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Zwischen Welten

Buch von Juli Zeh

  • Kurzmeinung

    Abroxas
    Launige Satire, raffiniert aufgemacht als digitaler Briefroman
  • Kurzmeinung

    FrankWe
    Gesellschaftliche Spaltung in Dialogform - nicht immer stimmig
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Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Zwischen Welten

Zwanzig Jahre sind vergangen: Als sich Stefan und Theresa zufällig in Hamburg über den Weg laufen, endet ihr erstes Wiedersehen in einem Desaster. Zu Studienzeiten waren sie wie eine Familie füreinander, heute sind kaum noch Gemeinsamkeiten übrig. Stefan hat Karriere bei Deutschlands größter Wochenzeitung BOTE gemacht, Theresa den Bauernhof ihres Vaters in Brandenburg übernommen. Aus den unterschiedlichen Lebensentwürfen sind gegensätzliche Haltungen geworden. Stefan versucht bei seiner Zeitung, durch engagierte journalistische Projekte den Klimawandel zu bekämpfen. Theresa steht mit ihrem Bio-Milchhof vor Herausforderungen, die sie an den Rand ihrer Kraft bringen. Die beiden beschließen, noch einmal von vorne anzufangen. In einem offenen und sehr emotionalen Austausch per E-Mail und WhatsApp wollen sie einander ganz neu kennenlernen und sich gegenseitig aus ihren Welten erzählen – aus dem Leben im Elfenbeinturm der Hamburger Kultur-Elite und aus der erdverbundenen brandenburgischen Agrar-Existenz. Steckt hinter der alten Freundschaft vielleicht sogar eine verhinderte Liebe? Doch während Stefan und Theresa einander näher kommen, geraten sie immer wieder in einen hitzigen Schlagabtausch um polarisierte Fragen wie Klimapolitik, Gendersprache und Rassismusvorwürfe. So sehr sie sich bemühen, die Politik aus ihrer Freundschaft herauszuhalten – es ist, als liefen die Gräben einer gespaltenen Nation mitten durch ihre Beziehung. Ist heute wirklich jeder und jede gezwungen, eine Seite zu wählen? Gibt es noch Gemeinsamkeiten zwischen den Welten? Können Freundschaft und Liebe die Kluft überbrücken, oder sind es gerade enttäuschte Gefühle, die die Konflikte so unüberwindbar machen? Als sich am Ende Theresas und Stefans Wege auf völlig unerwartete Weise kreuzen, müssen beide erkennen, dass sie im Begriff stehen, etwas Entscheidendes zu verlieren: die Freiheit, selbst zu bestimmen, wer man ist.
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Bewertungen

Zwischen Welten wurde insgesamt 4 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,8 Sternen.

