Zwischen Welten

Buch von Juli Zeh, Simon Urban

  • Kurzmeinung

    Sushan
    Grandios! Die deutsche/westliche Gesellschaft in a Nutshell.
  • Kurzmeinung

    Marie
    Satirisch überhöhter Dialogroman mit engagierten Leuten, die sich z.T. verhalten wie kleine Kinder

Bewertungen

Zwischen Welten wurde insgesamt 13 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,7 Sternen.

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Meinungen

  • Grandios! Die deutsche/westliche Gesellschaft in a Nutshell.

    Sushan

  • Satirisch überhöhter Dialogroman mit engagierten Leuten, die sich z.T. verhalten wie kleine Kinder

    Marie

  • Ein Landei zankt sich mit einem Luxus-Städter

    mapefue

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Zwischen Welten

    Vom digitalen Kannibalismus
    In „Zwischen Welten“ von Juli Zeh und Simon Urban lesen wir einen digitalen Briefwechsel zwischen dem systemkonformen, mainstream-gerichteten Pseudo-Journalisten Stefan und der stetig auf Krawall gebürsteten Bäuerin Theresa. Deren Positionen könnten unterschiedlicher nicht sein und dennoch reicht die alte Freundschaft aus Studentenzeiten fast über 444 Seiten. Bis Theresa die Nase endgültig voll hat und nicht mehr antwortet.
    Ich habe – sage und schreibe – 17 Klebchen (Page-Marker) im Buch verteilt, weil ich die Zitate so spannend fand oder auch etwas nicht wusste, was es nachzuschlagen galt.
    Dieser Briefroman liest sich sehr flüssig, was angesichts seiner Form schon erstaunlich ist. Wenn auch die zahlreichen Gendersternchen von Stefan genauso zermürbend sind, wie seine Weltanschauung, obwohl er doch gerade als Journalist alle Seiten im Blickfeld haben sollte. Hat er aber nicht. Theresas Seite ist aus meiner Sicht nachvollziehbar, auch ihre ungeheure Wut auf die deutsche Bürokratie, die offensichtlich die Bauern besonders hart trifft. (Ich gehe davon aus, dass punktgenau recherchiert ist.) Einzig ihren Hang zur E-Mobilität begreife ich nicht, es wird öfters erwähnt, dass Basti, Theresas Ehemann, von einer E-Auto-Werkstatt träumt.
    Theresa, die Vollblutbäuerin, liebt ihre Kühe, obwohl der Hof unrentabel ist. „Bei einer Auflösung des Hofs hätte man sie (die Kühe) alle geschlachtet. Man hätte ihre Masse, ihre Wärme und ihre Freundlichkeit restlos ausgelöscht.“ (S. 32)
    Manchmal hat sogar Stefan kleine Erleuchtungen: „Wie sehr die politischen Bedingungen eure Familiengeschichte mitbestimmt haben, das finde ich tragisch.“ (S. 41) Oder hier: „Ich saß in Rosi’s Bar und schaute mir an, wie alle permanent mit ihren Smartphones zugange waren. Überall strahlende Devices in der Nacht. Darüber die bleichen Geistergesichter im Displaylicht, erstarrt in Ehrfurcht vor der unendlichen Verfügbarkeit von allem und jedem.“ (S. 68)
    Theresa lernt eine junge Frau kennen, Eva, die Tochter des Nachbarn und Bauern Lars. Eva: „Der Staat macht uns systematisch kaputt.“ (S. 110) Oder später sagt Eva: „Dass Politik heutzutage nur noch Verarsche sei und dass ich (gemeint ist hier Theresa) endlich rauskommen müsse aus meiner Komfortzone.“ (S. 205) Theresas Vater zerbrach „an der grinsenden Heuchelei der BRD.“ (S. 226) Und dann wieder Eva: „Das Volk will nicht gendern, es will keine Cancel Culture, keine Lastenfahrräder und keine Pseudoskandale um kulturelle Aneignung …“ (S. 268)
    Theresa erwähnt auf Seite 303 den Paragraphen 314 des Strafgesetzbuchs: „Wer Gegenstände, die zum öffentlichen Verkauf oder Verbrauch bestimmt sind, vergiftet oder ihnen gesundheitsschädliche Stoffe beimischt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.“ Darauf möge sich nun ein Jeder seinen eigenen Reim machen. Und auf Seite 325 schreibt sie an Stefan: „Das System ist ein Witz, über den niemand mehr lacht. Es ist höchste Zeit, aus der Reihe zu tanzen. Kein Schaf in der Herde mehr zu sein. Erstaunliche Erkenntnis: Die Angst verschwindet, sobald man das Heer der Konformisten verlässt. Kaum streift man das Kostüm des Untertanen ab, kehrt Seelenfrieden ein.“ Später, auf Seite 346 schreibt sie: „Kein Vorgang in Deutschland ohne ein Maximum an Papierkram. Geboren werden, sterben oder abbrennen – Hauptsache, ein paar neue Aktenordner werden voll.“
    Auf Seite 359 schreibt Theresa: „Während ich hier sitze und meine Kühe betrachte, die so friedlich zurückschauen, so vertrauensvoll, so tapfer, so unglaublich bereit, mir (und überhaupt allen Menschen) zu dienen, und die deshalb Anspruch darauf haben, respektvoll und gut behandelt, ja: geliebt zu werden – dann spüre ich mehr denn je, was meine Aufgabe ist.“
    Ich glaube, ich habe noch nie bei einer Rezension so viele Zitate erwähnt, aber hier war es einfach nötig.
    Fazit: Ich mochte das Buch sehr und es war wirklich flüssig zu lesen und das trotz des Briefwechsels. Es wurde sehr kontrovers diskutiert, bzw. geschrieben und gerade das vermisse ich in der heutigen Zeit der Meinungsunfreiheit. ****
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  • Rezension zu Zwischen Welten

