Jahr der Wunder

Buch von Louise Erdrich, Gesine Schröder

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Jahr der Wunder

Der neue Roman von Pulitzer-Preisträgerin Louise Erdrich Während sich in Minneapolis wütender Protest gegen rassistische Polizeigewalt formiert, wird eine kleine Buchhandlung zum Schauplatz wundersamer Ereignisse: Flora, eine treue Kundin, stirbt an Allerseelen und treibt fortan als Geist ihr Unwesen im Laden. Besonders Tookie, die dort nach einer Gefängnisstrafe arbeitet, erhält rätselhafte Zeichen. Denn die beiden Frauen verbindet mehr als ihre Liebe zur Literatur. Tookie muss sich den Geistern der Vergangenheit und ihrer indigenen Herkunft stellen. Und sich wie alle in der Stadt fragen, was sie den Lebenden und den Toten schuldet. Louise Erdrich zeigt eindrucksvoll, wie erhellend Literatur in düsteren Zeiten sein kann - und verfasst zugleich eine Liebeserklärung an Lesende, Bücher und jene, die sie verkaufen. »Bezaubernd, hinreißend und witzig.« New York Times »Ein Wunder ... Ein absolut origineller, erheiternder Roman.« Boston Globe
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Bewertungen

Jahr der Wunder wurde insgesamt 9 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,3 Sternen.

