt 12 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,2 Sternen.
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Meinungen
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Portrait einer dysfunktionalen Familie und Spiegel der Gesellschaft; ein Lesevergnügen
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Hat mich leider nicht wirklich überzeugt
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Ein Familienepos und brillante Darstellung der aktuellen Gesellschaft
Rezensionen zum Buch
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Rezension zu Schönwald
- Bellis-Perennis
Hat mich nicht ganz überzeugt Die Familie Schönwald scheint auf den ersten Blick eine saturierte Familie zu sein. Die Eltern Ruth und Harry, sind seit Jahrzehnten verheiratet, er ein emeritierter Staatsanwalt, sie hätte gerne eine Universitätskarriere gelebt, doch mit drei Kindern gesellschaftlich seinerzeit nicht möglich, eine heimliche Affäre aber schon. Die drei gemeinsamen Kinder Chris, Karolin und Benni sind erwachsen und führen jeweils ihr eigenes Leben.Weiterlesen
Doch wenn man ein wenig an der glänzenden Oberfläche kratzt, ist der Lack schnell ab und die Familie entpuppt sich schnell als allzu durchschnittlich.
Chris, der Älteste früher als Wunderkind apostrophiert, ist bereits in jungen Jahren Professor für Literatur an der Uni in New York. Als er über einen peinlichen Vorfall stolpert, bringt er es nicht fertig, seine Familie über sein Karriereende zu informieren.
Tochter Karolin, geschieden, kann sich nicht zwischen hetero- und homosexuellen Beziehungen entscheiden und führt in Brandenburg eine Buchhandlung.
Und dann gibt es noch den Nachzügler Benni, der mit seiner vermögenden Frau in einem bescheidenen Haus in der Uckermark lebt.
Klingt alles nicht so spektakulär, oder?
Just bei der Eröffnung der Buchhandlung, die sich als queere Buchhandlung outet, kommt es zu einem Anschlag von Aktivisten, die behaupten, das Geld für den Buchladen stamme aus dem Vermögen des Großvaters, der es in der NS-Zeit angehäuft hätte.
Meine Meinung:
Leider bin ich mit dieser Familiengeschichte nicht wirklich warm geworden. Zum einen erscheinen mir die Charaktere ziemlich blass, haben wenig Ecken und Kanten und zum anderen habe ich erwartet, dass die Geschichte des Großvaters eine größere Rolle spielt. Tut er irgendwie nicht. Jedes der drei Kinder hat Geld aus dem Nachlass des Großvaters erhalten, warum also eskaliert die Eröffnung dieses Buchladens?
Interessant ist, dass jedes Mitglied der Familie Schönwald etwas zu verbergen hat. So wirkt die Familie ziemlich dysfunktional auf mich. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, weil Autor Philipp Oehmke in diesem Romandebüt häufig zwischen den Schauplätzen und den Charakteren herumspringt. Der häufige Perspektivenwechsel entwickelt eine eigene Dynamik, die durch einige eher langweilige Passagen abrupt stoppt. Dann nerven mehrfache Wiederholungen genauso wie die geschilderte Propaganda von Chris, der sich vom links-liberalen Professor zu einem Trump-Anhänger entwickelt hat.
Der Klappentext und der Einstieg mit dem Hinweis auf das angeblich unredlich erworbene Vermögen („Nazi-Geld“) des Großvaters haben mich in eine völlig falsche Richtung gelotst. Hierzu hätte ich mir mehr zu lesen, erwartet.
Es finden sich viel zu viele gesellschaftspolitische Themen in diesem Roman, die leider nicht alle mit der gebotenen Intensität besprochen werden können. Das eine oder andere wird lediglich angerissen und bleibt „halbfertig“ im Raum stehen. Da wäre wohl weniger mehr gewesen. Nicht alles, was einen Autor berührt oder was er weiß, muss dem Leser detailliert nahe gebracht werden.