    „Zwischen Welten“ handelt von Stefan „Stevie“ „Steffy“ und Theresa „Tessa“. Stefan ist 46 und Single. Er wohnt in einer so puristisch wie teuer eingerichteten Wohnung in Hamburg (mit bulthaup-Küche!), Kulturchef einer renommierten Wochenzeitung mit dem Sch…Titel DER BOTE, fragt sich nur welche BOTschaft der BOTE überbringt. Theresa ist 43, seit zwölf Jahren mit Basti verheiratet und Mutter zweier Kinder. Sie führt einen Bio-Bauernhof in Schütte in der brandenburgischen Provinz.
    Während des Studiums haben Stefan und Theresa zusammen in einer WG in Münster gewohnt – wie Bruder und Schwester. Asexualität, dafür redeten beide gerne und viel. Als Theresa ihr Studium abbrach, um nach dem Tod ihres Vaters den Hof zu übernehmen, haben sich die beiden aus den Augen verloren. Jetzt nach zwanzig Jahren laufen sie sich in Hamburg zufällig wieder über den Weg. Das Wiedersehen endet in einem Desaster. Nomen ist omen. Der Briefroman kann beginnen. Natürlich modern - per E-Mail und WhatsApp.
    Stefan und Theresa beschreiben ihre jeweiligen Lebenswelten. Und diese Welten trennen Welten, mit starker Zuspitzung, die unter die Haut geht, sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Während Theresa frühmorgens aufsteht, um 200 Kühe zu melken, sitzt Kulturjournalist Stefan im ICE, um zu einer Kunstvernissage zu fahren, seinen Caffè Latte mit Hafermilch schlürfend. Theresa in der anderen Welt, die sich Tag für Tag Hände und Gummistiefel dreckig macht, nie mit ihrer Familie für ein paar Tage in Urlaub fahren kann und trotz dieser Schufterei keine Chance hat, mit ihrem Hof finanziell je auf einen grünen Zweig zu kommen.
    Theresa und Stefan brennen sämtliche aktuellen Themen unter den Nägeln: Von Klima- und Landwirtschaftspolitik über die (Un-)Abhängigkeit der Presse, Rassismus, Corona-Maßnahmen und den Ukraine-Krieg bis hin zum Gendern in der Sprache kommt alles vor.
    Stefan entpuppt sich als „kastrierter Bettvorleger“, ein echtes Weichei, karrieregeil und als Mann ohne Partizipien. Ein theoretisierender Blender, auf den menschlich kein Verlass ist.
    Ganz anders Theresa, die als Antwort auf die Tragödien in ihrer nächsten Umgebung, auf die politischen Verwerfungen der deutschen Landwirtschaftspolitik und den Umgang mit den Menschen während der Bodenreform in der alten DDR. Sie kennt nur eine Antwort und die gibt sie, eine Powerfrau, die mit offenem Visier kämpft.
    Ein hochaktueller Roman darüber, wie polarisiert unsere Gesellschaft ist und wie politische Streitthemen Beziehungen zerfressen können.
    Gendern ja, aber richtig - sprich vernünftig: Keine Sternchen, keine Unterstriche, beim Zeus – kein Binnen-I, kein Gender-Gap, kein Bindestrich, dann doch ausgeschrieben. Viel besser: Bei der ersten maskulinen Personenbezeichnung im Text eine Fußnote einfügen, in der zum Beispiel steht: „Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter.“
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  • Rezension zu Zwischen Welten