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Meinungen

  • Liebeserklärung an Literatur und Menschen

    Farast

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Jahr der Wunder

    Sehr gespannt war ich auf „Das Jahr der Wunder“ von Louise Erdrich – und zwar aus zwei Gründen: Erstens habe ich bisher nichts von der amerikanischen Autorin gelesen, die 2021 für „Der Nachtwächter“ den Pulitzer Prize erhalten hat. Ich bin immer neugierig auf mir bisher unbekannte Stimmen, im Fall von Erdrich kommt ihr kulturelles Erbe hinzu, das ich literarisch selbst noch nie belesen habe (Schande über mich) – ihre Mutter war halb Französin, halb Ojibwe. Und zweitens war „Das Jahr der Wunder“ letztes Jahr für den Women’s Prize for Fiction nominiert und mittlerweile habe ich fast alle Romane der Shortlist gelesen.
    Die deutsche wie die amerikanische Fassung des Romans werden ungefähr so angepriesen: Protagonistin Tookie arbeitet in einer Buchhandlung in Minneapolis, in der eine plötzlich verstorbene Stammkundin als Geist umgeht. Wie wird man diesen Geist nun wieder los?
    Diese Inhaltsangabe greift allerdings deutlich zu kurz. Erdrich, die selbst einen Buchladen in Minneapolis betreibt und im Roman als Nebenfigur auftaucht, wollte offenbar einen zeitgeschichtlichen Roman schreiben, der die letzten Jahre mit all ihren Verwerfungen widerspiegelt – und zwar aus einer indigenen Perspektive. Die Geistergeschichte ist schlicht eines von vielen Puzzleteilen, die sich in diesem Roman nur mit Mühe zu einem Ganzen fügen. Denn es geht außerdem um: das amerikanische Justizsystem, Corona, George Floyd und die daraufhin aufbrandenden Demonstrationen und Ausschreitungen, Patchworkfamilien, schwere Kindheiten, dumme Entscheidungen und die Liebe zur Literatur, die in jeder Situation Halt geben kann.
    Das Problem dabei war für mich: Mal abgesehen von der Geistergeschichte beschreibt „Das Jahr der Wunder“ nachprüfbare Ereignisse. Aber auch wenn Dinge im Leben so passieren (Stichwort „when it rains, it pours“) – erst Covid, dann ein Polizeimord, dann noch ein Baby –, so mutet man einem lesenden Publikum ziemlich viel zu, wenn man das alles in ein und denselben Roman packt. Und da man weder die Pandemie, noch die Ereignisse um George Floyd oder BLM oder gar die eigentliche Geistergeschichte in den knapp 500 Seiten, die das Buch umfasst, erschöpfend literarisch aufarbeiten kann, wirkt „Das Jahr der Wunder“ ziemlich hingestückelt und steigt letztlich nie in die politischen, historischen und selbst indigenen Konnotationen ein, die es eigentlich bearbeiten will. Das bedeutet konkret, dass man hier über amerikanische Polizeigewalt und das erste Coronajahr nichts erfährt, was man nicht schon in zigfacher journalistischer Ausführung woanders gelesen hätte. Außer rechtschaffener Empörung über den Floyd-Mord trägt Erdrich nichts bei. Und ob man von einer Familie lesen will, die so sehr auf die Pandemie-Hysterie einsteigt, dass sie sogar im eigenen Haus Masken trägt, muss jeder selbst entscheiden.
    Dazu kommt, dass diese politische Stoßrichtung nach der Hälfte der Lektüre losstartet und der Roman damit eine 90-Grad-Kurve nimmt, auf die man in der Form eventuell nicht vorbereitet war – vor allem, wenn man sich auf den Klappentext verlassen hatte. Bis dahin ging es eben um Tookie, die im Knast gesessen und dort ihre Liebe zur Literatur entdeckt hat. Nachdem sie vorzeitig entlassen wird, wird sie von dem Polizist geehelicht, der sie damals verhaftet hat. Sie arbeitet in einer Buchhandlung, die sich thematisch mit indigenen Themen auseinandersetzt und immer an der Pleite kratzt. Diese Buchhandlung wird vom Geist einer Kundin heimgesucht, die sich jahrelang ein indianisches Erbe herbeifantasiert hat und damit bei den echten Indianern höchstens wohlgelitten war. Dazwischen gibt es immer wieder Referenzen zu bestimmten Büchern, zu Romanen, die verkauft werden und auf dieser Ebene funktioniert der Roman wunderbar. Wann immer Erdrich über Literatur schreibt, entwickelt „Das Jahr der Wunder“ einen Sog, ein warmes Wonnegefühl. Sie tut es eben nur leider viel zu selten. Immerhin: am Ende des Buchs befindet sich eine umfangreiche Liste mit Empfehlungen zu verschiedenen Themen, die im Roman diskutiert werden (z.B. „perfekte kurze Romane“ oder „Bücher über verbotene Liebe“). Wenn man schon während der Lektüre festgestellt hat, dass Erdrich einen Geschmack hat, der mit dem eigenen d’accord geht, dann hat man hier einen echten Schatz an der Hand – bei mir war das jedenfalls so. Wenn man dann auch noch des Englischen mächtig ist, umso mehr. Denn das von der Liste „indigene Lyrik“ relativ wenig auf deutsch verfügbar ist, überrascht vermutlich niemanden.
    „Das Jahr der Wunder“ hätte eine Ode ans Lesen und an die lebensrettenden Eigenschaften von Literatur werden können. Und sollen. Mit diesem Fokus wäre es – zumindest meiner Ansicht nach – das bessere Buch geworden. Stattdessen wollte Erdrich offenbar alles unterbringen, was sie in den letzten Jahren umgetrieben hat. Das ist zu viel Ambition, der zu wenig Willen gegenübersteht, in diese Themen wirklich tief einzusteigen. Der große Wurf ist es damit nicht geworden.
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  • Rezension zu Jahr der Wunder

    Schauplatz Minneapolis
    Durch die Hauptfigur Tookie lernt der Leser das Leben der indogenen Bevölkerung in Amerika kennen. Es ist ein Roman, der aufmerksam macht auf die Entwurzelung, Ausgrenzungen, Benachteiligungen und auch deren Spiritualität. Tookie findet nach einem Gefängnisaufenthalt einen Job in einer Buchhandlung. Man lernt verschiedene Kunden kennen und als die Stammkundin Flora verstirbt, geistert sie weiterhin durch die Regale. Aktualität bekommt die Geschichte durch das Einflechten von Corona sowie der George-Floyd-Demos und damit die Themen Rassismus und Polizeigewalt.
    Der Schreibstil der Autorin hat mich schon in anderen Romanen begeistert, so auch hier. Sie schreibt flüssig, nimmt den Leser mit in das Leben und die fremde Kultur der indogenen Bevölkerung. Eine echte Bereicherung für mich. Die toughe Tookie als Hauptfigur und alle anderen Personen waren mir sympathisch, vor allem natürlich ihre Liebe zu Büchern. Deshalb gefielen mir die Beschreibung der Buchhandlung, der eingeflochtenen Buchtitel samt Autoren und natürlich nicht zu vergessen die Kuckucksbücher, sehr gut. Eine echte Inspiration, die die eigene Wunschliste wachsen läßt.
    Einige Romane von dieser tollen Gegenwartsautorin liegen hier noch ungelesen, aber das wird sich nach diesem Erlebnis bald ändern. Von mir erhält das Buch eine Leseempfehlung!
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  • Rezension zu Jahr der Wunder

