Weiches Begräbnis

Buch von Fang Fang, Michael Kahn-Ackermann

  • Kurzmeinung

    eigenmelody
    Brillant. Zeigt wie ohnmächtig es ist, westliche Ideale auf China anzuwenden.
  • Kurzmeinung

    Emili
    Ist die Verdrängung, Vergessen und Schweigen heilend, oder muss alles Erlebte an die Oberfläche geholt werden?

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Weiches Begräbnis

„Fesselnd wie ein Opiumrausch.“ Le Monde Wer China verstehen will, sollte diesen Roman lesen: In ihrem zuerst gefeierten, dann verfemten Roman rührt Fang Fang an die Traumata der chinesischen Seele. Als Weiches Begräbnis 2016 in China erscheint, wird der Roman als wichtigstes chinesisches Werk der letzten Jahrzehnte gefeiert und mit dem renommierten Literaturpreis Lu Yao ausgezeichnet. Doch als bei einer Parteizusammenkunft der Roman mit dem Vokabular der Kulturrevolution als „Giftpflanze“ verbrämt wird, verschwindet das Buch vom Markt. Denn Fang Fang rührt darin an ein unverarbeitetes Trauma der chinesischen Gesellschaft, die Landreform nach 1948, als Millionen Chines*innen hingerichtet und in „weichen Begräbnissen“; d.h. ohne Sarg, verscharrt wurden. In einem kleinen Dorf wird eine junge Frau halbtot aus einem Fluss gezogen, sie erinnert sich an nichts. Der Dorfarzt Dr. Wu rettet ihr das Leben, und sie beginnt ein neues: Sie wird Haushälterin des KP-Kaders vor Ort, heiratet ihren Retter Dr. Wu, und sie bekommen einen Sohn. Doch im Laufe der Jahre löst sich der schützende Kokon des Vergessens. Sie sind verdammt zu schweigen, denn das Schweigen schützt die Familie: auch dafür steht „weiches Begräbnis“; die Erinnerung so tief zu begraben, dass gefährliches Wissen für immer verlorengeht. Im Schatten dieses Traumas wächst ihr Sohn auf – doch alles ändert sich, als er beginnt, die Vergangenheit zu erforschen.
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Bewertungen

Weiches Begräbnis wurde insgesamt 13 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,6 Sternen.

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Meinungen

  • Brillant. Zeigt wie ohnmächtig es ist, westliche Ideale auf China anzuwenden.

    eigenmelody

  • Ist die Verdrängung, Vergessen und Schweigen heilend, oder muss alles Erlebte an die Oberfläche geholt werden?

    Emili

  • Tiefe Einblicke in die Geschichte Chinas, die manches erklärt, was sich heute dort abspielt

    Squirrel

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Weiches Begräbnis

    Zum Inhalt und den verschiedenen Leseeindrücken wurde ja schon sehr viel geschrieben, und fast alles gesagt. Dennoch muss ich noch einmal betonen, welch wunderbares und unvergessliches Leseerlebnis dieser Roman für mich war.
    Die Art und Weise, wie sich die Autorin dem Thema nähert, wie sie die Geschichte aufbaut, aus welchen Perspektiven sie berichtet, und vor allem der Abschluss, sind in meinen Augen ganz großartig gelungen.
    Am Beispiel einer jungen Frau und ihrer Familie wird eindringlich erzählt, in welch verzweifelter Lage sich diese Menschen befanden, ehe sie zu den beschriebenen Maßnahmen griffen, ehe Ding Zitaos bisheriges Leben ins Vergessen geraten musste, damit sie weiterleben konnte. Mich hat der Roman emotional sehr aufgewühlt und tief ergriffen.
    Die Protagonisten sind in meinen Augen ganz hervorragend charakterisiert. Durch ihre Denk- und Verhaltensweisen wird viel von der chinesischen Mentalität spürbar, und auch der westliche Leser kann problemlos in diese fremde Welt eintauchen. Deshalb sollte auch die Leistung des Übersetzers Michael Kahn-Ackermann erwähnt werden, der die ungeschriebenen Töne zwischen den Zeilen wunderbar ins Deutsche transponiert hat.
    In einigen Passagen blitzt immer wieder subtiler Humor auf, der der Geschichte trotz aller Dramatik einen ganz besonderen Zauber verleiht. Am schönsten waren für mich aber die zahlreichen Sätze, die allgemein gültige Wahrheiten enthalten, die mich innehalten und nachdenken ließen.
    Die Autorin ist in meinen Augen eine begnadete Erzählerin, die einer furchtbaren Epoche der Geschichte ihres Landes ein großartiges Denkmal gegen das Vergessen gesetzt hat.
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  • Rezension zu Weiches Begräbnis