    Der neue Juli Zeh-Roman, an dem irgendwie noch Simon Urban mitgewirkt hat, als Buch der Stunde zur Spaltung unserer Gesellschaft – aber eigentlich reizen die Dialoge mehr als die skizzierten Weltanschauungen.
    Der Roman besteht aus einer Serie von längeren E-Mails und kürzeren WhatsApp-Nachrichten, die Theresa und Stefan miteinander austauschen. Beide waren zu Zeiten des seligen Germanistik-Studiums WG-Genossen und einander die besten Freunde, die Art Freunde, die zusammen bis zum Morgengrauen Rotwein trinkend über Philosophie, Literatur (man teilt die Bewunderung für Martin Walser – darauf wird aus irgendeinem Grund viel Wert gelegt) und Gott und die Welt reden. Doch seitdem sind über 20 Jahre vergangen und beide sind unterschiedliche Wege gegangen. Stefan schreibt für den Boten, der fiktiven größten Wochenzeitung Deutschlands, und setzt sich vehement für Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit und Antirassismus ein. Seinen journalistischen Beruf versteht er als Berufung. Theresa hingegen hat den brandenburgischen Hof ihres Vaters übernommen, diesen auf Bio-Landwirtschaft umgestellt, und seitdem jeden Tag mit aller Kraft dafür gekämpft, entgegen allen Widerständen den Betrieb über Wasser zu halten. Besonders die Politik wird als Gegner wahrgenommen. Nebenbei behauptet sich sich noch als verheiratete Mutter zweier Kinder.
    Nur durch Zufall begegnen sich die beiden Anfang 2021, streiten sich aber sofort. Kurz darauf stellen sie den Kontakt auf elektronischem Wege wieder her und beschließen, um der alten Freundschaft willen noch einmal von vorne anzufangen. Das gelingt zwar nur bedingt, denn es wird stellenweise geätzt, gewürgt und gestichelt, aber es gelingt, so irgendwie. Und diesem dauerpolemischen Austausch wohnt der Leser nun bei.
    Mehr als nur zwei Pappkameraden
    Das Projekt "Briefroman 2.0" geht meiner Meinung auf zweierlei Weise auf. Zum einen entwerfen Zeh und Urban mit ihren beiden Protagonisten zwar leicht überzeichnete, aber nicht auf allzu plakative Klischees angelegte Figuren. Dafür sind Theresa und Stefan zu zweideutig. Theresa schimpft zwar wie ein Rohrspatz über Stefans Wokeness, seine mutmaßliche Bubble-Mentalität und seinen Hang zum konsequenten Gendern, repräsentiert aber deswegen nicht gleich irgendein "Dunkeldeutschland". Sie bekennt sich glaubwürdig zu ähnlichen progressiven Idealen und setzt sich selber dafür ein, Bio-Landwirtschaft erfolgreich zu betreiben, weil sie es für wichtig hält. Eher stellt sie einen gefrusteten Unternehmer aus dem Mittelstand dar, die aber nur bedingt sympathisch wirkt. Stefan kommt auf der Länge des Romans weniger gut weg, neigt er doch zur selbstverliebten Nabelschau, die an Karikatur grenzt, erlangt aber im Laufe des Romans einige selbstkritische Einsichten, die ihm die Chance zu einer Wendung bieten. Dass seine persönliche Entwicklung weiter dennoch kompliziert bleibt (um nicht zu viel zu verraten), fügt seiner Figur weitere Facetten hinzu.
    Textnachrichten als psychoanalytische Tools?
    Zum anderen ist die Form des Brief- bzw. Mail-Romans gut gewählt und ebenso gelungen umgesetzt. Gut gewählt ist sie nicht nur, weil sie vermeintlich dem digitalen Zeitgeist gerecht wird, von wegen Twitter und die Lust zur Zuspitzung. Sie bietet auch einen fabelhaften Einblick in das Selbstverständnis der beiden Textenden und ihr ständiges Aushandeln ihrer Selbst- und (erhofften) Fremdwahrnehmung, die ihre Neurotik kennzeichnet. Dieser Aspekt ist deutlich interessanter und vergnügsamer als die Gegenüberstellung zweier grundverschiedener Weltanschauungen: Die Art und Weise, wie in einer (freilich konstruiert erscheinenden) Mail-Freundschaft mit- und übereinander gesprochen wird.
    Gelungen ist sie, weil Zeh und Urban den Sound von informellen Textnachrichten verblüffend treffsicher kopiert haben. Insbesondere die ständigen Selbstironisierungen und humoristischen Einschübe machen die Mimikry komplett. Diese bewegen sich permanent an der Grenze zum Banalen, was nur folgerichtig ist. Wir sind schließlich nicht ständig witzig und geistreich, schon gar nicht, wenn wir nur kurz zwischendurch irgendwelche Nachrichten raushauen, das ist nur natürlich.
    Die tadellose Orthographie und Grammatik schenke ich den Autoren, wir reden hier immerhin von zwei einstigen Germanistik-Studenten.
    Einziger Wermutstropfen ist die Volte, die der Roman auf den letzten Metern schlägt. Scheint erst dem Konzept zuletzt die Luft auszugehen (ausgerechnet, weil man sich im Kreise dreht), schlägt die Handlung in eine bitterböse Groteske um, die die Realität überholt und deutlich hinter sich lässt. Das kann man getrost witzig finden, ist aber als unsubtile Übertreibung ein arger Bruch, der wohl kaum dokumentarischen Anspruch erheben dürfte und der sich obendrein ein wenig zieht. Dennoch ist Zwischen Welten eine launige und lesenswerte Satire auf digitalen Politdiskurs.
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  • Rezension zu Zwischen Welten

    Dieser Roman – ein garantierter Bestseller – schließt nahtlos an die letzte Veröffentlichung („Über Menschen“) der Star-Autorin an. Auch in diesem Werk befassen sich ZEH und ihr Mitautor mit der vermeintlichen Spaltung in unserer Gesellschaft.
    Damit unübersehbar wird, wie dicht die Autoren am Puls der Zeit schreiben, datieren sie die Beiträge ihrer beiden Protagonisten (Stefan und Theresa) chronologisch durch das Jahr 2022 (bis zum Oktober).
    Der Text besteht tatsächlich ausschließlich aus Chat- und Maildialogen dieser beiden Personen; soweit Ereignisse oder Handlungen beschrieben werden, sind diese in die jeweiligen Botschaften eingewoben. Die Kommunikation zwischen Autoren/Erzählern und der Leserschaft erfolgt also „über Bande“.
    Für Aussagekraft und Wirkung einer solchen Konstruktion – kontroverse gesellschaftliche Positionen zu personalisieren – ist natürlich entscheidend, welche beiden „Welten“ da gegenseitig in Stellung gebracht werden.
    Auf der einen Seite ist da ein erfolgreicher Journalist, der als Teil einer liberal-ökologisch-genderaffinen Szene (man nennt das heut „Blase“) damit beschäftigt ist, die Veränderungen in der Print-Medienwelt im Schatten der Social-Media-Kanäle zu gestalten und zu erleiden. Dabei steht das große Meta-Thema „Klimawandel“ exemplarisch für die Grundsatzdebatte, wie der „seriöse“ (neutrale) Journalismus mit der Forderung nach klaren Positionen und Haltungen umgehen soll – angesichts der Größe und Dramatik der aktuellen Herausforderungen. Kurz gesagt: Wie vertragen sich Aktivismus und Journalismus?
    Ihm gegenüber steht eine Landwirtin, die sich nahezu rund um die Uhr und im Schweiße ihres Angesichts darum bemüht, einen in Brandenburg geerbten kleineren Hof durch all die Krisen zu steuern, denen sie sich durch wirtschaftliche, gesetzliche und bürokratische Zumutungen ausgesetzt fühlt.
    Damit diese Kontrahenten ein ganzes Buch lang diskutieren und streiten können, muss es natürlich eine Verbindung geben: Die beiden hatten zusammen in Münster studiert und dort in einer Zweier-WG sehr vertraut (aber rein platonisch) zusammengelebt, sich dann aber wegen des plötzlichen Umzugs von Theresa aus den Augen verloren.
    Während das am Anfang des Prozesses als Bindungsglied reicht, wird später noch ein (besonders bei Stefan) erwachendes erotisches Interesse als Stabílisierungelement eingeführt. Das führt dazu, dass sich die Inhalte der schriftlichen Dialoge in der zweiten Hälfte des Buches auf den privaten, emotionalen Bereich ausdehnen.
    Während also die Leserschaft recht ausführlich mit Journalismus und Landwirtschaft in Kontakt kommt, findet parallel ein heftiger Schlagabtausch zu den Aufreger-Themen des Jahres 2022 statt: Gendern (er ja, sie nein), Ukraine-Unterstützung (er ja, sie skeptisch), Tierhaltung (er nein, sie liebt ihre Kühe), Klima-Engagement (er ausgeprägt, sie zunehmend genervt).
    Die Autoren fokussieren immer wieder auf den Gegensatz zwischen „intellektuell-phrasenhafter Theoriewelt“ und „bodenständiger Auseinandersetzung mit realen und handfesten Problemen“. Typischerweise schreibt Stefan in der Pause irgendeines „bedeutsamen“ Meetings, während Theresa bereits die zweite Melk-Schicht hinter sich hat (die erste fand um 4:00 Uhr früh statt).
