Blaubart

Buch von Kurt Vonnegut Jr., Robert Pépin

Bewertungen

Blaubart wurde insgesamt 5 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,8 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Blaubart

    Der Autor (Quelle: Goldmann): Kurt Vonnegut, „einer der großen Schriftsteller dieser zweiten Jahrhunderthälfte“ (Heinrich Vormweg, Süddeutsche Zeitung), wurde 1922 in Indianapolis geboren. 1950 begann er, nach dem Studium der Biochemie und Anthropologie, zu schreiben. Weltruhm erlangte er mit seinem Roman „Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug“. „Blaubart“ ist sein mittlerweile sechzehnter [sic! Nach welcher Zählung so viel?!] Roman. Vonnegut starb 2007 in New York.
    Klappentext (Quelle: Goldmann): Als Rabo Karabekian, Maler und Melancholiker, eines Tages von der jungen Circe Berman besucht wird, lässt er sich dazu überreden seine Memoiren zu schreiben. Darin erzählt er von seinen armenischen Eltern und seinen Lehrjahren in der Malerei, von seinem ersten Liebesabenteuer und seinen Abenteuern im Zweiten Weltkrieg, wo er als Tarnungsspezialist für die Alliierten kämpfte. Nur ein letztes Geheimnis hält er sorgsam vor der Öffentlichkeit verborgen – wie einst Ritter Blaubart das Rätsel der verbotenen Kammer. „Blaubart“ – ein fulminanter Roman des amerikanischen Erfolgsautors Kurt Vonnegut. Ein Feuerwerk amüsanter Bosheiten und Skurrilitäten, voll von rabenschwarzem Humor, Sarkasmen und köstlichen Geschichten.
    Englische, französische, niederländische, deutsche, schwedische, italienische und dänische Ausgaben:
    Die amerikanische Originalausgabe erschien 1987 unter dem Titel „Bluebeard: The Autobiography of Rabo Karabekian (1916–1988)“ bei Delacorte Press/Dell Publishing Co. in New York (300 Seiten), wiederaufgelegt u.a. 1988 bei Dell in New York (287 Seiten), 1988 bei Grafton in London (252 Seiten), 1998 als Delta Trade Paperback in New York (318 Seiten), 2011 als „Trade Paperback“ bei Dial Press in New York (318 Seiten) und 2019 bei 4th Estate in London (256 Seiten). Die französische Übersetzung von Robert Pépin erschien 1988 als „Barbe-Bleu, ou, La vie et les œuvres de Rabo Karabekian (1916-1988)“ als Nr. 9723 der Reihe „Livre de poche“ bei Bernard Grasset in Paris (349 Seiten), wiederaufgelegt 2011 ebendort in der Reihe „Cahiers rouges“. Die niederländische Übersetzung von J.J. de Wit erschien 1988 als „Blauwbaard. De autobiografie van Rabo Karabekian (1916-1988)“ bei Agathon (235 Seiten). Die deutsche Übersetzung von Lutz-W. Wolff erschien 1989 als „Blaubart“ bei Bertelsmann in München (287 Seiten), neu aufgelegt im März 1991 als Goldmann-Taschenbuch Nr. 9926 im Wilhelm Goldmann Verlag in München (288 Seiten). Die schwedische Übersetzung von Olov Jonason erschien 1989 als „Blåskägg“ bei Norsteds in Stockholm (316 Seiten). Die italienische Übersetzung von Pier Francesco Paolini erschien im November 1992 als „Barbablù: L'autobiografia di Rabo Karabekian (1916-1988)“ bei Bompiani in Mailand (270 Seiten). Die dänische Übersetzung von Arne Herløv Petersen erschien 1992 als „Blåskæg“ bei Schønberg in Kopenhagen (283 Seiten).
    Meine Einschätzung:
    Das Leben steht niemals still. Es ist eine Bewegung von der Geburt bis zum Tod. In wirklich großartigen Gemälden, selbst in abstrakten, ungegenständlichen, schafft es der Künstler, die gleichzeitige Gegenwart von Geburt und Tod für den Betrachter fühlbar zu machen. Alle anderen Künstler befinden sich ganz weit von künstlerischer Größe entfernt. Sie schaffen es nicht, ihren Werken Seele einzuhauchen.
    Dieser Roman will das per definitionem vergebliche Bemühen sein, in Worten auszudrücken, wie und warum Kunstwerke entstehen. Dazu wird der Maler Rabo Karabekian auf die Rennstrecke geschickt, der durch eine Mischung aus Dummheit und Nachlässigkeit sein gesamtes Lebenswerk ruinierte und so seinen guten Ruf zerstörte, genauso wie sich seine Hauptwerke, die aus minderwertiger Industriefarbe und nicht haltbaren Klebestreifen bestanden, selbst zerstörten. Dem es dann aber am Ende gelingt, mit seinem „Fleisch“ ein Gemälde zu erschaffen, wie es seine „Seele“ Jahre lang nicht vermochte.
    Rabo, der zuerst in die Schule eines fotorealistischen Malers und Illustrators gegangen ist, der abstrakte Kunst vehement ablehnte, wurde zum Leidweisen seines Lehrmeisters später selbst ein abstrakter Expressionist vom Schlage eines Jackson Pollock. Ein Maler, der nicht den einfachen Weg wählt, großartige Zeichnungen zu anzufertigen, sondern Abstraktes schafft, in dem er selbst – heimlich – immer konkrete Szenen sieht: ein grüner Streifen als Jäger, der von einem weißen Streifen als Bär angegriffen wird. Er sieht Geschichten in seinen Farbflächen, die anderen verborgen sind.
    Der Roman befasst sich – wie man es heute ausdrucken würde – mit toxischer Männlichkeit (schon die Titelreferenz des Blaubart-Mythos weist in diese Richtung), wenn er zwei Sphären ausgeprägten Machismos gegeneinanderstellt: die Malerei und den Krieg. Was die verheerende Gefährlichkeit befeuert, ist mal wieder das Versagen der Kommunikation: Das Ende des Gesprächs als Anfang des Vernichtungskampfes – der feindliche Soldat wird erschossen, die Frau des Feindes vergewaltigt. Oder eben: Die fehlende Verständigung zwischen Künstler, Kunstwerk und Publikum. Und Hauptfigur Rabo Karabekian fällt in beiden Sphären ins Gewicht: im Krieg zeichnete er sich aus, aber er versagte als Maler sowie als Ehemann, Familienvater und Ernährer. Ein Kindskopf, der seiner Familie nicht gut tut – seine erste Frau verlässt ihn, seine Söhne sagen sich von ihm los, als hätten ihn seine Kriegserfahrungen daran gehindert, zu einem erwachsenen Selbst zu reifen, gefällt er sich als Künstler, dem sein Gebaren nachgesehen werden müsse. Umgeben ist er von Figuren, denen er seine abstrakte Kunst nicht erklären kann, denen sein Gepinsel absolut nichtssagend bleibt: Als malte er gegenstandslos, weil er einfach nicht gut zeichnen könnte. Er versackt und scheint bei sich eine Größe nur noch als Sammler moderner Kunst zu sehen, Sachverständiger für die eigene Nische – womit sich die Katze im Kreis dreht.
    Der Erfolg im Beruf und das Überleben im Krieg sollte immer auch ein Anlass sein zu fragen, mit welchen Mitteln man (oder jemand anderes) sein Überleben gesichert hat. Das man am Ende noch auf dem Platz steht, ist nicht immer ein Grund zum Jubeln, wenn man dafür andere in Grund und Boden gestampft hat.
    Einmal erzählt Rabo von seiner Maler-Clique in New York, die Bilder malen, die nichts darstellen außer sich selbst. Die Gräfin, die einst die Assistentin von Rabos Lehrmeister, der sie sehr schlecht behandelte, und ein Love Interest von Rabo war, bevor sie in Italien einen Grafen heiratete, seufzte und schüttelte den Kopf:
    […]
    Viel später, als Rabo bereits hochbetagt ist, zieht die forsche Witwe Circe Berman wie als ungefragter Gast in sein großes Haus ein. Ihre Anwesenheit und ihre manipulative, spöttische Art zwingt ihn ständig, Stellung zu beziehen und mit dem Vorwurf auseinanderzusetzen, er habe bedeutungslose Kunst geschaffen. Sie (die unter Pseudonym Bestseller über das Leben der Jugend schreibt, manche würden sagen: eine Kitsch-Autorin, wo Rabo gedanklich immer noch bei seinen armenischen Eltern und dem Zweiten Weltkrieg stehen geblieben ist) ist der Funken Lebendigkeit, der Rabo nicht nur ein Leben zurückgibt, sondern auch den letzten Anstoß, seine Erfahrungen im Krieg in einem letzten großen (und großformatigem) Gemälde auf den geweißten Leinwänden seines größten Scheiterns zu verarbeiten. Dies gelingt ihm durch den besonderen Ansatz, für jede der auf dem Bild porträtierten 5219 Figuren, die Teil einer einschneidenden Kriegserfahrung waren, zunächst ihre Vorgeschichten nachzuerzählen. Auch wenn sich die Kunstkritiker bislang nicht für sein Mammutbild interessieren, hat er ein sehr konkretes, menschliches, privat biografisches und sehr eindrückliches Werk geschaffen, das den programmatischen Namen trägt: „Jetzt sind die Frauen dran“. Und das Publikum rennt ihm die Bude ein.
    Vielleicht ist es wirklich unabdingbar, dass sich ein Künstler, wenn er ein guter Künstler sein will, in seiner Kunst mit Dingen auseinandersetzt, die er nicht kann. „Das ist es, glaube ich, was uns an ernsthaften Gemälden so anzieht: dieser Mangel, den man ‚Persönlichkeit‘ oder vielleicht sogar ‚Schmerz‘ nennen könnte.“ (S. 185)
    Das konkrete Geheimnis dieses„Blaubarts“ ist nun kein frauenmordendes, sondern vielmehr die Quittung unter das männliche Versagen als Kriegstreiber und Unterdrücker alles Schwachen und Schönen. Der Roman ist dank seiner Vielschichtigkeit ein großartiges, selbstreflexives Stück Literatur über das Schaffen und Zerstören von Bedeutungen, das Schaffen von Kunst, aber auch über Krieg und Wiederauferstehung, Blaubart, Circe und Lazarus, das Überlebensschuld-Syndrom und toxische Männlichkeit. Im Grunde auch ein Aufruf, sich selbst nicht allzu wichtig zu nehmen. Dieser im Spätwerk Vonneguts oft übersehene Roman hat mir ausgesprochen gut gefallen, weil seine tiefsinnigen Erörterungen des menschlichen Lebens in all seinen kulturellen Symbolen, die Annäherung an den Gegensatz von Hoch- und Trivialkultur, an Erschaffen und Zerstören, den Krieg und die Kunst und das Versagen des Männlichen so spielerisch und beiläufig erfolgen, ohne jede Anstrengung oder erhobenen Zeigefinger! Ein tolles Buch!
    [Obacht: In meiner Goldmann-Ausgabe (1. Auflage 3/91) fehlen Seiten: Nach S. 144 darf man ein 2. Mal die Seiten 129 bis 144 lesen, wonach die Geschichte (nach einer Lücke von 15 Seiten) bei S. 161 weitergeht.]
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Ausgaben von Blaubart

Taschenbuch

Seitenzahl: 287

Hardcover

Seitenzahl: 287

E-Book

Seitenzahl: 338

Blaubart in anderen Sprachen

  • Deutsch: Blaubart (Details)
  • Englisch: Bluebeard (Details)
  • Französisch: Barbe-Bleue: Ou la vie et les oeuvres de Rabo Karabekian (Details)

Besitzer des Buches 4

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