    […]
    Die Thematik an sich und die Recherche dazu fand ich sehr emotional, da kann es einfach einem nicht anders dabei ergehen. Es sind doch furchtbare Dinge, die da passiert sind, und worüber man schweigt oder schweigen sollte. Auch der Titel schon, ich bekomme Gänsehaut, wenn ich darüber nachdenke, was es bedeutet. Doch die Figuren blieben mir fern. Ich weiß nicht, woran es bei mir liegt. Ich mag keine distanzierte Betrachtung. Wobei es Bücher gibt, wo man auch traumatische Ereignisse verarbeitet, die auch aus einer Distanz berichtet werden, weil es für Traumatisierte sehr typisch ist, sich von dem Geschehenen zu distanzieren, aber die kommen bei mir eher an. Beim "Weiches Begräbnis" war es nicht der Fall.
    […]
    Ich glaube eher weniger, dass dies ein Problem für mich darstellt, denn in der Regel kann ich mich sehr gut in meine Mitmenschen einfühlen. Der Erzählstil macht es, glaube ich, der ist nicht so emotional und gefühlvoll, wie ich es bei der Thematik gerne hätte.
    P.S. mir ging es schon beim "Gott der Barbaren" so, dass mich das Buch schlecht erreichte. Es war mir nicht ausführlich genug. Blieb für mich emotional an der Oberfläche, wobei die meisten Leser fanden die Lektüre sehr eindringlich.
    Jetzt habe ich hier noch "Nanking Requiem" liegen, was ich auch zeitnah lesen möchte. Weiß nicht, wie das für mich wird.
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  • Rezension zu Weiches Begräbnis

    […]
    Lies es, es ist ein tolles Buch.
    Ich bin begeistert von diesem Roman, ebenso wie @Naraya und @Sarange es schon geschrieben habe. Besonders Saranges Rezension kann ich mich nur anschließen, ich weiß kaum mehr zu sagen als sie es schon in Worte gefasst hat.
    Ich habe zwar keine persönlichen Erfahrungen mit diktatorischen Regimes, dafür hab ich mich aufgrund meiner Interessen schon etwas mehr mit der Geschichte Chinas der letzten 150 Jahre beschäftigt. Zeitlich und räumlich zwar mehr "drumherum" angesiedelt, hat es mir doch geholfen, vieles der hier erzählten Geschichte einzusortieren und nicht ganz so viel recherchieren zu müssen.
    Das große Grundthema des Schweigens / Verschweigens und des Vergessens scheint besonders im asiatischen Raum der letzten Jahrzehnte eine große Rolle zu spielen; so ist es mir doch erst in Stephan Thomes "Pflaumenregen" vor wenigen Monaten begegnet. Schweigen und Vergessen als Verlust oder als Chance im Persönlichen zu sehen ist eine schwierige Entscheidung und Fang Fang gibt darüber auch kein Urteil ab. Sie überlässt es uns Lesern, unsere eigene Entscheidung darüber zu fällen.
    Allerdings ist dieses Thema uns durchaus auch vertraut, haben doch unsere Eltern und Großeltern meist auch geschwiegen über ihre Erfahrungen im und nach dem Zweiten Weltkrieg.
    Sehr wohl gibt Fang Fang aber ein Urteil über das politisch verordnete Schweigen und Vergessen ab, indem sie dieses durchbricht - und wofür sie einen hohen Preis bezahlen muss. Sehr aufschlussreich und hilfreich empfand ich hierbei auch das Nachwort des Übersetzers Michael Kahn-Ackermann, der überhaupt eine hervorragende Arbeit geleistet hat, indem er auch innerhalb des Romans durch Fussnoten uns westlichen Lesern vieles erklärt und uns damit manches Verständnis erleichtert hat. Vielen Dank dafür an dieser Stelle.
    […]
    Mir hat diese Erzählweise hervorragend gefallen - die Puzzleteile der Geschichte fielen nach und nach an ihren Platz und mit jeder Seite wurde die Geschichte deutlicher und klarer. Ich mag einen solchen Aufbau sehr gerne.
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  • Rezension zu Weiches Begräbnis