    @Sarange Du hast eine wunderbare Rezension geschrieben
    Das Thema "Corona" hatte mich übrigens kalt erwischt. Ähnlich wie Erdrich es beschrieben hatte, so erging es meiner Familie auch. Erst diese quälende Unwissenheit, dann das Beobachten was sich ringsumher verändert, dann die Angst. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich schon so weit wäre, darüber zu lesen, aber so wie es Frau Erdrich getan hatte, war es für mich erträglich. An einer Stelle musste ich zwar sehr schlucken, weil es Urängste von mir aufgewirbelt haben, aber dann ging es wieder.
    Was ich mir auch nicht so klar gemacht hatte, dass sich Erdrichs Buchladen in der gleichen Stadt befand, an dem das grauenvolle Verbrechen an George Floyd begangen wurde. Es blieb ja tatsächlich nicht aus, dass wir uns als Leser*innen inmitten der Aufständen wieder gefunden haben. Bei dem engagierten Volk, dass Erdrich da beschrieb.
    Ich bin immer noch hin und weg von diesen herrlichen Gesprächen über Literatur. Tookie ist übrigens eine phantastische Verkäuferin. Eine Trilogie (Xenogenis-Trilogie, ich verlinke den ersten Band) habe ich mir direkt bestellt. Leider "nur" als eBook, weil ich keine Buchausgabe gefunden habe. Und eine Menge anderer Bücher der Leseliste habe ich schon auf meine Wunschliste gelegt. Was bin ich froh, dass sich das Buch über "Geflochtenes Süßgras" bereits in meiner Bibliothek befindet. Und ich Proust schon gelesen habe.
    Und wie sie die Menschen beschreibt. Hach, ich kann gar nicht mehr aufhören zu schwärmen Und ja, zweimal kamen mir wirklich die Tränen
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  • Rezension zu Jahr der Wunder

    Verlagstext:
    Während sich in Minneapolis wütender Protest gegen rassistische Polizeigewalt formiert, wird eine kleine Buchhandlung zum Schauplatz wundersamer Ereignisse: Flora, eine treue Kundin, stirbt an Allerseelen und treibt fortan als Geist ihr Unwesen im Laden. Besonders Tookie, die dort nach einer Gefängnisstrafe arbeitet, erhält rätselhafte Zeichen. Denn die beiden Frauen verbindet mehr als ihre Liebe zur Literatur. Tookie muss sich den Geistern der Vergangenheit und ihrer indigenen Herkunft stellen. Und sich wie alle in der Stadt fragen, was sie den Lebenden und den Toten schuldet. Louise Erdrich zeigt eindrucksvoll, wie erhellend Literatur in düsteren Zeiten sein kann – und verfasst zugleich eine Liebeserklärung an Lesende, Bücher und jene, die sie verkaufen.
    Quelle: amazon.de
    Meine Meinung:
    Ich habe schon Louise Erdrichs autobiografisches Werk „Von Büchern und Inseln“ gern gelesen. Bei diesem Roman nun fand ich es extrem charmant, wie Erdrich ihren Buchladen „Birchbark Books“ als Handlungsort und sich selbst als Nebenfigur etabliert, ohne sich als Person dabei in den Vordergrund zu drängeln. Sie überlässt die Bühne fast vollständig ihren fiktiven Protagonist*innen, webt aber die realen Geschicke ihrer Buchhandlung während der Corona-Pandemie (die den Entwicklungen in der hiesigen Buchhandlung meines Herzens auf erstaunliche Weise ähneln) auf sehr bewegende Weise mit ein.
    In dieser Buchhandlung wird Tookie vorstellig, die in jungen Jahren große Dummheiten beging und dafür zehn Jahre unschuldig im Gefängnis verbracht hat. Doch die Inhaberin Louise interessiert sich nicht für Tookies geschönten Lebenslauf, sondern fragt sie nach ihrer aktuellen Lektüre. Danach hat Tookie den Job und teilt sich nun die Schichten bei „Birchbark Books“ mit einigen anderen bibliophilen indigenen Frauen, die von der Autorin in ihren Eigenheiten liebevoll ausgearbeitet sind.
    Für mich war beim Lesen unfassbar, was Tookie vor Gericht und im Gefängnis widerfahren ist. Langsam arbeitet sie sich aus ihren sowohl familiär als auch durchs Gefängnis bedingten Traumata heraus; die Bücher und ihr großartiger Ehemann helfen ihr dabei. Doch dann geschehen in Minneapolis und der Welt in einem Jahr zwei Dinge: die Corona-Pandemie und der Mord an George Floyd.
    Corona: Erst vor ein paar Wochen habe ich darüber nachgedacht, wie es wäre, bald Romane zu lesen, in denen die Pandemie vorkommt. (Bisher habe ich nur in Sachbüchern Bemerkungen oder selten auch mal genauere Gedanken zur Bewältigung der Pandemie gefunden.) Mein Gefühl war eindeutig – ich fühlte mich noch nicht bereit dafür. Die Sorge, getriggert werden zu können, war zu groß. Ich hatte hier nun anhand des Klappentextes auch nicht mit der Thematik gerechnet. Aber was soll ich sagen – wenn schon Pandemie in der Belletristik, dann dieses Buch! Erdrich flicht auf ihre gewohnt unaufgeregte Art kleine Beobachtungen ein, die den großen realen Irrsinn dieser Zeit auf den Punkt bringen: die Hilflosigkeit, die Vereinsamung, aber auch die Solidarität von vielen (nicht allen) Menschen, die Ängste und Hoffnungen, das einsame Leiden und Sterben in Krankenhäusern und Hospizen, die hier besonders ohnmächtige Trauer bei Verlusten von geliebten Angehörigen, die vielen Ungerechtigkeiten und offenen Fragen. Erdrichs Figuren agieren und entwickeln sich unter dem Einfluss dieser Pandemie und man versteht beim Lesen jede kleine Andeutung absurd erscheinender Verhaltensweisen, die man den Nachgeborenen eines Tages wird erklären müssen.
    George Floyd: Ich hatte vorher nicht aktiv auf dem Schirm, dass Erdrichs Buchhandlung sich in derselben Stadt befindet, in der Polizisten ihr Knie auf George Floyds Nacken setzten, bis er qualvoll erstickte. Erdrichs ohnehin schon nicht unengagierte Figuren politisieren sich angesichts der Polizeigewalt und Demonstrationen rund um "Black Lives Matter" auf eine Weise, die mich teilweise an die aktuelle „Last Generation“-Thematik erinnert, mir aber natürlich vor allem die Geschehnisse in Minneapolis noch einmal viel näher und emotionaler vor Augen geführt hat.
    … und zwischen alledem schwebt der Geist von Flora, verstorbene und vielgeliebte wie vielgehasste Kundin von „Birchbark Books“, und randaliert in der Buchhandlung mal leise und mal laut vor sich hin. Ich liebe den Magischen Realismus (so lange er nicht aus Südamerika kommt ). In Erdrichs Romanen wird jedoch noch eine andere Dimension eröffnet – die hier immer wieder auftauchenden menschlichen und tierischen Geistwesen sind eben nicht nur Magischer Realismus, sondern Bestandteil der animistisch geprägten Religionen der Anishinaabe, Dakota und Michif, über die auch in diesem Werk einiges an Hintergrundinformationen eingestreut wird, einschließlich dem Schmerz darüber, wie die First Nations sich dieses kulturelle Erbe, das ihnen generationenlang gewaltsam ausgetrieben worden war, erst wieder zurückerobern müssen. Wie sich hier indigene und schwarze Geschicke und Aktivitäten verbinden lassen, zeigen Erdrichs liebenswert fehleranfällige Figuren im Angesicht der vielfachen Krise, ohne dabei sinnlos auf moralinsaure Sockel gestellt zu werden. Im Gegenteil macht es auch hier wieder den Charme von Erdrichs Figuren aus, dass sie über andere Menschen, vor allem jedoch über sich selbst herzhaft spotten und lachen können.
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Ausgaben von Jahr der Wunder

E-Book

Seitenzahl: 410

Hardcover

Seitenzahl: 464

Taschenbuch

Seitenzahl: 386

Jahr der Wunder in anderen Sprachen

  • Deutsch: Jahr der Wunder (Details)
  • Englisch: The Sentence (Details)
  • Französisch: La Sentence (Details)

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