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Meinungen

  • Launige Satire, raffiniert aufgemacht als digitaler Briefroman

    Abroxas

  • Gesellschaftliche Spaltung in Dialogform - nicht immer stimmig

    FrankWe

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Zwischen Welten

    Der neue Juli Zeh-Roman, an dem irgendwie noch Simon Urban mitgewirkt hat, als Buch der Stunde zur Spaltung unserer Gesellschaft – aber eigentlich reizen die Dialoge mehr als die skizzierten Weltanschauungen.
    Der Roman besteht aus einer Serie von längeren E-Mails und kürzeren WhatsApp-Nachrichten, die Theresa und Stefan miteinander austauschen. Beide waren zu Zeiten des seligen Germanistik-Studiums WG-Genossen und einander die besten Freunde, die Art Freunde, die zusammen bis zum Morgengrauen Rotwein trinkend über Philosophie, Literatur (man teilt die Bewunderung für Martin Walser – darauf wird aus irgendeinem Grund viel Wert gelegt) und Gott und die Welt reden. Doch seitdem sind über 20 Jahre vergangen und beide sind unterschiedliche Wege gegangen. Stefan schreibt für den Boten, der fiktiven größten Wochenzeitung Deutschlands, und setzt sich vehement für Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit und Antirassismus ein. Seinen journalistischen Beruf versteht er als Berufung. Theresa hingegen hat den brandenburgischen Hof ihres Vaters übernommen, diesen auf Bio-Landwirtschaft umgestellt, und seitdem jeden Tag mit aller Kraft dafür gekämpft, entgegen allen Widerständen den Betrieb über Wasser zu halten. Besonders die Politik wird als Gegner wahrgenommen. Nebenbei behauptet sich sich noch als verheiratete Mutter zweier Kinder.
    Nur durch Zufall begegnen sich die beiden Anfang 2021, streiten sich aber sofort. Kurz darauf stellen sie den Kontakt auf elektronischem Wege wieder her und beschließen, um der alten Freundschaft willen noch einmal von vorne anzufangen. Das gelingt zwar nur bedingt, denn es wird stellenweise geätzt, gewürgt und gestichelt, aber es gelingt, so irgendwie. Und diesem dauerpolemischen Austausch wohnt der Leser nun bei.
    Mehr als nur zwei Pappkameraden
    Das Projekt "Briefroman 2.0" geht meiner Meinung auf zweierlei Weise auf. Zum einen entwerfen Zeh und Urban mit ihren beiden Protagonisten zwar leicht überzeichnete, aber nicht auf allzu plakative Klischees angelegte Figuren. Dafür sind Theresa und Stefan zu zweideutig. Theresa schimpft zwar wie ein Rohrspatz über Stefans Wokeness, seine mutmaßliche Bubble-Mentalität und seinen Hang zum konsequenten Gendern, repräsentiert aber deswegen nicht gleich irgendein "Dunkeldeutschland". Sie bekennt sich glaubwürdig zu ähnlichen progressiven Idealen und setzt sich selber dafür ein, Bio-Landwirtschaft erfolgreich zu betreiben, weil sie es für wichtig hält. Eher stellt sie einen gefrusteten Unternehmer aus dem Mittelstand dar, die aber nur bedingt sympathisch wirkt. Stefan kommt auf der Länge des Romans weniger gut weg, neigt er doch zur selbstverliebten Nabelschau, die an Karikatur grenzt, erlangt aber im Laufe des Romans einige selbstkritische Einsichten, die ihm die Chance zu einer Wendung bieten. Dass seine persönliche Entwicklung weiter dennoch kompliziert bleibt (um nicht zu viel zu verraten), fügt seiner Figur weitere Facetten hinzu.
    Textnachrichten als psychoanalytische Tools?
    Zum anderen ist die Form des Brief- bzw. Mail-Romans gut gewählt und ebenso gelungen umgesetzt. Gut gewählt ist sie nicht nur, weil sie vermeintlich dem digitalen Zeitgeist gerecht wird, von wegen Twitter und die Lust zur Zuspitzung. Sie bietet auch einen fabelhaften Einblick in das Selbstverständnis der beiden Textenden und ihr ständiges Aushandeln ihrer Selbst- und (erhofften) Fremdwahrnehmung, die ihre Neurotik kennzeichnet. Dieser Aspekt ist deutlich interessanter und vergnügsamer als die Gegenüberstellung zweier grundverschiedener Weltanschauungen: Die Art und Weise, wie in einer (freilich konstruiert erscheinenden) Mail-Freundschaft mit- und übereinander gesprochen wird.
    Gelungen ist sie, weil Zeh und Urban den Sound von informellen Textnachrichten verblüffend treffsicher kopiert haben. Insbesondere die ständigen Selbstironisierungen und humoristischen Einschübe machen die Mimikry komplett. Diese bewegen sich permanent an der Grenze zum Banalen, was nur folgerichtig ist. Wir sind schließlich nicht ständig witzig und geistreich, schon gar nicht, wenn wir nur kurz zwischendurch irgendwelche Nachrichten raushauen, das ist nur natürlich.
    Die tadellose Orthographie und Grammatik schenke ich den Autoren, wir reden hier immerhin von zwei einstigen Germanistik-Studenten.
    Einziger Wermutstropfen ist die Volte, die der Roman auf den letzten Metern schlägt. Scheint erst dem Konzept zuletzt die Luft auszugehen (ausgerechnet, weil man sich im Kreise dreht), schlägt die Handlung in eine bitterböse Groteske um, die die Realität überholt und deutlich hinter sich lässt. Das kann man getrost witzig finden, ist aber als unsubtile Übertreibung ein arger Bruch, der wohl kaum dokumentarischen Anspruch erheben dürfte und der sich obendrein ein wenig zieht. Dennoch ist Zwischen Welten eine launige und lesenswerte Satire auf digitalen Politdiskurs.
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  • Rezension zu Zwischen Welten

    Dieser Roman – ein garantierter Bestseller – schließt nahtlos an die letzte Veröffentlichung („Über Menschen“) der Star-Autorin an. Auch in diesem Werk befassen sich ZEH und ihr Mitautor mit der vermeintlichen Spaltung in unserer Gesellschaft.
    Damit unübersehbar wird, wie dicht die Autoren am Puls der Zeit schreiben, datieren sie die Beiträge ihrer beiden Protagonisten (Stefan und Theresa) chronologisch durch das Jahr 2022 (bis zum Oktober).
    Der Text besteht tatsächlich ausschließlich aus Chat- und Maildialogen dieser beiden Personen; soweit Ereignisse oder Handlungen beschrieben werden, sind diese in die jeweiligen Botschaften eingewoben. Die Kommunikation zwischen Autoren/Erzählern und der Leserschaft erfolgt also „über Bande“.
    Für Aussagekraft und Wirkung einer solchen Konstruktion – kontroverse gesellschaftliche Positionen zu personalisieren – ist natürlich entscheidend, welche beiden „Welten“ da gegenseitig in Stellung gebracht werden.
    Auf der einen Seite ist da ein erfolgreicher Journalist, der als Teil einer liberal-ökologisch-genderaffinen Szene (man nennt das heut „Blase“) damit beschäftigt ist, die Veränderungen in der Print-Medienwelt im Schatten der Social-Media-Kanäle zu gestalten und zu erleiden. Dabei steht das große Meta-Thema „Klimawandel“ exemplarisch für die Grundsatzdebatte, wie der „seriöse“ (neutrale) Journalismus mit der Forderung nach klaren Positionen und Haltungen umgehen soll – angesichts der Größe und Dramatik der aktuellen Herausforderungen. Kurz gesagt: Wie vertragen sich Aktivismus und Journalismus?
    Ihm gegenüber steht eine Landwirtin, die sich nahezu rund um die Uhr und im Schweiße ihres Angesichts darum bemüht, einen in Brandenburg geerbten kleineren Hof durch all die Krisen zu steuern, denen sie sich durch wirtschaftliche, gesetzliche und bürokratische Zumutungen ausgesetzt fühlt.
    Damit diese Kontrahenten ein ganzes Buch lang diskutieren und streiten können, muss es natürlich eine Verbindung geben: Die beiden hatten zusammen in Münster studiert und dort in einer Zweier-WG sehr vertraut (aber rein platonisch) zusammengelebt, sich dann aber wegen des plötzlichen Umzugs von Theresa aus den Augen verloren.
    Während das am Anfang des Prozesses als Bindungsglied reicht, wird später noch ein (besonders bei Stefan) erwachendes erotisches Interesse als Stabílisierungelement eingeführt. Das führt dazu, dass sich die Inhalte der schriftlichen Dialoge in der zweiten Hälfte des Buches auf den privaten, emotionalen Bereich ausdehnen.
    Während also die Leserschaft recht ausführlich mit Journalismus und Landwirtschaft in Kontakt kommt, findet parallel ein heftiger Schlagabtausch zu den Aufreger-Themen des Jahres 2022 statt: Gendern (er ja, sie nein), Ukraine-Unterstützung (er ja, sie skeptisch), Tierhaltung (er nein, sie liebt ihre Kühe), Klima-Engagement (er ausgeprägt, sie zunehmend genervt).
    Die Autoren fokussieren immer wieder auf den Gegensatz zwischen „intellektuell-phrasenhafter Theoriewelt“ und „bodenständiger Auseinandersetzung mit realen und handfesten Problemen“. Typischerweise schreibt Stefan in der Pause irgendeines „bedeutsamen“ Meetings, während Theresa bereits die zweite Melk-Schicht hinter sich hat (die erste fand um 4:00 Uhr früh statt).
    Es dauert nicht sehr lange, bis der Eindruck entsteht, dass die Sympathie der Autoren eher bei der „Frau der Tat“ und ihren Mitstreitern liegt, als bei dem „intellektuellen Schwätzer“ in der Hamburger Medien-Blase und den fanatischen AktivistInnen in seinem Umfeld.
    Es gibt einige Punkte, die diesen Roman für mich zu einem sperrigen und manchmal auch ärgerlichen Leseerlebnis gemacht haben. Damit diese Rezension nicht endlos wird, will ich dies als Aufzählung darstellen:
    – Beide Figuren erscheinen öfters so naiv oder werden so klischeehaft dargestellt, dass man sie in diesen Momenten kaum als „echte“ Personen anzunehmen vermag.
    – Es erscheint immer wieder wenig realistisch, dass die gemeinsame Vergangenheit auf Dauer in der Lage sein könnte, die zwischendurch stark eskalierenden Angriffe und spürbaren Entfremdungen auszugleichen.
    – Das erwachende gegenseitige erotische und emotionale Interesse lässt sich nur schwer aus dem Verlauf der Kommunikation nachvollziehbar ableiten. Insbesondere Stefan steigert sich gegen Ende in einem Ausmaß da hinein, wie man es kaum einem etablierten Profi-Journalisten zutrauen würde.
    – Warum sich am Ende des Buches plötzlich eine Action-Szene um die Bergung einer Leiche in das Buch verirrt, bleibt wohl das Geheimnis der Autoren (und des Lektorats).
    Welche Botschaften bekommt nun die Leserschaft zu den beiden Welten und deren Verbindungsmöglichkeiten?
    – Es ist offenbar möglich, selbst über gravierende Überzeugungsunterschiede im Gespräch zu bleiben (wenn man entweder einen sehr feste gemeinsame Basis hat oder sich gleichzeitig angezogen fühlt – am besten beides).
    – Es droht scheinbar die Gefahr, dass maßlos-radikale AktivistInnen das Kommando über die Medien übernehmen und uns ihr moralischen aufgeladenen Meinungsdiktat aufoktroyieren.
    – Den „einfachen Leuten“ (exemplarisch den Kleinbauern) wird von lokalen Behörden, von Berlin und von Brüssel das Leben so schwer gemacht (eigentlich „zur Hölle“), dass man sich nicht wundern muss, dass aus der Verzweiflung heraus auch illegale (und rechtslastige) Protestformen entstehen.
    – So richtig führt der versuchte Dialog letztlich nicht zusammen: Die (ideologischen) Ausgangslagen, die konkreten Lebenswirklichkeiten und die persönlichen Ziele sind und bleiben dann doch inkompatibel.
    Wer sich mal in dieser speziellen Form mit den klassischen Argumenten der großen gesellschaftlichen Debatten befassen möchte, wird in diesem Buch fündig. Die beiden Autoren haben den jeweiligen Sprech drauf. Weniger geeignet erscheint dieser Roman als eine erhellende Beziehungs-Studie von zwei Menschen in zwei Welten zu sein – dafür sind die Prozesse zwischen den Dialogpartnern zu irritierend.
    Juli ZEH hat jedenfalls ein weiteres Mal ihre Distanz und ihre Skepsis gegenüber einem „woken“ Milieu zum Ausdruck gebracht, das sie eher mit Arroganz und Übergriffigkeit in Verbindung bringt als mit ehrlichem Engagement. Das mag in Teilbereichen nachvollziehbar sein; in Bezug auf die Klimafrage scheint es aufgrund ihrer Ausgestaltung des Themas eher zweifelhaft, ob sich die Autoren der realen Dramatik und des damit verbundenen Handlungsdrucks tatsächlich bewusst sind.
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Ausgaben von Zwischen Welten

Gebundene Ausgabe

Seitenzahl: 448

E-Book

Seitenzahl: 456

Besitzer des Buches 8

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