Warten auf die Aras

Buch von Terry Glavin

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Warten auf die Aras

    Der Autor (Quelle: Zweitausendeins): Der kanadische Autor und Journalist Terry Glavin (*1955) schreibt regelmäßig für „Globe and Mail“ und „Vancouver Sun“ und unterrichtet an der Fakultät für Theater, Film und kreatives Schreiben der Universität British Columbia. Er ist Herausgeber der Transmontanus Books, einer Reihe illustrierter Bücher über das Leben an der kanadischen Westküste und ihrer indigenen Bevölkerung. Für seine journalistischen Beiträge wurde er mehrfach mit Preisen, unter anderem der „Science in Society“-Preis des Kanadischen Schriftstellerverbandes, ausgezeichnet. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zählen „This Ragged Place: Travels Across the Landscape“ (auf der Auswahlliste für den Governor General’s Award) und „The Lost Great Sea“. Mit „Warten auf die Aras“ erscheint erstmals ein Buch Glavins auf Deutsch. Terry Glavin lebt mit seiner Familie auf einer der Golfinseln zwischen Vancouver und Vancouver Island.
    Klappentext (Quelle: Zweitausendeins): „Es gibt noch Zeichen der Hoffnung, und man findet sie in Büchern wie diesem“ (The Globe and Mail). Wir leben im Zeitalter des Verschwindens: Alle zehn Minuten eine Spezies. Alle sechs Stunden eine Pflanzenart. Alle zwei Wochen eine Sprache. Terry Glavin macht sich auf die Suche nach jenen Dingen, die verloren zu gehen drohen. Der kanadische Autor, „einer der besten Journalisten der englischsprachigen Welt“ (Canadian Forum), beschreibt in seinen fesselnden Reiseberichten seltene Kostbarkeiten der lebendigen Welt. Er sammelt Überlebende und Geschichten – geleitet von der Zuversicht, dass wir das Verschwinden, die genetische Erosion, als Verlust begreifen und dass immer mehr Menschen um den Erhalt des Artenreichtums kämpfen. Er berichtet nicht nur vom Aussterben, er berichtet auch von den Rettern der Flora, der Fauna und der kulturellen Vielfalt unserer Zivilisation. „Es könnte sein, dass unsere Generation die erste ist, in der die Menschheit mehr Wissen verliert als dazugewinnt.“ (Pat Mooney, Träger des Alternativen Nobelpreises). „Glavins größtes Talent ist das Geschichtenerzählen.“ (Financial Times)
    Zwei englische und eine deutsche Ausgabe:
    Die englische Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel „Waiting for the Macaws and Other Stories from the Age of Extinctions“ bei Viking / Penguin Canada in Toronto (318 Seiten), neu aufgelegt 2007 unter dem geänderten Titel „The Lost and Left Behind: Stories from the Age of Extinctions“ bei Saqi Books in London (335 Seiten).Die deutsche Übersetzung aus dem Englischen von Waltraud Götting erschien im Dezember 2008 unter dem Titel „Warten auf die Aras. Geschichten aus dem Zeitalter des Verschwindens“ als kartonierte Ausgabe mit der Bestellnummer 200360 bei Zweitausendeins in Frankfurt am Main (383 Seiten). Inhalt:
    Ein Dorf / Prolog: Das Tal des schwarzen Schweins (OT: Prologue: A Village: The Valley of the Black Pig) – 16 Seiten
    Ein Tiger / Die Nacht der lebenden Toten (OT: Tiger: Night of the Living Dead) – 46 Seiten
    Ein Vogel / Warten auf die Aras (OT: Bird: Waiting for the Macaws) – 42 Seiten
    Ein Fisch / Die letzten Riesen im Fluss des schwarzen Drachen (OT: Fish: The Last Giants in the River of the Black Dragon) – 38 Seiten
    Ein Löwe / Der Geist aus den Wäldern (OT: Lion: The Ghost of the Woods) – 38 Seiten
    Ein Wal / Im Sog des Mahlstroms (OT: Whale: Drifting into the Maelstrom) – 52 Seiten
    Eine Blume / Ein Apfel ist eine Rocke (OT: Flower: An Apple Is a Kind of Rose) – 52 Seiten
    Eine Welt / Der singende Baum von Chungliyimti (OT: World: The Singing Tree of Chungliyimti) – 50 Seiten
    Eine Göttin / Epilog: Die Rache der Kali (OT: Epilogue: A God: The Revenge of Kali) – 12 SeitenAnmerkungen – 4 SeitenBibliografie – 4 SeitenRegister – 20 Seiten
    Meine Einschätzung:
    Die Fülle an Zahlen und Informationen über schon verschwundene und vom Verschwinden bedrohte Tierarten, Pflanzen und menschliche Lebensweisen drohte in weniger versierten Autorenhänden als denen Terry Glavins beim Leser in Resignation umzuschlagen: Was kann man denn überhaupt noch tun anlässlich des unaufhaltsam scheinenden Verlöschens der natürlichen Vielfalt in einer Welt, die überwiegend nach dem Motto „Die Märkte zuerst“ regiert wird? Aber Glavin verschiebt den Fokus recht schnell auf eine Politik der Nachhaltigkeit, wenn er entfernte Regionen der Welt aufsucht, teilweise ausgesprochene Orte genetischer Vielfalt, aber auch Orte des Walfangs, Orte, an denen besondere Arten des Ackerbaus gepflegt werden, Ort, wo sich besondere Arten erhalten haben oder durch Menschenhand erhalten wurden. Man wartet mit ihm stundenlang in Cúru in Costa Rica auf hellrote Aras, die hier wunderbarer Weise noch in freier Wildbahn leben, ereifert sich über die ungehinderte, selbstherrlich-mafiöse Ausbeutung russischer Flüsse, wo selbst äußerst seltene Fischarten auf dem Fischmarkt landen, besucht die Bewahrer alter Obst- und Gemüsesorten, zügelt mühsam seine Wut darüber, dass sich Bauern in Drittweltländern hoch verschulden müssen, um jedes Jahr aufs Neue das genetisch veränderte Saatgut von Biotech-Firmen wie Monsanto kaufen zu können und erfährt unter Walfängern auf den Lofoten in einem wunderbaren moralischen Dilemma, wie Tierschutz oftmals zu Lasten traditioneller, kultureller Lebensweisen gehen.
    Überhaupt schafft es Glavin mehrmals mittels moralischer Dilemmata, das Engagement und die gespannte Begeisterung des Lesers zu aktivieren, etwa als er berichtet, dass vier Fünftel aller Medikamente ihre Herkunft im Wald haben. Kann es nicht sein, dass der Mensch durch die Vernichtung bestimmter Baumarten und anderer Waldpflanzen sich auch der Chance beraubt, dort ein Heilmittel gegen Krebs zu finden? Und kaum notiert und gelesen, schreibt Glavin, ob nicht genau dieser auf reine Nutzung schielende Ansatz des Menschen, die Natur in „schön“ und „nützlich“ zu teilen, die Haltung ist, die der Menschheit die Probleme von Ausrottung, Umweltzerstörung und Verflachung der Vielfalt erst eingebracht hat! Der Autor hat wirklich eine sehr offene Art, mehrere Seiten einer Sache in den Blick zu nehmen.
    Sehr erhellend finde ich auch, wie Glavin mit der blauäugigen Verehrung der vermeintlich natürlichen Wildheit der Natur aufräumt, bevor die westlichen Eroberer und Industriemagnaten durch die indigenen Lebenswelten durchwalzten: Als hätten zum Beispiel die Indianer Nordamerikas keine Eingriffe in das Ökosystem vorgenommen. Die endlosen Bisonherden sind ebenso „menschengemacht“ wie ihr Verschwinden durch Veränderungen der Landschaft und die extensive Jagd. Die Probleme haben auch nicht schon damals angefangen, als die Menschen „Nutztiere“ domestizierten und Äcker anlegten, da auch sogenannte Nomaden bestimmte Pflanzen extensiv bearbeiten und beernten oder vermeintliche Wildtiere in einer herdenartigen Nutztierwirtschaft (zumindest zeitweise) an sich binden. Im Grunde ist es hier wie überall eine Frage der Dosis, die über Wohl und Weh entscheidet: Zu viele Menschen, zu wenig Platz, zu wenig Zeit, dass sich die Natur erholen kann.
    Was Glavin sehr gut kann, ist Umweltschutz und Arterhaltung (angeknüpft an eigene Recherchereisen) als spannende Erzählungen aufzubereiten, in denen er glasklar versucht, das fragile Gleichgewicht innerhalb der Ökosysteme und Biome unseres Planeten zu beschreiben: Pflanzen, die auf einen bestimmten Käfer angewiesen sind, oder wie das Verschwinden kleiner Sprachen auf das Verschwinden der Wälder folgt. Auch wie oft nur der Rückgriff auf alte Pflanzensorten Ernteausfälle durch Pilze, Krankheiten oder Insektenfraß aufhalten bzw. ausgleichen konnte, weil die alten Sorten in ihrer genetischen Vielfalt resistenter sind als die auf Ertrag gezüchteten Monokulturen der modernen Landwirtschaft.
    Mit den Pflanzen sterben die Tiere und verschwinden menschliche Lebenswelten und Sprachen. Lieder, Bräuche, Rezepte und Geschichten, die sich um Pflanzen, Tiere und das Leben mit ihnen drehten, verschwinden mit deren Verschwinden. Das ist, was der in Glavins Buch zitierte kanadische Entwicklungshelfer und Technikkritiker Pat Mooney, der sich seit Jahrzehnten für Biodiversität und die Bewahrung genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft einsetzt, damit meint, dass unsere Generation vielleicht die erste ist, "in der die Menschheit mehr Wissen verliert als dazugewinnt.“
    Wer „Warten auf die Aras“ liest, watet durch ein Meer aus Wut, Trauer und Ohnmacht, bis er sehr schnell durch die Lebensfreude Glavins und seinen Blick für das Gute und Selbstlose der Naturretter an vielen Orten und an vielfältigen Dreckecken mit großer Hoffnung aus dem Buch hinauskommt. Seine Einsichten in die Vielfalt unserer Welt bereiten den Boden, auf dem wir uns eine Wahlmöglichkeit erhalten sollten. Niemand kann erwarten, dass man mehr tun könne als man zu tun vermöge, um die Artenvielfalt zu erhalten. Aber man muss eben tun, was man tun kann. Die vollen fünf Sterne für dieses umwerfende Buch.
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