    Für diesen Roman habe ich mir viel Zeit gelassen – er war in emotionaler Hinsicht aufwühlend und fordernd, und darüber hinaus musste ich mir parallel noch einiges an Hintergrundwissen zur Geschichte Chinas im letzten Jahrhundert anlesen, um die geschilderten Ereignisse besser einordnen zu können. Es hat sich gelohnt! Fang Fang hat mit ihrem Werk mein Chinabild ordentlich durchgepustet und mein Verständnis für eine historische Epoche, die mir vorher nur sehr oberflächlich bekannt war, vertieft und die Neugier auf weitere Bücher aus diesem Kontext geweckt.
    Der Roman bewegt sich auf mehreren zeitlichen und inhaltlichen Ebenen: Hauptsächlich sind das Leben der Protagonistin nach ihrer Rettung aus einem Fluss und ihrem damit verbundenen Gedächtnisverlust, angesiedelt in den Fünfziger- bis Siebzigerjahren, die vorherigen schrecklichen Ereignisse rund um die chinesische Landreform Anfang der Fünfzigerjahre (bei der eine ganze Kultur der Kunst, Bildung und des Feinsinns zerschlagen wurde, was in Form von Erinnerungen der traumatisierten Protagonistin erzählt wird) und die späteren Recherchen des Sohnes der Protagonistin, die um den Jahrtausendwechsel herum stattfinden, miteinander verschränkt. (Mehr zum Inhalt siehe Rezi von Naraya!)
    Die Autorin entfaltet jedoch viele weitere Figuren aus verschiedensten gesellschaftlichen Schichten, gibt ihnen Raum im Geschehen, verortet sie an mehreren Stellen in den historischen Umbrüchen und ermöglicht es den Leser*innen damit, eine Vielzahl von Perspektiven einzunehmen. Diese Komplexität der Figuren samt ihrer Einbettung in verschiedene Epochen ist es, die mich am meisten beeindruckt hat. Ich komme selbst aus einem totalitären Staat, der versucht hat, die Menschen in seinem politischen Sinne gleichzuschalten, mit Enteignungen und Agitation die gesellschaftlichen Strukturen umzukrempeln und bestimmte Perspektiven auf historische Ereignisse als alleingültig zu propagieren, während andere geleugnet oder bekämpft wurden. Die Wucht, mit der eine „sozialistische“ Gesellschaftsordnung eingeführt wurde, und der Kampf um die Deutungshoheit auf das aktuelle wie vergangene Geschehen sind in China jedoch um Welten größer und gewaltsamer als in der DDR ausgefallen – wie gewaltsam, stellt Fang Fang in ihrem Werk ungeschönt dar. Sie wechselt hierbei geschickt zwischen individuellen Schicksalen und gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen, verwendet auch mal das eine als Metapher für das andere – und lässt am Ende viele Fäden offen. Vor allem eine Frage wird nicht beantwortet, sondern der Beurteilung durch die Lesenden überlassen: Beraubt man sich seiner Herkunft, wenn man sich von seinen Wurzeln trennt (bzw. von ihnen getrennt wird), oder wird erst so ein wirklicher Neuanfang möglich? Soll man an individuelles und kollektives Unrecht erinnern und nach Wiedergutmachung streben, auch wenn dies neues Unrecht aufwirft, oder ist es für die Gegenwart und Zukunft besser, über die Vergangenheit und das mit ihr verbundene Recht und Unrecht zu schweigen? (Hier zeigt sich eine große thematische Nähe zu Kazuo Ishiguros „Begrabenem Riesen“, einem meiner Lieblingsromane.)
    Die Erzählweise, eine Mischung aus zunächst verschwommenen, assoziativen Wahrnehmungen der Protagonistin, die authentisch zu ihrem Gedächtnisverlust passen, und anderen stringent entfalteten Ereignissen und Erinnerungen aus der (rückwärts erinnerten!) Vergangenheit und Gegenwart, hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Einen halben Stern Abzug gibt es für einige zähe Abschnitte und die Neigung der Autorin, das Geschehen gelegentlich erzählerisch zu stark zusammenzufassen, statt es sich in Ruhe entfalten zu lassen.
    Dennoch ist dies ein Roman, der mich stark beeindruckt hat, der mir sicher noch lange nachgehen wird und dem ich viele Leser*innen wünsche, auch oder gerade weil er in China inzwischen nicht mehr erhältlich ist.
    Ein Jahreshighlight!
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  • Rezension zu Weiches Begräbnis

    Endlich hat Qinglin genug Geld verdient, um seiner Mutter ein Haus zu kaufen, die ihn nach dem frühen Tod des Vaters allein großziehen musste. Als Ding Zitao jedoch in der neuen Villa ankommt, verhält sie sich zunehmend seltsam. Sie spricht Sätze aus, an die sie sich später nicht erinnern kann, ganz so, als sei sie eine völlig andere Person und schließlich fällt sie ganz ins Wachkoma. Qinglin macht sich auf die Suche nach Hinweisen, um seine Mutter aus ihrem Zustand zurückzuholen und taucht dabei tief in ihre Vergangenheit, die seines Vaters und vieler anderer Menschen um ihn herum ein. Im Verlauf seiner Recherchen muss er sich jedoch fragen, ob Vergessen nicht manchmal auch ein Segen sein kann.
    Die chinesische Schriftstellerin Fang Fang wurde für ihr 2016 erschienenes Buch „Weiches Begräbnis“ mit dem renommierten Literaturpreis Lu Yao ausgezeichnet. Da sie sich darin jedoch mit der Bodenreform ab 1948 beschäftigt, die Millionen von Menschen das Leben kostete, landete der Roman schnell auf dem Index, wie übrigens auch ihr neuestes Werk „Wuhan Diary“. „Weiches Begräbnis“ wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Aus dem, was sich in Ding Zitaos Unterbewusstsein im Wachkoma abspielt sowie Tagebüchern ihres Ehemannes Dr. Wu und Gesprächen, die Qingli mit Überlebenden und ihren Nachkommen führt, beginnt sich nach und nach ein Bild zusammenzusetzen.
    Als junge Frau wurde Ding Zitao schwer verletzt und ohne Erinnerung aus einem Fluss geborgen. Später heiratete sie ihren damaligen Arzt Dr. Wu und bekam mit ihm Sohn Qinglin. Was sich im Laufe der Handlung über die Vergangenheit offenbart, ist ungemein grausam und als Leserin versteht man sehr schnell, warum die Protagonistin sich so lange geradezu gegen das Erinnern stemmt. Denn der Ausdruck „weiches Begräbnis“ beschreibt nicht nur das Begrabenwerden ohne Sarg, in nackter Erde, sondern auch die sanfte, rettende Abschottung, die das Verdrängen den Überlebenden gewährt.
    Wer Romane liebt, in denen sich am Ende immer alles wundersam auflöst, wird mit diesem nicht glücklich werden. Alle anderen erwartet ein wahres Meisterwerk über die Macht von Erinnerungen.
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Ausgaben von Weiches Begräbnis

Hardcover

Seitenzahl: 448

E-Book

Seitenzahl: 479

Taschenbuch

Seitenzahl: 448

Weiches Begräbnis in anderen Sprachen

  • Chinesisch: Ruan mai (Details)
  • Deutsch: Weiches Begräbnis (Details)

Besitzer des Buches 22

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