Zu dieser Familie fallen mir gleich zwei Zitate aus Heimito von Doderers (1896-1966) Werken ein: „Wer sich in Familie begibt, kommt darin um“ oder ein „Nicht Schweigen, sondern Schwatzen ist das Gegenteil des Sprechens.“.
Fazit:
Dieser Roman hat seine eigene Dynamik, die Figuren selbst bleiben blass und haben mich nicht überzeugt. Deshalb gibt es nur 3 Sterne. -
Rezension zu Schönwald
- Maesli
Schönwald ist ein komplexer Familienroman, dessen knappe Zusammenfassung eine Herausforderung für mich geworden wäre. Deshalb gebe ich hier der Einfachheit halber den Klappentext vollumfänglich wider.Weiterlesen
Anders als Harry findet Ruth Schönwald nicht, dass jedes Gefühl artikuliert, jedes Problem thematisiert werden muss. Sie hätte Karriere machen können, verzichtete aber wegen der Kinder und zugunsten von Harry. Was sie an jenem Abend auf einem Ball ineinander gesehen haben, ist in den kommenden Jahrzehnten nicht immer beiden klar. Inzwischen sind ihre drei Kinder Chris, Karolin und Benni erwachsen. Als Karolin einen queeren Buchladen eröffnet, kommen alle in Berlin zusammen, selbst Chris, der Professor in New York ist und damit das, was Ruth sich immer erträumte. Dort bricht der alte Konflikt endgültig auf.
Meine persönlichen Leseeindrücke
Eines muss man Philipp Oehmke lassen; er ist ein souveräner und smarter Erzähler, der weiß, wie man Menschen skizziert und sie im Gefüge einer funktionierenden, oder eben nicht funktionierenden Familie einfließen lässt. Er analysiert eine Familie und ihre einzelnen Komponenten glasklar, ohne Empathie, und erstellt die Profile objektiv. Er wechselt geschickt die Perspektiven, um vom vermeintlichen Schönwald-Fluch zu erzählen und greift immer wieder Erzählfäden auf, die er eben noch abgelegt hat. Damit gibt er seinen Figuren, besonders Ruth und ihrem ältesten Sohn Christopher, große Plastizität und charakterliche Profile.
Christopher Schönwald ist für mich die faszinierendste Figur in diesem groß aufgezogenen Familien- und Gesellschaftsroman. Der große Bruder, der immer zur Stelle ist für seine Geschwister und der sich selber in eine Situation gebracht hat, aus der er schwer herausfindet.
So vielleicht hätte Chris sich mit einem Befreiungsschlag von den Zentner der Lügen und Auslassungen befreien können, die immer schwerer auf ihm lasteten.
Eine weitere Persönlichkeit, die omnipräsent im Roman ist, ist Ruth. Selbst eine grandiose Germanistin, blieb ihr die Verwirklichung ihrer großen akademischen Karriere verwehrt. Schlussendlich musste auch sie sich der gesellschaftlichen Erwartung fügen und ihre Rolle als Ehefrau und Mutter ausüben. Ein Schritt, den sie nach dem Motto ihres Vaters „Never complain, never explain“ der Familie mit Depression quittierte und ihr ein Dogma den Verdrängen aufzwängte.
Wieso kannst du überhaupt nicht mit ihr sprechen? Warum habt ihr keine Worte? Warum verleugnest du alles, wofür wir als Familie stehen? Du redest immer von Familie. Schon mal gemerkt? Das hier ist keine Familie.
Leider wird die ganz große Frage, für was schlussendlich die Geschwister Christopher, Karolin und Benni Schönwald geschichtlich geradestehen müssten, nicht geklärt. Schade, denn das hätte mich schon interessiert.
Der Leser sollte sich besonders bei den Abschnitten, die von Chris handeln, nicht an den Anglizismen stören. Auch die Passagen, die von der aktuellen Social Media Welt und ihrer abstrakten Kommunikationsweise erzählen, sind voll von englischen Begriffen. Mir war das z. T. auch zu viel, weil ich ja Deutsch lesen möchte, aber ich verstehe, dass etwaige Übersetzungen, sofern es sie überhaupt in Deutsch gibt, in diesem Kontext wahrscheinlich nicht so authentisch rübergekommen wären.
Fazit
Schönwald ist ein Familienepos und eine brillante Darstellung der aktuellen Gesellschaft, von Philipp Oehmke souverän und smart zu Papier gebracht. Die markanten Charakterisierungen der einzelnen Protagonisten in einem familiären Kontext, eine vermeintliche Nazivergangenheit des Großvaters, die sich in der Gegenwart wiederfindet und das von der Mutter aufgezwängt Familienkonzept des Verdrängens und Nichtaussprechens, gibt ein wenig schmeichelhaftes Bild der narzisstischen Jetzt-Zeit. -
Rezension zu Schönwald
- evelynmartina
Umfassende Familienaufstellung in Romanform und heutiger ZeitWeiterlesen
Familie Schönwald, bestehend aus inzwischen betagten Eltern sowie drei erwachsenen Kindern, treffen in Berlin zusammen, da die Tochter eine queere Buchhandlung eröffnen will. Doch soweit kommt es nicht, denn junge Leute aus der digitalen Welt machen dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Angeblich soll nämlich der finanzielle Hintergrund in der Nazi-Vergangenheit des Großvaters liegen. Aber nicht nur der Opa, sondern auch jedes einzelne Familienmitglied scheint ein Geheimnis mit sich zu tragen, das nach und nach zu Tage tritt.
Nach einem temporeichen Beginn flacht die eigentliche Familiengeschichte nach meinem Empfinden etwas ab, blitzt jedoch immer wieder auf und führt schließlich zu einem erwartbaren Ende. Bis dahin wird der Leser gefordert - lange, verschachtelte Sätze; permanente Zeit- und Ortssprünge; brisante, topaktuelle Themen der Gesellschaft und Politik und zwischendrin eigenwillige, problembehaftete Haupt- und Nebenfiguren, die sorgfältig porträtiert werden und langsam Gestalt annehmen. Man muss am Ball bleiben, um den Faden nicht zu verlieren, den Philipp Oehmke übrigens zu keinem Zeitpunkt verliert, auch wenn er des Öfteren vom Kern abschweift und sich im Fabulieren übt. Dass der Autor Redakteur ist und war, ist der Art und Weise seines Erzählens und seiner Wortwahl deutlich anzumerken, finde ich - up-to-date und auf der Höhe der Zeit, außerdem mit einem Schuss Humor und Sarkasmus versehen. Noch dazu hat er offensichtlich ein paar Eckpunkte aus seinem bisherigen Leben mit ins Geschehen einfließen lassen.
Gelesen habe ich die Geschichte der Schönwalds ganz gerne, mich in dem einen oder anderen ein Stück weit wiedergefunden und im Gesamten gut unterhalten gefühlt. Manche Längen hat es für mich während des Schmökerns dennoch gegeben und zum Schluss den Gedanken: „Too much“, um beim Sprachstil des Romans zu bleiben. Ein bisschen weniger von allem wäre vielleicht mehr gewesen.
Rezensionen zum Hörbuch
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Rezension zu Schönwald
- drawe
Huhu @Emili, wenn das so weitergeht, enden wir im Vollrausch!Weiterlesen
Klappentext:
»Wir sind, was wir uns selbst über uns erzählen.«
Eine Familie, zwei Generationen und ein tiefes Trauma, das sie miteinander verbindet: Anders als Harry findet Ruth Schönwald nicht, dass jedes Gefühl artikuliert, jedes Problem thematisiert werden muss. Sie hätte Karriere machen können, verzichtete aber wegen der Kinder und zugunsten von Harry. Was sie an jenem Abend auf einem Ball ineinander gesehen haben, ist in den kommenden Jahrzehnten nicht immer beiden klar. Inzwischen sind ihre drei Kinder Chris, Karolin und Benni erwachsen. Als Karolin einen queeren Buchladen eröffnet, kommen alle in Berlin zusammen, selbst Chris, der Professor in New York ist und damit das, was Ruth sich immer erträumte. Dort bricht der alte Konflikt endgültig auf.
Mein Hör-Eindruck:
Familientreffen – wer kennt das nicht?
Familie Schönwald, eine bildungsbürgerliche Wohlstandfamilie, trifft sich in diesem Roman zwei Mal, und zwischen diesen beiden Treffen entspinnt sich dieser opulente Roman. Das erste Treffen endet mit einem Eklat: auf die neu eröffnete queere Buchhandlung der Tochter Karolin in Berlin wird ein Anschlag verübt, und die Familie wird mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie vom ererbten „Nazigold“ ihrer Großeltern profitiere. Die Kontinuität von „Nazi-Gold“ in der jungen Bundesrepublik: eine interessante Form von Geldwäsche!
Dieses Treffen in Berlin ist der erzählerische Knotenpunkt, von dem aus dem Leser die Geschichte zunächst nur eines Familienmitglieds erzählt wird, bis sich in der Rückschau ein weiterer kleiner Knotenpunkt ergibt, an den der Erzähler die Geschichte eines anderen Familienmitglieds anknüpfen kann. Insofern erinnert der Roman mit seinen vielen Verästelungen an einen Stammbaum, der sich jedoch auf zwei Generationen beschränkt, dafür aber auch die Schwiegerkinder und deren Familien ins Visier nimmt.
Im Fortgang des Erzählens ergibt sich so ein dichtes Psychogramm dieser Menschen, die sich als Familie empfinden und die auch den Schutz durch die Familie gelegentlich erlebt haben. Hier erzählt der Autor eine anrührende Geschichte, wie sich der Älteste für seinen jüngeren Bruder einsetzt und sogar seine akademische Karriere für ihn aufs Spiel setzt.
Dennoch schottet sich jeder von ihnen ab und fürchtet sich davor, den Erwartungen der anderen nicht zu entsprechen. Jeder von ihnen schafft es nicht, sich der Familie so zu zeigen, wie er ist und seine beruflichen und privaten Probleme offenzulegen. Das Cover, das an ein Bild von Edvard Hopper, den Maler der Stille, erinnert, zeigt diese Beziehungslosigkeit sehr deutlich: die Figuren stehen nebeneinander, sie befinden sich in keinem Austausch, die Blicke richten sich in unterschiedliche Richtungen. Sehr passend gewählt!
Das entspricht der Familie Schönwald, wie wir sie als Leser erleben. Der äußere Schein wird gewahrt, da wird geblendet und simuliert, Konflikte werden unterdrückt, und vor allem: es wird geschwiegen und verschwiegen. Hier sind es die Mutter Ruth und ihre eigene Erziehung, die sich unheilvoll auswirken. Sie ist davon überzeugt, dass mit Reden noch nie eine Situation bereinigt worden sei. Sie ist so erzogen worden und gibt diese Überzeugung unreflektiert an die Kinder weiter: die „Oberflächenrealität“ der Familie soll immer unverändert bleiben. Und so kehrt sie ihre eigenen verpassten Chancen und ihr berufliches Scheitern, ihren „Lebensskorbut“, ebenfalls unter den Teppich.
Das zweite Treffen findet vor den Toren Berlins statt, und auch dieses Treffen endet mit einem Eklat. Die „Normalitätssimulation“ funktioniert nicht mehr, das Konstrukt einer Familie bricht zusammen. Es geht jedoch nicht um die Bereicherung der Familie durch die Nazi-Vergangenheit der Großeltern, sondern die alten Konflikte brechen auf, das Schweigen wird gebrochen, zumindest ansatzweise, und zurück bleiben die alten Eltern, auf sich selber zurückgeworfen.
Hinter diesem vielerlei verästelten Psychogramm einer Familie steht ein großes Panorama der Zeitgeschichte, und gelegentlich verlässt der Autor seine Rolle als Erzähler und zeigt sich als Journalist, wenn sein Bedürfnis zu groß wird, den Leser mit Hintergrund-Informationen und Analysen zu versorgen.
Der Roman besticht durch seine messerscharfen Formulierungen und seinen verhaltenen, oft ironischen Witz, mit dem manche Zeiterscheinungen bedacht werden. Ob das die MAGA-Bewegung Donald Trumps ist (die Beschreibung ihrer Mechanismen scheint Oehmke ein Anliegen zu sein!) oder die Beschreibung eines Vierseit-Bauernhofs, der sich mit modischen Angeboten an das Schicki-Micki-Klientel der Provinz richtet oder wenn ein Gesprächsteilnehmer im Gespräch gendert – man erkennt die Zeit und ist erheitert.
Auffällig sind die vielen Hinweise auf Thomas Mann. Namensgleichheiten, der Spitzname „der Zauberer“, Promotion und versuchte Habilitation der Mutter über Thomas Mann etc. und schließlich vor allem ein Foto vor dem Thomas-Mann-Haus in Pacific Palisades, das für den akademischen Absturz des glamourösen Professors Schönwald sorgt – die Hinweise sind unübersehbar. Der Grund? Knüpft Oehmke an den Familienroman „Buddenbrooks“ von Thomas Mann an bzw. will das Genre des Familienromans in Deutschland wieder beleben? Schön wäre es.
Das Hörbuch (17 Stunden!) wird eingesprochen vom Autor, und an seine verrauchte Stimme gewöhnt man sich sehr schnell. Beide, Buch und Hörbuch, hätten eine leichte Einkürzung vertragen.
Fazit: ein messerscharf formulierter, klarsichtiger Roman über eine Familie, bei der jedes Mitglied ein Ergebnis seiner Zeit und seiner Sozialisation ist.
Großes Lese-Vergnügen! -
Rezension zu Schönwald
- Emili
Über den Autor:Weiterlesen
Philipp Oehmke, geboren 1974, wuchs in Bonn auf, studierte Germanistik in Hamburg und war zwei Jahre lang Volontär bei der Zeitschrift Tempo. 2001 schloss er die Graduate School of Journalism der Columbia University mit einem Master of Science ab. Von 2002 bis 2006 war er Redakteur beim Magazin der Süddeutschen Zeitung, wo er auch die 50-bändige Buchreihe SZ-Diskothek herausgab. 2006 wechselte er als Redakteur in das Kulturressort des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Von 2015 bis 2020 leitet Oehmke das New Yorker Büro des Nachrichtenmagazins, für das er heute aus Berlin als Autor tätig ist.
Oehmke ist Autor der Biografie Am Anfang war der Lärm über die Rockband Die Toten Hosen. Das Buch erschien 2014 und stand mehrere Wochen in der Top Ten der Spiegel-Bestsellerliste.
Kurzbeschreibung:
Anders als Harry findet Ruth Schönwald nicht, dass jedes Gefühl artikuliert, jedes Problem thematisiert werden muss. Sie hätte Karriere machen können, verzichtete aber wegen der Kinder und zugunsten von Harry. Was sie an jenem Abend auf einem Ball ineinander gesehen haben, ist in den kommenden Jahrzehnten nicht immer beiden klar. Inzwischen sind ihre drei Kinder Chris, Karolin und Benni erwachsen. Als Karolin einen queeren Buchladen eröffnet, kommen alle in Berlin zusammen, selbst Chris, der Professor in New York ist und damit das, was Ruth sich immer erträumte. Dort bricht der alte Konflikt endgültig auf.
Meine Gedanken zu dem Roman:
Zunächst möchte ich sagen, dass ich "Schönwald" überraschend gut fand. Als ein großartiger Familienroman aus Deutschland der Gegenwart angekündigt, war ich mir nicht sicher, was mich erwarten würden. Als Leser ist man gewohnt eine Geschichte der Vergangenheit in Deutschland zu lesen, selten widmen sich die Autoren der Gegenwart zu, und wenn ja, gefielen mir von solchen Werken leider nur wenige. Anders bei "Schönwald" - voll und ganz überzeugt.
In dieser Geschichte widmet sich der Autor einer deutschen Familie der Gegenwart. Mutter, Vater, drei erwachsene Kinder, die schon ihre eigenen Wege gehen. Soweit so gut, doch die Charaktere sind einfach großartig. Da haben wir das Familienoberhaupt, über siebzig, der etwas verpeilt inzwischen durch das Leben geht, dabei war er als Oberstaatsanwalt tätig, aber jetzt eher zurückhaltend, da die Frau Mutter die Führung übernimmt, gutmütig und insgeheimen eine Psychotherapie machend, da die Ehe doch nicht so zufriedenstellend ist, wie er zeigt. Seine durchaus kluge Frau Ruth ist bemüht, all die Konflikte, die in dieser Familie auftreten, unter den Teppich zu kehren und kleinzureden, denn Aussehen der Familie ist extrem wichtig. Wie stünden die denn da, wenn die Menschen über die Schwierigkeiten und Nöte der Eltern und den Kindern wissen würden, was würden die Leute bloß sagen. Das Muster ist sicherlich vielen bekannt.
Aber kommen wir zu Kindern. Der Roman beginnt munter mit einer Episode aus Berlin-Kreuzberg. Hier kommen die herrlichen Anspielungen an die politische und gesellschaftliche Situation in Deutschland der Gegenwart. Die Tochter, oder lesbisch, oder nicht, muss sich noch entscheiden, bisher erfolglos in ihrem Leben, was seine Gründe hat, beschließt einen Buchladen zu eröffnen. Natürlich um den zeitgemäß zu gestalten, muss das Buchladen queer sein. Was eine unerwartete kleine Demonstration mit sich bringt...
Aber liest es selbst. Es ist köstlich. Die satirischen Anspielungen auf die moderne Gesellschaft sind scharf, zugespitzt, da die zum Teil zynisch gemeint sind, absolut gekonnt in die Szene gesetzt. Ich habe den Roman genossen.
In dieser dysfunktionalen Familie, oder vielleicht ganz normalen, wie viele anderen auch, sind noch zwei Prachtexemplare von Kindern zu erwähnen. Chris, ein ehemaliger Universitätsprofessor an der Columbia University, nun ein Podcast Sprecher für Trump, da es besser bezahlt wird und Benni, das Nesthäkchen der Familie, liiert mit einer Frau, die eine ausgeprägte Phobie gegen seiner Familie hat.
Amüsante Geschichte, die voller Dialoge, bemerkenswerte Wahrheiten, voller Psychologie ist und leider nicht immer komisch, denn dafür sind die gesellschaftlichen und politischen Fragen, die aufkommen, auch Schuldempfindungen der deutschen Vergangenheit gegenüber, die Rückblicke zu ernsthaft, vielleicht auch schmerzhaft und gewichtig.
Als Romanerzähler ist Philipp Oehmke ein Debütant, doch von seiner literarischen und erzählerischen Leistung ein großer Könner.
Ich habe den Roman als Hörbuch mit großem Vergnügen gehört.
Vorgetragen wurde das Buch von dem Autor selbst, was bei mir keine Wünsche offen lies. Dauer des Hörbuchs ist mit 17 Stunden etwas zu lang, doch unbedingt lesens- oder hörenswert.
Es gibt nur eine passende Bewertung für diese herausragend gute Unterhaltung. 5 Sterne.
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