Graue Bienen

Buch von Andrej Kurkow, Sabine Grebing, Johanna Marx

  • Kurzmeinung

    Abroxas
    Humorvoll, empathisch, erhellend; einige Längen sehe ich gerne nach
  • Kurzmeinung

    Bridgeelke
    Für meinen Geschmack nehmen am Ende die 'Träume' überhand, den Schluss finde ich zu abrupt, für mich unvollständig

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Graue Bienen

Der Bienenzüchter Sergej lebt im Donbass, wo ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten Tag für Tag aufeinander schießen. Er überlebt nach dem Motto: Nichts hören, nichts sehen – sich raushalten. Ihn interessiert nur das Wohlergehen seiner Bienen. Denn während der Mensch für Zerstörung sorgt, herrscht bei ihnen eine weise Ordnung und wunderbare Produktivität. Eines Frühlings bricht er auf: Er will die Bienen in eine Gegend bringen, wo sie wieder in Ruhe Nektar sammeln können.
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Bewertungen

Graue Bienen wurde insgesamt 14 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,3 Sternen.

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Meinungen

  • Humorvoll, empathisch, erhellend; einige Längen sehe ich gerne nach

    Abroxas

  • Für meinen Geschmack nehmen am Ende die 'Träume' überhand, den Schluss finde ich zu abrupt, für mich unvollständig

    Bridgeelke

  • Einblicke in ein von Entbehrungen geprägtes Leben. Wunderbarer Roman über Zugehörigkeit und Völkervielfalt in der Ukrain