    Es dauert nicht sehr lange, bis der Eindruck entsteht, dass die Sympathie der Autoren eher bei der „Frau der Tat“ und ihren Mitstreitern liegt, als bei dem „intellektuellen Schwätzer“ in der Hamburger Medien-Blase und den fanatischen AktivistInnen in seinem Umfeld.
    Es gibt einige Punkte, die diesen Roman für mich zu einem sperrigen und manchmal auch ärgerlichen Leseerlebnis gemacht haben. Damit diese Rezension nicht endlos wird, will ich dies als Aufzählung darstellen:
    – Beide Figuren erscheinen öfters so naiv oder werden so klischeehaft dargestellt, dass man sie in diesen Momenten kaum als „echte“ Personen anzunehmen vermag.
    – Es erscheint immer wieder wenig realistisch, dass die gemeinsame Vergangenheit auf Dauer in der Lage sein könnte, die zwischendurch stark eskalierenden Angriffe und spürbaren Entfremdungen auszugleichen.
    – Das erwachende gegenseitige erotische und emotionale Interesse lässt sich nur schwer aus dem Verlauf der Kommunikation nachvollziehbar ableiten. Insbesondere Stefan steigert sich gegen Ende in einem Ausmaß da hinein, wie man es kaum einem etablierten Profi-Journalisten zutrauen würde.
    – Warum sich am Ende des Buches plötzlich eine Action-Szene um die Bergung einer Leiche in das Buch verirrt, bleibt wohl das Geheimnis der Autoren (und des Lektorats).
    Welche Botschaften bekommt nun die Leserschaft zu den beiden Welten und deren Verbindungsmöglichkeiten?
    – Es ist offenbar möglich, selbst über gravierende Überzeugungsunterschiede im Gespräch zu bleiben (wenn man entweder einen sehr feste gemeinsame Basis hat oder sich gleichzeitig angezogen fühlt – am besten beides).
    – Es droht scheinbar die Gefahr, dass maßlos-radikale AktivistInnen das Kommando über die Medien übernehmen und uns ihr moralischen aufgeladenen Meinungsdiktat aufoktroyieren.
    – Den „einfachen Leuten“ (exemplarisch den Kleinbauern) wird von lokalen Behörden, von Berlin und von Brüssel das Leben so schwer gemacht (eigentlich „zur Hölle“), dass man sich nicht wundern muss, dass aus der Verzweiflung heraus auch illegale (und rechtslastige) Protestformen entstehen.
    – So richtig führt der versuchte Dialog letztlich nicht zusammen: Die (ideologischen) Ausgangslagen, die konkreten Lebenswirklichkeiten und die persönlichen Ziele sind und bleiben dann doch inkompatibel.
    Wer sich mal in dieser speziellen Form mit den klassischen Argumenten der großen gesellschaftlichen Debatten befassen möchte, wird in diesem Buch fündig. Die beiden Autoren haben den jeweiligen Sprech drauf. Weniger geeignet erscheint dieser Roman als eine erhellende Beziehungs-Studie von zwei Menschen in zwei Welten zu sein – dafür sind die Prozesse zwischen den Dialogpartnern zu irritierend.
    Juli ZEH hat jedenfalls ein weiteres Mal ihre Distanz und ihre Skepsis gegenüber einem „woken“ Milieu zum Ausdruck gebracht, das sie eher mit Arroganz und Übergriffigkeit in Verbindung bringt als mit ehrlichem Engagement. Das mag in Teilbereichen nachvollziehbar sein; in Bezug auf die Klimafrage scheint es aufgrund ihrer Ausgestaltung des Themas eher zweifelhaft, ob sich die Autoren der realen Dramatik und des damit verbundenen Handlungsdrucks tatsächlich bewusst sind.
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Ausgaben von Zwischen Welten

Hardcover

Seitenzahl: 448

E-Book

Seitenzahl: 456

Besitzer des Buches 27

Update: