Babel

Buch von R. F. Kuang

  • Kurzmeinung

    Feuerstuhl
    Ungewöhnlicher Genre-Mix. Sicher nicht für jeden, aber mir gefällt's – bis auf die Rechtfertigung von Gewalt.
  • Kurzmeinung

    Imagine
    Es ist klug konstruiert, aber die Autorin erklärt zuviel, was zunehmend langweilt. Wenig mitreißend, oft trocken.

Bewertungen

Babel wurde insgesamt 22 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,7 Sternen.

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Meinungen

  • Ungewöhnlicher Genre-Mix. Sicher nicht für jeden, aber mir gefällt's – bis auf die Rechtfertigung von Gewalt.

    Feuerstuhl

  • Es ist klug konstruiert, aber die Autorin erklärt zuviel, was zunehmend langweilt. Wenig mitreißend, oft trocken.

    Imagine

  • Tolle Idee und starker Anfang. Leider zum Ende sehr zäh.

    SweetGwendoline

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Babel

    Zu Beginn war ich von den etymologischen Ausschweifungen und einem sehr originellen Magiesystem begeistert. Den Mix der Kulturen, das Rätsel der Erziehung des Protagonisten, den Schauplatz und den Hintergrund des Kolonialismus fand ich interessant und gut recherchiert.
    In der Mitte wendet sich das Genre weg von sprachwissenschaftlicher Fantasy hin zu so etwas wie einem historischen Politthriller. Das ist leider nichts, was ich normalerweise gerne lese. Der Protagonist wurde mir immer unsympathischer. Um endlich zum Ende zu kommen, wechselte ich irgendwann vom englischen Buch zum deutschen Hörbuch. Damit war es einfacher, mein Desinteresse in der Mitte zu überwinden.
    Was mir gegen den Strich geht, ist die Darstellung und Rechtfertigung der Gewalt. Wenn Leute mit vorgehaltener Waffe gezwungen werden, ihre Arbeit niederzulegen, finde ich es schwierig, das als Streik zu bezeichnen. Der erhobene Zeigefinger ist in der Mitte des Buches ziemlich nervig. Ja, Kolonialismus und Rassismus sind schlecht, wir haben es beim ersten Mal schon begriffen, danke ... Ein bisschen zu schwarz-weiß für meinen Geschmack. Stattdessen wird ein auch wieder rassistisch wirkendes Feindbild aufgebaut in den "Weißen" und läuft damit einen Kreis zurück zu dem, was es kritisiert.
    Für den Anfang des Buches, die linguistischen Denkspiele, das Magiesystem mit Silberbarren und Wörterpaaren, für alles, was ich beim Lesen gelernt habe, und für die Originalität gibt es trotzdem noch vier Sterne, weil es mir streckenweise wirklich gefallen hat. Gegen Ende wird es auch wieder etwas facettenreicher und versöhnlicher. Nur durch die Mitte musste ich mich irgendwie durchkämpfen.
    Für Freunde von Fantasy gibt es leider keine Empfehlung von mir, es sei denn, ihr interessiert euch auch für alles andere, das dieses Buch bietet. Die Fantasyelemente sind eine clevere Allegorie für die Macht von Sprache und Geld, für die Differenzen zwischen den Völkern, für die Ausbeutung von Erde und fremden Kulturen und deren langfristigen Auswirkungen. Fantasy steht aber nicht im Vordergrund.
    "Babel" ist eine sehr spezielle Lektüre; sicher nicht für jeden... aber auch eine einzigartige literarische Mischung; etwas Ähnliches habe ich noch nie zuvor gelesen.
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  • Rezension zu Babel

    In England wird magisches Silber vielfältig eingesetzt. Die Magie entsteht durch die Kombination des Silbers mit verschiedenen Sprachen. Vielfältige Sprachen sind daher sehr wichtig, in Oxford gibt es eine eigene Fakultät dafür: Im Turm „Babel“ werden Übersetzer und Silberwerker ausgebildet.
    Robin Swift stammt aus China und gehört 1836 zum neuen Jahrgang in Babel. Als kleiner Junge wurde er von Professor Lovell nach England geholt, der, selbst Dozent in Babel, ihm eine Ausbildung und schließlich das Studium ermöglichte. Nur wenige Studenten sprechen so gut Chinesisch, dass sie für das Silberwerken geeignet sind – Robin aber schon.
    Mehr will ich zur Geschichte gar nicht sagen, Hauptthema, man kann es sich denken, ist Sprache bzw. Linguistik (der Turm heißt nicht ohne Grund „Babel“), also u. a. Entwicklung von Sprache, Probleme des Übertragens eines Textes in einen anderen, Abstammung von Wörtern und vieles mehr. Dies findet sich auch sehr ausführlich im Roman wieder, oft auch in Fußnoten. Ich fand es beim Lesen sehr interessant, auch die Fußnoten hatten zum großen Teil für mich einen Mehrwert.
    Nicht nur Robin, auch einige seiner Mitstudenten, die nicht aus England stammen, bekommen es zudem mit Problemen zu tun, die die englischen Studenten, so lange sie männlich sind, nicht haben. (Alltags)Rassismus, Kolonialismus, der Umgang mit Frauen und der Arbeiterbevölkerung, Ausbeutung und Diskriminierung sind daher ebenfalls große Themen in diesem Roman. Vieles basiert dabei auf realen Ereignissen, wie z. B. den Opiumkriegen oder auch der industriellen Revolution, hier eben nur leicht verändert durch die Prämisse des magischen Silbers.
    In meinen Augen ist der Roman daher ein Genremix aus historischem Roman und Phantastik. Das magische Silber steckt zwar nahezu überall drin, Magie selbst ist jedoch als Thema eher nebensächlich, wie das magische Silber selbstverständlich da, aber eher als magischer Background.
    R. F. Kuang kannte ich bisher noch nicht, doch ganz sicher werde ich mich nach weiteren Romanen von ihr umsehen. „Babel“ ist eine anspruchsvolle Lektüre, manchmal etwas langatmig, doch nie langweilig – zwischendurch hat zwar meine anfänglich hohe Begeisterung etwas nachgelassen, war am Ende aber wieder komplett da.
    Robin kam mir als Charakter sehr nahe, auch andere Charaktere lernt man recht gut kennen, viele haben mich emotional berührt. Auch wenn der Roman vor 200 Jahren spielt, manches ist durchaus noch aktuell, so dass man auch zum Nachdenken angeregt wird. Vor allem das Ende hat es in sich, für mich passt es aber gut. Es bietet zwar die Möglichkeit eines Folgebandes, kann aber auch für sich stehen.
    „Babel“ ist ein anspruchsvoller Roman, ein Genremix aus historischen und phantastischen Elementen, auf den man sich einlassen sollte. Mich hat er begeistert und berührt, er ist interessant und hallt nach. Die Autorin werde ich mir merken.
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  • Rezension zu Babel

    Babylonische Verwirrung Selten lese ich Fantasy oder verwandte Genres. Babel hat mich aber sofort angesprochen: Ein großartiges Cover und die Handlung versprach alles, was man sich als Bücherratte wünschen kann: Oxford in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein geheimnisvoller Turm, Babel genannt, in dem die wichtigsten Sprachwissenschaftler und begabtesten Übersetzer des Landes arbeiten, um den Reichtum des Königreichs zu mehren und dessen Größe auszuweiten. Ein Waisenjunge, der von China über London nach Oxford kommt und dessen unheimlicher Vormund Prof. Lovell ihn in Sprachen unterrichten läßt, bis Robin selbst in Babel studieren darf. Zusammen mit Ramy, Victoire und Letty bildet er ein Kleeblatt, das in den folgenden Studienjahren fest zusammenhält, trotz aller Differenzen.
    Das Buch hat für viele wahnsinnig gut funktioniert, für mich leider nicht. Zunächst konnte mich die Geschichte noch völlig gefangen nehmen, mit den unglaublich detaillierten Einblicken in die Übersetzerarbeit und die sprachwissenschaftlichen Details. Die ganze Atmosphäre der Universitätsstadt ist glänzend dargestellt. Aber die Handlung rund um Robin und seine Gefährten (ein Schelm, wer hier eine Anspielung sieht) hat mich im Laufe der über 700 Seiten immer weniger gefesselt. Mir sind die Charaktere nicht nahegekommen und ich habe tatsächlich das Interesse an ihnen verloren. Während in der ersten Hälfte der schon fast sachbuchartige sprachwissenschaftliche Anteil überwiegt (Achtung: zahlreiche Fußnoten), geht die Handlung immer stärker dazu über, die Kolonialmacht Großbritannien, den Rassismus und auch in die Industrialisierung und ihre Folgen an den Pranger zu stellen und mit allen Mitteln zu bekämpfen. Dieser Kampf artet für mich irgendwann völlig aus. Von Magie ist über weite Strecken nichts zu lesen, sie ist im Hintergrund immer vorhanden, wird aber wenig zum Einsatz gebracht. Wahrscheinlich tue ich der Autorin Unrecht, aber mir schien es teilweise so, als sei die Handlung um Robin um diese anderen Aspekte drumherumgestrickt worden.
    Für mich war dieser Genremix aus Sachbuch, Fantasy und starken gesellschaftskritischen Elementen (die Hintergründe sind unbestritten und werden deutlich durch die Autorin dargestellt) leider nichts. Kuang hat einen schönen und bildhaften Schreibstil, allerdings gibt es Passagen, die einfach zu lange geraten sind und die Handlung kommt teilweise kaum voran. Der Roman hat bereits eine große Fangemeinde und die sei ihm ohne Frage gegönnt. Die Autorin ist selbst Sprachwissenschaftlerin und Übersetzerin und diese Kenntnisse bringt sie ganz großartig ein. Daneben sei nochmals auf die wirklich wunderschöne äußere Erscheinung des Romans mit edlem Coverbild, Golddruck, Prägedruck und Lesebändchen hingewiesen.
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  • Rezension zu Babel

    Klappentext
    1828 - Robin Swift, den ein Cholera-Ausbruch im chinesischen Kanton als Waisenjungen zurücklässt, wird von dem geheimnisvollen Professor Lovell nach London gebracht. Dort lernt er jahrelang Latein, Altgriechisch und Chinesisch, um sich auf den Tag vorzubereiten, an dem er in das Königliche Institut für Übersetzung der Universität Oxford - auch bekannt als Babel - aufgenommen werden soll.
    Oxford ist das Zentrum allen Wissens und Fortschritts in der Welt. Für Robin erfüllt sich ein Traum, an dem Ort zu studieren, der die ganze Macht des britischen Empire verkörpert.
    Denn in Babel wird nicht nur Übersetzung gelehrt, sondern auch Magie. Das Silberwerk - die Kunst, die in der Übersetzung verloren gegangene Bedeutung mithilfe von verzauberten Silberbarren zu manifestieren - hat die Briten zu unvergleichlichem Einfluss gebracht. Dank dieser besonderen Magie hat das Empire große Teile der Welt kolonisiert.
    Für Robin ist Oxford eine Utopie, die dem Streben nach Wissen gewidmet ist. Doch Wissen gehorcht Macht, und als chinesischer Junge, der in Großbritannien aufgewachsen ist, erkennt Robin, dass es Verrat an seinem Mutterland bedeutet, Babel zu dienen. Im Laufe seines Studiums gerät Robin zwischen Babel und den zwielichtigen Hermes-Bund, eine Organisation, die die imperiale Expansion stoppen will. Als Großbritannien einen ungerechten Krieg mit China um Silber und Opium führt, muss Robin sich für eine Seite entscheiden ...
    Meine Meinung
    Wow, also ich fand diese Geschichte sehr beeindruckend! Die Autorin hat eine Menge Themen mit eingeflochten - über die Sprachen, ihre Ursprünge, Zusammenhänge und Entwicklungen, Kolonialherrschaft, Monopole und Ausbeutungen auf verschiedenen Ebenen. Aber auch das Erwachsenwerden, Freundschaften, die Hoffnung auf Integration und Anerkennung... Dabei wirkte es nie überbordend durch die unmerkliche Entwicklung, die sich langsam ausbreitet und immer mehr Raum einnimmt - und diese ganzen Themen sozusagen mit sich trägt.
    Es beginnt im Jahr 1829 in Kanton - China. Wir begegnen Robin, als er 11 Jahre alt ist, und den Tod seiner Mutter erleben muss. Gleichzeitig seine Rettung nach England, Oxford, wo er im hoch anerkannten "Turm Babel" die Sprachwissenschaften studieren darf.
    Das Besondere: es gibt Magie - und zwar durch Worte. Und das fand ich eine geniale Idee und eine faszinierende Verbindung. Silber ist das Handelsgut, mit dem die Magie gewirkt wird und durch die Buchstaben, die man darin einprägt.
    Dabei geht es vor allem um die Übersetzungen, um die Herkunft der Worte und was sie bedeuten bzw. die verschiedenen Bedeutungen und das, was dazwischen liegt und nicht so wirklich greifbar ist. Denn natürlich ist nicht jedes Wort direkt übersetzbar; oder hat verschiedene Substanzen, die erst durch den Kontext sinnvoll werden. Ich möchte nicht zu viel verraten oder vorgreifen, jedenfalls fand ich die Gedanken hierzu sehr spannend und gerade die Einblicke in die Etymologie total interessant!
    Dazu kommt natürlich auch die Rolle von Robin und seinen Studienkollegen, die in "Babel" ein hartes Lernpensum durchmachen müssen, um selbst in Zukunft vielleicht sogar auch das Magiewirken mit Silber erlernen zu dürfen.
    Die Arbeit der Übersetzer ist in England sehr gefragt und während man Robin im Laufe der Seiten gut kennengelernt hat, kommen jetzt auch seine Freunde Ramy, Letty und Victoire dazu, die alle mit ihren unterschiedlichen Sprachen dazu beitragen sollen, wichtige Handelsnetze mit entfernten Ländern zu stärken.
    "... Immerhin sind wir hier, um das Unbekannte bekannt zu machen, das Andere vertraut. Wir sind hier, um mit Worten Magie zu wirken."
    Zitat Seite 122
    Die Autorin vermittelt hier einen sehr guten Blick auf das Zwischenmenschliche dieser Freundschaft. Was sie in Worte fasst kann man äußerst gut nachempfinden und wirkt berührend und intensiv, anschaulich und nachvollziehbar. Sie alle sind wissbegierig und genießen das Leben auf dem College, wollen dazugehören und streben nach Anerkennung... und doch bekommen sie zu spüren, dass sie trotz all ihrer Leistungen eine gewisse Grenze nie überschreiten werden.
    Sie sind keine Engländer und auch wenn sie die Diskriminierungen abschütteln und ignorieren, sind sie ihnen immer bewusst - was wahrscheinlich auch dazu führt, dass ihr Zusammenhalt immer absoluter wird.
    Babel war der einzige Ort, an dem seine Talente etwas zählten. Babel bedeutete Sicherheit. Und vielleicht war die Institution moralisch fragwürdig, ja - aber war es falsch, überleben zu wollen?
    Zitat Seite 197
    Dass der schöne Schein trügt ist Robin recht bald bewusst, doch will er wirklich seine privilegierte Stellung aufgeben? Was ist es ihm wert, zu seinen Überzeugungen zu stehen - wie sehr fühlt er sich seinem Gönner verpflichtet? Und wie sehr seinem Land?
    Ein Wink mit dem Zaunpfahl an alle, die den Kopf in den Sand stecken oder einfach die Augen verschließen - was wir ja alle mehr oder weniger tun, denn wir haben ein gutes Leben, das wir nicht so einfach aufgeben wollen. Wenn man allerdings genauer hinschaut, egal auf welche Missstände, bewegt sich etwas im Denken und Fühlen und verändert, nicht nur uns selbst sondern auch all unsere weiteren Entscheidungen.
    Ebenfalls mit einbezogen wird der Fortschritt. Die Effizienz im Gegensatz zur Arbeitslosigkeit, die sich ausbreitet und die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Man findet hier viele Parallelen zur Gegenwart und bekommt auch viel Stoff zum Nachdenken.
    Die Geschichte, werden manche sagen, plätschert lange vor sich hin, aber ich habe jeden Schritt von Robins Werdegang mit Interesse verfolgt und war von seinem Blickwinkel auf die Welt total gebannt. Auch von seiner Entwicklung, die sich erst langsam durchsetzt und dann rasant umschlägt, ist sehr berührend und aufwühlend!
    Wut war ein Zustand der Ohnmacht. Wut nahm einem die Kontrolle über sich selbst. Sie ergriff von einem Besitz, machte einen rasend, bis man außer sich war. Wut war ein Zustand der Unfreiheit, den man anschließend mit Gewalt zu beenden versuchte.
    Zitat S. 439
    Ich wusste nicht, wohin mich diese Geschichte führen wird und war erstaunt über die Ernsthaftigkeit aller konsequenten Fortführungen der Motive, die hier eine Rolle spielen und diese auch in unsere Gegenwart übertragen kann. Ein großartiges Werk, das noch lange nachhallen wird!
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    Zum Abschluss möchte ich sagen, dass ich es einerseits gut finde, dass die Autorin direkt als erstes darauf hinweist, was sie an dem historischen Oxford in ihrer Geschichte geändert hat. Um den Beschwerden von Lesern vorzubeugen, die das ankreiden, wenn es Unstimmigkeiten zu den historischen Überlieferungen gibt.
    Andererseits: Es ist historische --> Fantasy! Natürlich dürfen da nach meiner Ansicht Änderungen vorgenommen werden, solange sie nicht völlig an den Haaren herbeigezogen sind, zur Geschichte passen und für den Verlauf stimmig sind.
    Außerdem sind die Fußnoten hier ein gewichtiger Teil der Authentizität, denn es wirkt immer so, als belege R. F. Kuang mit ihren kleinen Ergänzungen das wahre Potenzial. Hier hätte ich gerne gewusst, was davon tatsächlich wahr ist und was die Geschichte ausschmückt
    Mein Fazit: 5 Sterne
    Weltenwanderer
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Rezensionen zum Hörbuch

  • Rezension zu Babel

    “Babel” stammt aus der Feder von Rebecca F. Kuang. Ich habe es als Hörbuch, gesprochen von Moritz Pliquet, auf audible gehört. Beworben wird das Werk als epische Fantasy, verglichen mit Harry Potter, gelobt für seine vielfältige und scharfe Gesellschafts- und Kolonialismuskritik, ausgezeichnet mit diversen renommierten Preisen. Die Erwartungen waren hoch. Die eigene Leseerfahrung fiel zwiegespalten und etwas ernüchternd aus.
    Die Geschichte spielt in den 1830er Jahren, grösstenteils in England, speziell in Oxford. In Kuangs Version der Geschichte existiert aber das Silberwerken - eine Form von Magie, die mit einer Kombination von Sprache und Silber funktioniert. Erzählt wird die Geschichte von Robin Swift, einem Jungen aus Kanton, der seine Familie an die Cholera verloren hat und von einem englischen Professor nach England eingeladen wird. Dort erhält er die nötige Bildung, um anschliessend in oxfordschen Babel, dem Sprachinstitut der Krone des Empires, seine Ausbildung anzutreten. Als Ausländer und somit chinesischer Muttersprachler ist er, genau wie seine Jahrgangsfreunde, sowohl besonders wertvoll, als auch eine Kuriosität im Herzen der Kolonialmacht. Und schon bald gerät Robin in den Irrgarten sich widerstreitender Loyalitäten und Moralvorstellungen.
    Eingehen möchte ich hier zuerst auf den Fantasy Aspekt - denn schon hier fangen meine gemischten Gefühle an. Einerseits hat Kuang es hier meiner Meinung nach geschafft, ein beeindruckendes Setting zu erschaffen. Geschickt verwebt sie echte Geschichte mit Fiktion und die Magie in Form des Silberwerkens fügt sich nahtlos und organisch in die wahren Begebenheiten ein. Dadurch schafft sie eine prägnante Ausgangslage, welche die tatsächlichen Wirkmechanismen des Kolonialismus und das Machtmonopol des Empires noch prägnanter hervortreten lassen. Dieses Magiesystem ist ausserdem nicht nur für Sprachinteressierte äusserst spannend - es bietet sehr viel kreatives Potenzial für die Handlung und die ProtagonistInnen. Theoretisch jedenfalls. Denn so stimmig und ausführlich die magische Theorie für das Setting ist, bleibt es für Handlung und Charaktere weitgehend ungenutzt. Die Anwendung dieser Magie bleibt in der Geschichte Randerscheinung und schöpft kaum aus den kreativen Möglichkeiten.
    Persönlich brauche ich nicht immer schnelle, actionreiche Einstiege oder einen rasanten Plot. Babels gemächlicher Einstieg in die Geschichte war für mich aufgrund der gefühlvollen Einführung in das spannende Setting und die interessanten Thematiken durchaus fesselnd genug. Sprachlich und stilistisch äusserst ansprechend führt Kuang durch den Sumpf von offenem und verdecktem Rassismus und Sexismus, von impliziter und expliziter Gewalt und der Bigotterie kolonialer, weisser Machtstrukturen. Unterstützt und gewürzt wird dieses ausdrucksstark gezeichnete Bild von geschickt platzierten Exkursen in die Linguistik und Translationstheorie.
    Und wieder folgt dieselbe Kehrseite der Medaille: So detailreich und kunstvoll das Setting, der Rahmen, ausgearbeitet wurde, so sehr werden Handlung und Charaktere vernachlässigt. Die Nebenfiguren erhalten wenig mehr als eine Charaktereigenschaft - diese erhält zwar mehrere Facetten - die teilweise oder in Ansätzen beleuchtet werden - wirkt aber auch extrem, sogar verbohrt. Sie scheinen ausserdem vor allem dazu zu dienen, pointiert die Ansichten der Autorin zu transportieren. Und bleiben daher für mich eher leblos. Der Protagonist Robin wurde mir im Verlauf ausserdem immer unsympathischer - denn er ist vor allem ein Fähnlein im Winde, der bis zum Schluss der eigenen reflektierten Meinungsbildung unfähig bleibt. Seine Motive wurden für mich stetig schwächer, intellektuell unausgegorener und moralisch wie philosophisch äusserst fragwürdig. Im Allgemeinen scheinen mir die meisten Akteure einigermassen einfältig und etwas karikiert - auf allen Seiten.
    Die Handlung dümpelt so vor sich hin, trumpft zwar hier und da mit kleineren Plot Twists und Überraschungen, lässt aber einen übergeordneten Spannungsbogen und damit eine fesselnde dramaturgische Struktur vermissen. Der auktoriale Erzählstil nimmt ausserdem schon sehr früh die Spannung für einen der grösseren Twists und Chekhovs Gun wird mehr als einmal zuverlässig und erwartungsgemäss abgefeuert. Die Handlung wird dann gegen Ende immer dramatischer und vor allem brutaler. Einerseits mag dies den Erfordernissen der Geschichte entsprechen, welche die Autorin erzählen will. Einige Ereignisse erschienen mir aber auch wie absichtlich eingesetzte Schockelemente und wirken auf mich etwas platt.
    Und dann gibt es da noch die Eigenart von Kuang, mir als Leserin mit dem mahnenden Zeigefinger vor der Nase herumzufuchteln und mit ausufernder Ausführlichkeit meine Gedankengänge vorzuschreiben. Es wäre nämlich falsch zu sagen, dass “Babel” Fragen aufwirft. Das tut es nicht. Es beantwortet Fragen und lässt keinen Raum für Alternativen oder Kontroversen. Die schwarz-weiss Darstellung von Sachverhalten, Wirkmechanismen und Charakteren nimmt zum Schluss des Buches hin stetig weiter zu, wird dogmatisch und driftet sogar bis ins Klischee ab. Gipfeln tut das Ganze dann im Beweis der These “the necessity of violence” - dem englischen Untertitel - die für mich moralisch, gesellschaftstheoretisch und (staats)philosophisch fragwürdig und historisch nicht zwingend ist - wie das Beispiel von Indiens gewaltlosem Unabhängigkeitskampf unter geistiger Führung von Mahatma Gandhi eindrücklich beweist.
    Kuang beweist mit Babel ihre Qualitäten als Theoretikerin und Wissenschaftlerin, indem sie ein überzeugendes und wirkungsvolles Setting schafft und ihre Thesen argumentativ stichhaltig und sprachlich attraktiv darlegt. Mit der Dramaturgie, der Message und dem lehrmeisterhaften schwarz-weiss Zeichnen konnte mich Babel aber als literarisches Werk nicht wirklich begeistern. Viel mehr hatte ich den Eindruck, einen wirklich sehr langen und auf Dauer etwas ermüdenden Essay zu lesen.
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Ausgaben von Babel

E-Book

Seitenzahl: 737

Hardcover

Seitenzahl: 560

Taschenbuch

Seitenzahl: 560

Babel in anderen Sprachen

Besitzer des Buches 45

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