    Maesli

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Graue Bienen

    Mit seinem Roman „Graue Bienen“ greift Andrej Kurkow das Thema der Leiden der Zivilbevölkerung in der Ostukraine auf. Er beschreibt an Sergejitsch und Paschko den Alltag kleiner Leute, die zwischen die Frontlinie geraten sind. Der Bienenzüchter Sergejitsch repräsentiert im Roman den ukrainischen Bevölkerungsanteil des Donbass, während sein Erzfeind Paschko exemplarisch für die Separatisten steht.
    Hauptschauplatz ist ein Dorf im Niemandsland der sogenannten Grauen Zone im Kampfgebiet zwischen der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten im Spätwinter 2016. Bis auf Sergejitsch und Paschko haben alle Einwohner das Dorf aus Angst vor den ständigen Raketenangriffen verlassen.
    Weil sie mehr Angst um ihr Leben bekommen hatten als um ihre Besitztümer und von zwei Ängsten die stärkere wählten.
    Nun stehen Häuser leer, die Kirche ist zerbombt und Strom gibt es erst in der benachbarten Ortschaft. Die tägliche Bedrohung durch die Kriegshandlungen und die Mühsal, das eigene Überleben zu organisieren, zwingen die beiden „Feindfreunde“ zu nachbarlicher Hilfe und bringen sie einander näher.
    In den Stillstand der ersten Romanhälfte kommt schließlich Bewegung, als Sergejitsch im Frühling seine sechs Bienenstöcke auf den Anhänger seines Schiguli hievt und sich durch alle Checkpoints nach Westen durchwindet, um seine Bienen dorthin zu bringen wo Ruhe und Frieden herrscht. Hier sollen sie frei fliegen und ihren Honig sammeln können. Damit beginnt der 2. Teil des Romans, der die Züge eines Reiseromans annimmt. Doch egal wohin Sergejitsch fährt, der Krieg verfolgt ihn und verschont ihn weder mit Demütigungen durch russische Kontrolleure noch durch Bewohner der anderen ukrainischen Regionen.
    Aber der Ofen und das Haus waren weit weg und wurden von Paschka beaufsichtigt, und bei diesem Gedanken vertrieben die Lichter von Albat trotzt allem die Traurigkeit und gaben ihm die ruhige Freude wieder, die das Leben ins Gleichgewicht brachte und die Illusion schuf, eben die Ruhe sei das Glück!
    Meine persönlichen Leseeindrücke
    Ich möchte „Graue Bienen“ einen klassischen Roman benennen. Gerade weil Andrej Kurkov keine neuen Techniken in der Zeit- und Redegestaltung erprobt, ist dieser Roman imstande, die komplexe und oberflächlich nicht leicht durchschaubare Wirklichkeit in sich aufzunehmen. Das erinnert mich ein wenig an die großen Klassiker der russischen Literatur. Kurkov aber ersetzt die Tragik durch eine zeitgemäße Darstellung der Handlung und nimmt ihr so etwas an der schweren Wehmut.
    Sergejitsch ist ein komischer, einfältiger Kauz. Entschlossen sein Heimatdorf nicht zu verlassen, nimmt er die Einsamkeit in Kauf und ein Dasein, das wir im westlichen Europa als menschenunwürdig bezeichnen würden. Nur die Sorge um seine Bienen veranlasst ihn, die graue Zone zu verlassen und sich auf eine Reise zu begeben. Wie ein Vagabund lebt er in prekären Umständen. Doch scheint sein innerer Frieden stark zu sein und weder äußere noch innere Umstände bringen ihn von seinem Vorhaben ab. Dabei behält er stets sein Herz auf dem rechten Fleck, auch wenn ihn des Öfteren die Angst überkommt. Ob das für die Ostukraine ein typisches Verhaltensmuster ist, entzieht sich meinen Kenntnissen.
    Das Buch wird vor allem für seine politisch versteckte Meinung gelobt. Die Bienen in ihren Stöcken seien als Gegenmodell eines wohlgeordneten und produktiven Staatswesens erkennbar und würden zu dem unproduktiven und gewalttätigen Chaos der ostukrainischen Gesellschaft einen Vergleich darstellen. Das habe ich während der Lektüre nicht erkannt. Für mich trat viel mehr die Völkervielfalt der Ukraine in den Vordergrund und die Tatsache, dass jeder, der seine Heimatregion verlässt, in der Ferne als Fremder / Eindringling angesehen und argwöhnisch beäugt wird, ganz besonders in Kriegszeiten.
    Er dachte darüber nach, dass die Menschen gerade von den Bienen lernen könnten, wie man Ordnung aufrechterhielt. Bloß hatten die Bienen dank ihrer Ordnung und Arbeit in ihren Bienenstöcken den Kommunismus aufgebaut. Die Ameisen hatten einen echten, natürlichen Sozialismus erreicht, weil sie nicht produzierten, sondern nur gelernt hatten, Ordnung und Gleichheit zu wahren. Und die Menschen?
    Fazit
    Mit seinem Roman „Graue Bienen“ greift Andrej Kurkow das Thema der Leiden der Zivilbevölkerung in der Ostukraine auf. Er beschreibt an Sergejitsch und Paschko den Alltag kleiner Leute, die zwischen die Frontlinie geraten sind. Nur für das Wohl der Bienen begibt er sich auf eine Reise aus der grauen Zone auf der Suche nach vermeintlichen Frieden und Ruhe.
    Der Mensch zeigt sich doch nicht nur in seinem Gesicht, sondern auch in der Stimme oder wenigstens im betrunkenen Singen!
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  • Rezension zu Graue Bienen

    Sergej lebt in seiner eigenen kleinen Welt, lediglich um ein bescheidenes Auskommen und ein ruhiges Dasein bemüht. Zwischenmenschliche Beziehungen zählen nicht zu seinen Stärken (wozu auch? Bienen sind eh die besseren Menschen) und Politik ist ihm egal, solange die Geschosse in seinem Dorf im Donbass die Bienen nicht zu sehr aufstören. Das konfliktreiche Geschehen um sich herum begreift Sergej oft nicht und interessiert sich auch nicht dafür. Ich habe mich wiederholt gefragt, ob man tatsächlich in einer Kriegssituation so naiv sein kann. Natürlich überspitzt der Autor hier, denn warum sollten Menschen wie Sergej, die einfach nur in Ruhe ein einfaches Leben führen wollen, das nicht dürfen? Und zu normalen Zeiten wäre das ja auch kein Problem…
    Nachdem man als Leser*in den halben Roman lang und fast über die Schmerzgrenze hinaus Sergejs öden Alltag im fast leeren Dorf geteilt hat, landet der Tropfen zu viel im Fass bzw. das Geschoss zu viel schlägt in der Nähe von Sergejs Bienen ein – Sergej packt seine Sachen und das Geschehen entwickelt sich plötzlich zu einem melancholisch-ironischen Roadtrip. Auch innerlich kommt Sergej nun endlich in Bewegung – aus dem stoffeligen Einzelgänger, der sich nicht einmal für das Befinden seiner Tochter interessiert hat, entwickelt sich im Laufe seiner Odyssee durch die Südukraine ein Mensch, der nicht nur von Anderen nimmt, sondern zumindest gelegentlich auch deren Bedürfnisse wahrnimmt und Hilfe leistet.
    Am Ende hinterlässt der Roman etliche offene Fadenenden, und über einige Teile des Schlusses werde ich noch ein bisschen nachzudenken haben, insbesondere im Zusammenhang mit dem Buchtitel. Dazu möchte ich hier nichts weiter verraten.
    Insgesamt war es ein seltsames Gefühl, dass sich bei diesem Buch Fiktion und aktuelle Realität so sehr berührt haben. Manchmal musste ich beim Lesen im Roman und/oder in der Tageszeitung zweimal nachdenken, um das sortiert zu bekommen, und es traf mich auch emotional sehr stark. Zum Beispiel hatte ich in den Medien gelesen, dass russische Truppen die eroberten Gebiete nach Donbass-Veteranen durchsuchen. Also nach solchen Leuten wie dem blutjungen Kerl, der im Roman bei Sergej im Wohnzimmer saß und seine Kalaschnikow nicht ablegen wollte. Im Roman fragen sich die Protagonisten, wie es wohl weitergehen mag mit diesem Konflikt, machen Pläne für ihr Leben nach dem Krieg, überlegen, ob sie bleiben oder gehen sollen. Wenige Jahre später – jetzt – sehe ich den Fortgang des Geschehens in den Nachrichten, sehe die ukrainischen Geflüchteten hier im Ort... Natürlich habe ich schon viele Bücher über reale Konflikte und Kriege gelesen, aber diesmal war ich zeitlich, geografisch und medial besonders nah dran, es fanden zahlreiche Rückkopplungen statt... Das war also definitiv kein Buch, das sich mal so nebenbei in der Freizeit zum Vergnügen weglesen ließ. Aus der Hand legen mochte ich es deshalb nicht – unter anderem, weil ich dankbar für ein tieferes Verständnis der Hintergründe bin. Gleichzeitig stellte das Buch doch auch an sich ein Lesevergnügen dar! Es war also auf jeden Fall eine spezielle und besondere Lektüre.
    Ich habe über NetGalley ein unkorrigiertes Rezensionsexemplar erhalten und hoffe, dass Lektorat und Korrektorat die dort noch enthaltenen Unstimmigkeiten rechtzeitig vorm Erscheinen ausgeglichen haben.
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  • Rezension zu Graue Bienen

    Inhalt Der Bienenzüchter Sergej lebt im Donbass, wo ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten Tag für Tag aufeinander schießen. Er überlebt nach dem Motto: Nichts hören, nichts sehen – sich raushalten. Ihn interessiert nur das Wohlergehen seiner Bienen. Denn während der Mensch für Zerstörung sorgt, herrscht bei ihnen eine weise Ordnung. Eines Frühlings bricht er auf: Er will die Bienen dorthin bringen, wo sie in Ruhe Nektar sammeln können.
    (Quelle: Amazon.de)
    Meinung
    Dass in einem Teil der Ukraine schon seit 2014 Krieg herrscht, war bekannt, lief aber immer irgendwie im Hintergrund. Seit dem 24. Februar 2022 beherrscht nun Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine die Nachrichten. Der Roman "Graue Bienen" spielt in der sogenannten Grauen Zone im Donbass, dem Gebiet zwischen den Fronten der ukrainischen Armee und russischen Separatisten. Der Konflikt schwelt schon seit drei Jahren. Es müsste also 2017 sein. Die Bewohner des Dorfes Malaja Starogradowka hören das Geschützfeuer meist nur von der Ferne, haben sich mehr oder weniger daran gewöhnt. Sie sind auch nur noch zu zweit: der Bienenzüchter Sergej Sergejitsch und sein "Kindheitsfeind" Paschka, der am anderen Ende des Dorfes lebt, beide knapp 50 und Frührentner, eigentlich der russischen Bevölkerung angehörend, aber unpolitisch.
    Fast die ganze erste Hälfte des Buches spielt in dem kleinen Dorf, erzählt von dem Leben Sergejitschs ohne Strom, voller Erinnerungen, seinen geliebten Bienen, mit denen er früher sogar eine interessante Geschäftsidee umgesetzt hatte, und von der Allgegenwart des Krieges, einem Toten, der mitten auf dem Feld liegt, einem ukrainischen Soldaten, der gelegentlich zu Besuch kommt. Das Erzähltempo ist sehr ruhig und gemächlich, obwohl zwischendurch schreckliche Dinge zur Sprache kommen.
    In der zweiten Hälfte entwickelt sich das Ganze dann aber zu einer Art Roadmovie, denn Sergejitsch beschließt, seine Bienen wegzubringen, um ihnen über den Sommer Ruhe zu gönnen, stellt die Stöcke in den Anhänger seines Wagens und fährt aus der Grauen Zone hinaus, um einen guten Platz zu finden. Seine Reise wird viele bürokratische Hürden für ihn bereithalten, ihn bis auf die von Russland annektierte Krim führen und ihn immer wieder mit der Absurdität des Krieges konfrontieren.
    Der Stil bleibt immer leicht lakonisch. Obwohl manchmal schlimme Dinge passieren, wirkt das Ganze nie dramatisierend. Sergejitsch ist ein einfacher Mensch, dessen Hauptinteresse seine Bienen sind, die er für viel vollkommener als die Menschen hält.
    Das Ganze ist eine Geschichte von Irrfahrt und Heimreise, sprich: eine Odyssee. Der Autor hat meiner Meinung nach auch ein paar direkte Referenzen an Homers Odyssee eingebaut. Man muss sie nicht unbedingt kennen, aber es macht Spaß, die Parallelen zu entdecken. Ich habe im Spoiler ein paar eingefügt, die ich zu erkennen glaubte:
    Fazit
    Der Roman hat mich sehr berührt. Das Grauen des Krieges war immer vorhanden, aber das Ganze war nie reißerisch, Kriegsalltag sozusagen. Die Erzählweise war im Großen und Ganzen sehr ruhig, oft auch mit trockenem Humor. Nie sentimental, aber auch nicht grimmig. Mich schüttelte es jedes Mal, wenn die Namen von Städten wie Mariupol auftauchten, die uns heute aus den Nachrichten auf so traurige Weise präsent sind. "Graue Bienen" ist auf jeden Fall empfehlenswert, wenn man die Lage in den okkupierten Gebieten vor dem Angriffskrieg ein wenig besser verstehen will.
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Ausgaben von Graue Bienen

Taschenbuch

Seitenzahl: 448

Hardcover

Seitenzahl: 448

E-Book

Seitenzahl: 441

Besitzer des Buches 21

Update: