Der Schreckenshelm: Der Mythos von Theseus und dem Minotaurus

Buch von Viktor Pelewin, Andreas Tretner

Zusammenfassung

Serieninfos zu Der Schreckenshelm: Der Mythos von Theseus und dem Minotaurus

Der Schreckenshelm: Der Mythos von Theseus und dem Minotaurus ist der 4. Band der Myths Reihe. Diese umfasst 17 Teile und startete im Jahr 2005. Der letzte bzw. neueste Teil der Serie stammt aus dem Jahr 2013.

Bewertungen

Der Schreckenshelm: Der Mythos von Theseus und dem Minotaurus wurde insgesamt 3 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,5 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Der Schreckenshelm: Der Mythos von Theseus und dem Minotaurus

    Klappentext:
    […]
    Der Klappentext ist dem ersten und den beiden letzten Abschnitten des Prologs des Autors zu seinem 186 Seiten kurzen Büchlein entnommen.
    Meine Meinung zum Buch:
    Ich weiß gar nicht, wie ich eine Rezension hinbringen soll. Bücher des russischen Autors Viktor Pelewin widersetzen sich einem solchen Unterfangen wohl ebenso sehr wie Bücher von Jorge Luis Borges, wobei Pelewin im Schreckenshelm Borges nicht nur zitiert, sondern wohl auch eine von dessen Kurzgeschichten deutlich im Hinterkopf hatte (d.h. eigentlich weit mehr als eine …). Zu breit erscheint der philosophische Anspruch, die spielerischen Elemente und die Bezüge zur Mythologie zu vielfältig. Der Schreckenshelm dürfte außerdem Viktor Pelewins schwierigstes Buch sein, komplex in jeder Hinsicht. Egal, ich versuche es trotzdem:
    Der Autor setzt den griechischen Mythos von Theseus und dem Minotaurus in einer Art postmoderner und ziemlich humoriger Aufarbeitung um. Dabei beweist Herr Pelewin wieder mal sein Genie: das Büchlein besteht aus der Niederschrift eines „Threads“ (= das englische Wort für „Faden“, wie wir alle wissen) in einem geschlossenen Chatroom. – Na, wer errät den Namen der Userin, die den Thread eröffnet hat? Genau, sie trägt den Nutzernamen „Ariadne“! An diesem Thread beteiligen sich nach und nach diverse andere User, die feststellen, dass sie sich alle augenscheinlich in der gleichen räumlichen, wenn auch voneinander räumlich isolierten Situation befinden; keiner von ihnen scheint eine Ahnung zu haben, wie er in diese Situation gelangt ist und was für einen Sinn das Ganze haben soll, und natürlich noch weniger, wie man dort wieder hinauskommt.
    Die Forensoftware scheint jegliche persönliche Information in den Beiträgen der unfreiwilligen Nutzer zu unterdrücken, sodass diese nur auf eine allgemeine, geradezu abstrakt wirkende Art und Weise theoretische Lösungsansätze zu den offensichtlichen Fragen suchen können: wie sind sie in diese Situation gekommen, von wem wird sie gesteuert, wozu das Ganze, was liegt außerhalb ihrer beengten räumlichen Situation etc. Es wird recht schnell klar, dass es sich um eine Art Parabel handelt, in der das Wesen von Metaphysik als philosophische Disziplin versinnbildlicht wird. Dabei können die User im Schreckenshelm noch nicht einmal ihren Benutzernamen frei wählen. Anonyme Moderatoren-Eingriffe werden immer wieder sichtbar, jedoch nie ein möglicher Hintergrund für dieses blinde Experiment (?) mit den unfreiwilligen Nutzern …
    Mir hat es beim Lesen einfach riesigen Spaß gemacht, hinter einzelnen Umständen und Begebenheiten Analogien auf unser „richtiges Leben“, auf das, was wir als „Realität“ wahrnehmen, zu suchen. Außerdem haben die Nutzer im Buch jeweils noch ein individualisiertes Labyrinth, sozusagen auf die eigene Person zugeschnitten. Da kam doch gleich die Frage hoch, wie denn mein eigenes Labyrinth, oder auch wie Herrn Pelewins persönliches Labyrinth ausschauen würde. Und doch hatte ich immer wieder auch den Eindruck, dass Pelewin sich eins gefeixt hat beim Schreiben, den Spaß am Schreiben und am Stiften tiefer Verwirrung im Leser kann man gar nicht übersehen.
    Pelewin theorisiert nicht trocken herum, oft genug wirkt seine Schreibe geradezu dödelig und respektlos. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass er das Grundthema seines Buches aus den Augen verliert, im Gegenteil: er arbeitet sehr konzentriert den Umgang mit metaphysischen Fragen als Thema des Verlorenseins in einem Labyrinth aus, und dies gleich auf mehreren Ebenen. Das Thema des Labyrinths findet sich sowohl in mehreren verbalen und mentalen Konzepten der User, in ihrer räumlichen Umgebung als auch in den verwirrenden sackgassenartigen Verzweigungen des Threads wieder, also auf einem ganzen Haufen verschiedener Ebenen. Und so ganz nebenbei schafft es der Autor, auch im Kopf des Lesers Verwirrung zu stiften und setzt ihm den Schreckenshelm auf (Das kann nicht ohne Feixen seitens Herrn Pelewins abgegangen sein beim Schreiben, das Buch hat auf diese Weise quasi schon etwas Interaktives an sich).
    Vielfältige Labyrinthe sind jedoch nicht die einzigen Zeichen, mit denen die Threadnutzer und die Buchleser konfrontiert werden. In den Räumlichkeiten der Nutzer taucht immer wieder eine Art Asterisk auf. Zusammen mit dem der Einleitung vorangestellten Zitat von Jorge Luis Borges: „Keiner kam darauf, dass Buch und Labyrinth ein und dasselbe waren …“ und dem Warten auf Theseus kommt sofort eine weitere Kurzgeschichte von Borges in den Sinn: in seiner Kurzgeschichte „Das Haus des Asterion“ (zu finden in der Geschichtensammlung „Das Aleph“) hat Borges die Legende des Minotaurus von einer völlig anderen Seite beleuchtet. Er stellt darin den Stiermensch als eine grausam vereinsamte Kreatur dar, die in ihrer immensen Verwirrung und Verlorenheit im Leser eine innige Empathie für Asterion erzeugt, der ursprünglich in der klassischen Legende als gewalttätiges Monster ausnahmslos als Bedrohung für die Menschen dargestellt wird. Wahrnehmung und Realität im Sinne von Schopenhauers "Die Welt als Wille und Vorstellung" spiegeln sich sowohl in Borges "Das Haus des Asterion" als auch in Pelewins Der Schreckenshelm wider, und zwar im Symbol des Schreckenshelm selbst – die Frage, ob das Ich in der „realen Welt“ existiert oder eben „die reale Welt“ sich in unserem Kopf befindet, verwendet der Autor nämlich als weiteres labyrinthisches Element.
    Es gibt in Der Schreckenshelm noch etliche andere Elemente / Symbole / Bezüge / Ebenen, die für Ver(w)irrung stehen (und auch eine solche hervorrufen) und dem Labyrinth, das diese Geschichte selbst in sich formt, weitere Komplexität hinzufügen. (Ich weise an dieser Stelle mal darauf hin, dass Jorge Luis Borges in zig seiner Geschichten das Labyrinth als ein zentrales Element verwendet. Labyrinthe kann man auch in einigen weiteren von Pelewins Büchern finden). Bewundernswert scheint mir dabei die ausgeprägte Phantasie, über die der Autor verfügt (sie zeigt sich in allen seiner Werke), und seine vielfältige Assoziationsfähigkeit, mit der er sich mit spielerischer Leichtigkeit von einem Aspekt zum nächsten hangelt. Wahrscheinlich sind es gerade seine Phantasie und seine Assoziationen, die ihm einen breit angelegten Einsatz von Humor erlauben – eine Art von Humor, die von einigen Lesern sicherlich als zu viel empfunden werden dürfte. Sogar die Semiotik spielt in Der Schreckenshelm eine Rolle, und den dabei eingeflochtenen Humor empfinde ich persönlich als genial erheiternd – man kann sogar hinter Assoziationen zu Batman, griechischer Doppelaxt, der „bullish“-Werbung von Merril-Lynch etc. etc. Pelewins Faible für das weite Feld der Semiotik und somit wesentlich mehr als nur flach-dödeligen Unfug erkennen. Noch ein Detail, das mich begeistert an diesem russischen Schriftsteller, ist der Hang zum Theoretisieren und Redenschwingen, den seine Figuren hie und da demonstrieren, und für die man auf jeden Fall eine gehörige Portion Humor mitbringen sollte …
    Die mythologischen Zusammenhänge setzen sich meines Erachtens wie folgt zusammen: „Asterios“ gab es in der griechischen Mythologie zum einen als prä-Zeus-Gottheit, wobei sich der Name „Asterios“ auf den Sternenhimmel, also auf die „dunkle“ Seite der Gottheit bezog, die teilweise in Form eines Stieres auftrat. Aber es gab den Asterios auch als Gatte der Europa und Stiefvater ihrer drei Söhne, die Zeus mit ihr gezeugt hatte (Zeus hatte Europa zu diesem Zweck entführt, und zwar in Verwandlung eines Stieres. Wie es dann in der nächsten Generation zum Minotaurus kam, dürften die meisten noch in Erinnerung haben – wenn nicht, kann man’s bei Bedarf googeln) … Der Bezug zum „Schreckenshelm“ findet sich allerdings in der nordischen Mythologie: der „Oegishjalmr“, der wörtlich übersetzt „Schreckenshelm“ bedeutet, ist dabei ein sternförmiges Zeichen auf der Stirn, das denjenigen, der so gekennzeichnet ist, nach außen hin als furchteinflößend und grauenerregend darstellt, also ganz anders nach außen darstellt als er eigentlich ist. Mit dieser Sternrune und ihrer Bedeutung lässt sich mythologisch der Kreis zwischen dem Minotaurus, dem Asterion bei Borges und dem Schreckenshelm schließen, den Pelewin als Grundlage zu seinem Buch Der Schreckenshelm gemacht hat. Die dunkle, die bedrohliche Seite (bzw. ihre Wahrnehmung, die ja nicht unbedingt mit "Realität" gleichbedeutend ist) taucht nicht nur bei Asterion in der griechischen Mythologie und in der Kurzgeschichte von Jorge Luis Borges auf, sondern auch bei Pelewin ist sie nicht zu verfehlen.
    Beim ersten Lesen hatte ich den Schluss nicht so recht verstanden; jetzt, wo ich das Büchlein zum zweiten Mal gelesen habe, ist mir eine Unregelmäßigkeit bei den Teilnehmern aufgefallen, die, wie ich glaube, der Schlüssel zur Auflösung des Buches ist – gut und unerwartet ist der Schluss auf jeden Fall, so viel ist sicher. Ich fand Der Schreckenshelm bei der zweiten Lektüre sogar noch viel unterhaltsamer und anregender als bei der ersten – ich denke, ich werde ihn auf jeden Fall noch ein drittes Mal lesen. Ich für meinen Teil liebe Bücher, bei denen das Hirn gehörig beansprucht wird und die mich gleichzeitig amüsieren.
    Wie in den meisten von Viktor Pelewins Büchern der Fall, ist auch dieses Buch sicherlich nicht als Buch für die breite Masse der Leserschaft von Mainstream und sonstigen schön erzählten vordergründigen Geschichten zu werten. Fans von abgedrehter literarischer Postmoderne mit einer ausgeprägten Neigung zu weniger üblichen Denkrichtungen und hochgradiger Phantastik dürften hier eher auf ihre Kosten kommen – wobei ausdrücklich gelten muss: ich beabsichtige hiermit keine Wertung von Geschmäckern und keine Einteilung in Normalos und Geeks oder Freaks oder was auch immer! Wahrscheinlich haben alle wie auch immer gearteten Präferenzen im Bereich Literatur mehr oder weniger ihre eigene Berechtigung, nehme ich an.
    Mir persönlich erscheint die komplexe und findige Art der schriftstellerischen Darstellung des Labyrinth als Thema, das in sich selbst Komplexität in seiner reinsten Form verkörpert, eine witzige leserische Herausforderung mit einem für mich extrem hohen Unterhaltungswert; deshalb habe ich Der Schreckenshelm von Viktor Pelewin mit ganz klaren fünf Sternen bewertet.
    Zum Autor:
    Da ist nicht viel zu sagen … Viktor Pelewin lässt die Öffentlichkeit sehr selten und auch dann nicht nah genug an sich 'ran. Geboren wurde der Schriftsteller 1962 in Moskau, hat, wenn man einigen Quellen glauben darf, zuerst Maschinenbau studiert, dann zum Studiengang Literatur gewechselt, und wohl auch dieses Studium nicht beendet. Er hat dann u.a. in einem russischen Verlag an der Herausgabe von Carlos Castaneda-Bänden mitgearbeitet, Artikel für diverse Zeitschriften geschrieben, nach der Auflösung der Sowjetunion als Werbetexter gearbeitet und mit seinen schriftstellerischen Veröffentlichungen von Anfang an Beachtung gefunden. Die meisten seiner Bücher und Kurzgeschichten sind auch auf Deutsch erschienen, spätestens mit seinen Werken Generation P und Buddhas kleiner Finger hat er sich als Kultautor etabliert. Der letzte Roman des Schriftstellers, der ins Deutsche übersetzt worden ist, war SNUFF, dessen russisches Original 2011 erschien. Seitdem sind weitere Romane erschienen (die Titel lauten übersetzt in etwa „Batman Apollo“, „Die drei Zuckerbrins“ und zwei Bände der „Wächter“-Serie), von denen zumindest bisher nichts bezüglich einer Übersetzung verlautet worden ist.
    Viktor Pelewin entzieht sein Privatleben dem Medienrummel, er gibt nur sehr, sehr selten Interviews und gar keine Lesungen. Er möchte, dass seine Werke für sich selbst stehen. Ich denke, das schaffen sie problemlos, zumindest in meinen Augen.
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Ausgaben von Der Schreckenshelm: Der Mythos von Theseus und dem Minotaurus

Hardcover

Seitenzahl: 208

Taschenbuch

Seitenzahl: 192

Der Schreckenshelm: Der Mythos von Theseus und dem Minotaurus in anderen Sprachen

  • Deutsch: Der Schreckenshelm: Der Mythos von Theseus und dem Minotaurus (Details)
  • Englisch: The Helmet of Horror: The Myth of Theseus and the Minotaur (Details)

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