Der Empfänger
Buch von Ulla Lenze

Titel: Der Empfänger
Ulla Lenze (Autor)
Verlag: Klett-Cotta
Format: Gebundene Ausgabe
Seitenzahl: 304
ISBN: 9783608964639
Termin: Juni 2020
Aktion
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Kurzmeinung
WoKan Interessante Geschichte über die Erlebnisse des Josef Klein
Zusammenfassung
Inhaltsangabe zu Der Empfänger
Ein deutscher Auswanderer in New York – im Spionagenetzwerk der deutschen Abwehr Ulla Lenze legt einen wirkmächtigen Roman über die Deutschen in Amerika während des Zweiten Weltkriegs vor. Die Geschichte über das Leben des rheinländischen Auswanderers Josef Klein, der in New York ins Visier der Weltmächte gerät, leuchtet die Spionagetätigkeiten des Naziregimes in den USA aus und erzählt von politischer Verstrickung fernab der Heimat. Vor dem Kriegseintritt der Amerikaner brodelt es in den Straßen New Yorks. Antisemitische und rassistische Gruppierungen eifern um die Sympathie der Massen, deutsche Nationalisten feiern Hitler als den Mann der Stunde. Der deutsche Auswanderer Josef Klein lebt davon relativ unberührt; seine Welt sind die multikulturellen Straßen Harlems und seine große Leidenschaft das Amateurfunken. So lernt er auch Lauren, eine junge Aktivistin, kennen, die eine große Sympathie für den stillen Deutschen hegt. Doch Josefs technische Fähigkeiten im Funkerbereich erregen die Aufmerksamkeit einflussreicher Männer, und noch ehe er das Geschehen richtig deuten kann, ist Josef bereits ein kleines Rädchen im Getriebe des Spionagenetzwerks der deutschen Abwehr. Josefs verhängnisvoller Weg führt ihn später zur Familie seines Bruders nach Neuss, die den Aufstieg und Fall der Nationalsozialisten aus der Innenperspektive erfahren hat, und letztendlich nach Südamerika, wo ihn Jahre später eine Postsendung aus Neuss erreicht. Deren Inhalt: eine Sternreportage über den Einsatz des deutschen Geheimdienstes in Amerika. Stimmen zum Buch »Ulla Lenze verknüpft meisterhaft Familiengeschichte und historischen Stoff, schreibt brillant, lakonisch, zugleich mitreißend über einen freundlichen Mann, der sich schuldig macht, weil er sich wegduckt.« WDR, Claudia Kuhland »Wie keine andere Autorin und kein anderer Autor unserer Generation kann Ulla Lenze in klugen Szenen und wunderbaren Details von der inneren Verfasstheit weit entfernter Orte und ihrer Bewohner erzählen, von sozialen und zwischenmenschlichen Dynamiken und wie beides zusammenhängt. In ›Der Empfänger‹ wendet sie ihr Können erstmals auf einen historischen Stoff an und das Ergebnis ist beeindruckend.« Inger-Maria Mahlke »Wie schafft sie es bloß, über Figuren, die sich selbst verlieren, so zu schreiben, dass man beim Lesen Halt findet?« Lucy Fricke »Ulla Lenze schreibt eine tolle, empfindungsintensive, pathosfreie Prosa. Echt und wahr und ehrlich.« David Wagner »Ich will (...) mal ein Buch nennen, von einer jungen Autorin, das mich erstaunt hat: ›Die endlose Stadt‹ von Ulla Lenze. Diesem Buch merke ich an, dass es Substanz hat.« Uwe Timm zu »Die endlose Stadt«
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Bewertungen
Der Empfänger wurde insgesamt 6 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,8 Sternen.
Meinungen
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Interessante Geschichte über die Erlebnisse des Josef Klein
Rezensionen zum Buch
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Rezension zu Der Empfänger
- Magdalena
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2. Januar 2025 um 10:30
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs kehrt Josef Klein aus den USA zurück nach Deutschland und sitzt zwischen allen Stühlen. Sein großer Traum vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist geplatzt, doch in seiner Heimatstadt fühlt er sich auch nicht mehr zugehörig. Bereits in den 20er Jahren wollten sein Bruder Carl und er gemeinsam auswandern, doch ein schwerer Arbeitsunfall machte Carl einen Strich durch die Rechnung und Josef ist alleine über den großen Teich gereist. Das verheißene Glück hat er nicht gefunden und musste sich wie viele Auswanderer mit Gelegenheitsjobs durchschlagen.Weiterlesen
Seine Begeisterung fürs Amateurfunken bringt ihn allerdings zunächst mit Lauren zusammen, einer jungen Frau, die ihm sehr ans Herz wächst, und erregt kurz vor Kriegsausbruch die Aufmerksamkeit von Nazisympathisanten aus der deutschen Community vor Ort, die sich Josefs Kenntnisse und technische Ausstattung für ihre eigenen Zwecke zunutze machen will. Lauren ist berechtigterweise nicht sehr begeistert von dieser Entwicklung, doch bis Josef begreift, in was für Kreise er geraten ist und dass er sich dadurch in Gefahr bringt, ist es schon zu spät, um noch ungeschoren aus der Sache herauszukommen.
Ulla Lenze bedient sich für ihren Roman in ihrer eigenen Familiengeschichte - Josef Klein hat ein reales Vorbild in einem Verwandten der Autorin - und greift mit der deutschen Auswanderergemeinde in den USA etwas auf, worüber ich im Zusammenhang mit der NS-Geschichte bisher nie auch nur nachgedacht hatte. Josef ist wie viele junge Auswanderer etwas blauäugig losgezogen und wird schnell auf den Boden der Tatsachen geholt, als er erfolgreich die Einwanderungskontrollen auf Ellis Island hinter sich gebracht hat. Aber er bleibt, findet eine Nische für sich und lernt schnell, moralische Bedenken zurückzustellen, wenn es um die Arbeit geht, denn ohne Geld lebt es sich nun einmal schlecht.
Die Spionageversuche, in die er schließlich, auch dank seiner Naivität, verwickelt wird, erweisen sich aber als eine Nummer zu groß für ihn, und die Konsequenzen daraus sind hart und führen dazu, dass er seine Wahlheimat verlassen muss. (Das ist kein Spoiler, es wird schon zu Beginn des Buches klar, dass er nicht in den USA bleiben wird.) Dass er sich das selbst zuzuschreiben hat, macht es nicht leichter zu ertragen, dass er seinem Bruder, bei dem er übergangsweise wohnt, und dessen Familie eine Last ist und dass er sich in der alten Heimat nicht mehr wohlfühlt.
Diese Geschichte von Heimatlosigkeit und vom Scheitern des großen Traums erzählt Lenze nicht linear, sondern mit vielen Sprüngen zwischen mehreren Zeitebenen, so dass sich erst allmählich ein Gesamtbild aus den einzelnen Teilen von Josefs Lebensweg zusammensetzt. Der Erzählton ist eher sachlich als emotional, was die Annäherung an die Figuren manchmal etwas schwer macht, zumal mir außer Lauren auch niemand so recht sympathisch wurde. Manchmal waren die Zusammenhänge auch ein bisschen wirr dargestellt, aber den Blick auf einen eher selten betrachteten Aspekt der Zeitgeschichte fand ich trotzdem sehr interessant. -
Rezension zu Der Empfänger
- WoKan
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10. Dezember 2020 um 09:53
Ulla Lenze schreibt über Josef Klein, der nach dem Ersten Weltkrieg in die USA ausgewandert ist. Sein kleiner Bruder Carl sollte eigentlich auch mit, doch durch einen Unfall verlor er ein Auge und er durfte nicht in die USA immigrieren. Josef bzw. Joe führt ein bescheidenes, unauffälliges und wenig erfolgreiches Leben in New York. Seine Begleiterin ist Hündin Princess, die als Junghund ausgesetzt und von Joe adoptiert wurde. New York ist ein Kessel aus allen Kulturen und jede hat ihr eigenes Viertel. So haben auch die Deutschen ihre Kneipen, Bäcker etc. Im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges wird Josef in die Machenschaften der Nazis gezogen, ohne es zu wollen. Eigentlich arbeitet er als Drucker und privat liebt er die Funkerei. Durch das Hobby lernt er seine Freundin Lauren kennen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird er auf Ellis Island interniert und zurück nach Deutschland geschickt. Einige Zeit verbringt er bei seinem Bruder und dessen Familie, bevor er sich nach Südamerika absetzt.Weiterlesen
In nüchternen Worten und unspektakulär wird die Geschichte des Mannes erzählt. Es wird immer zwischen New York in den 1930er und Neuss Ende der 1940er Jahre geschwenkt. Das Ende befasst sich mit der Zeit in Costa Rica 1953.
Es ist eine interessante Geschichte, die jedoch nicht allzu fesselnd oder spannend ist. -
Rezension zu Der Empfänger
- buchregal
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22. Februar 2020 um 15:23
Die Brüder Josef und Carl Klein wollen nach Amerika auswandern. Doch ein Unfall verhindert, dass Carl ein Einwanderungsvisum bekommen kann. Also kommt Josef alleine nach Amerika, nennt sie Joe und schlägt sich irgendwie durch. Er ist Hobbyfunker und interessiert sich für Technisches. Dann findet er Arbeit in einer Druckerei. Er gerät an die falschen Leute und findet sich plötzlich in einem Spionagenetzwerk wieder. Als er die Sache beenden möchte, ist es schon zu spät. Dann wird er verhaftet und landet im Gefängnis. Er erhält eine Nachricht aus der Heimat, nachdem der Stern in einer Reportage über die Spionagetätigkeiten in Amerika berichtet hat, in dem auch Joe erwähnt wird. 1949 kommt er zurück und lebt bei seinem Bruder in Neuss. Da er sich nicht willkommen fühlt, zieht es ihn dann nach Südamerika.Weiterlesen
Die Autorin hat die Geschichte ihres Großonkels als Grundlage für ihren Roman genommen. Der Schreibstil ist gut zu lesen. Die Zeiten wechseln immer wieder, aber die Kapitelüberschriften geben an, wo und wann die Handlung gerade spielt.
Josef Klein ist ein getriebener Mensch, der nirgendwo richtig ankommt und heimisch wird. Auch Amerika ist nicht das gelobte Land, das er sich erträumt hat. Auch bei seinem Bruder in Neuss kommt er nicht wirklich an. Daher zieht es ihn dann Nach Südamerika. Ich finde, dass er eine tragische Figur ist. Ich wurde die ganze Zeit nicht wirklich warm mit ihm.
Das Buch zeigt noch einmal einen anderes Aspekt, als die Bücher, die ich bisher über jene Zeit gelesen habe. Es gab einiges, dass mir so nicht bekannt war.
Ein interessanter Roman, der mich aber nicht hundertprozentig überzeugen konnte. -
Rezension zu Der Empfänger
- Buchdoktor
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19. Februar 2020 um 19:48
Klappentext/VerlagstextWeiterlesen
Ulla Lenze legt einen wirkmächtigen Roman über die Deutschen in Amerika während des Zweiten Weltkriegs vor. Die Geschichte über das Leben des rheinländischen Auswanderers Josef Klein, der in New York ins Visier der Weltmächte gerät, leuchtet die Spionagetätigkeiten des Naziregimes in den USA aus und erzählt von politischer Verstrickung fernab der Heimat.
Vor dem Kriegseintritt der Amerikaner brodelt es in den Straßen New Yorks. Antisemitische und rassistische Gruppierungen eifern um die Sympathie der Massen, deutsche Nationalisten feiern Hitler als den Mann der Stunde. Der deutsche Auswanderer Josef Klein lebt davon relativ unberührt; seine Welt sind die multikulturellen Straßen Harlems und seine große Leidenschaft das Amateurfunken. So lernt er auch Lauren, eine junge Aktivistin, kennen, die eine große Sympathie für den stillen Deutschen hegt. Doch Josefs technische Fähigkeiten im Funkerbereich erregen die Aufmerksamkeit einflussreicher Männer, und noch ehe er das Geschehen richtig deuten kann, ist Josef bereits ein kleines Rädchen im Getriebe des Spionagenetzwerks der deutschen Abwehr. Josefs verhängnisvoller Weg führt ihn später zur Familie seines Bruders nach Neuss, die den Aufstieg und Fall der Nationalsozialisten aus der Innenperspektive erfahren hat, und letztendlich nach Südamerika, wo ihn Jahre später eine Postsendung aus Neuss erreicht. Deren Inhalt: eine Sternreportage über den Einsatz des deutschen Geheimdienstes in Amerika.
Die Autorin
Ulla Lenze, 1973 in Mönchengladbach geboren, studierte Schulmusik und Philosophie in Köln. Ihre Romane wurden vielfach ausgezeichnet (u.a. mit dem Jürgen Ponto-Preis und beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb mit dem Ernst-Willner-Preis). Für ihr Gesamtwerk erhielt sie den Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2016. Ulla Lenze lebt als freie Schriftstellerin in Berlin.
Inhalt
Als Josef Klein 1949 aus amerikanischer Haft nach Deutschland abgeschoben wird, besitzt er nur was er auf dem Körper trägt und hat keine Papiere. In Neuss kann er bei seinem Bruder und dessen Familie unterschlüpfen. Carl Klein dringt darauf, dass Josef sich beim Einwohnermeldeamt registriert; denn Lebensmittel werden im besetzten Deutschland noch mit Lebensmittelmarken zugeteilt. „Joe“ Klein kann nicht übersehen, dass seine Gastgeber hauptsächlich von dem leben, was sie im Garten anbauen und Edith auffallend dünn ist. Ohne Papiere, ohne Arbeit und in den geliehenen Kleidungsstücken seines Bruders wirkt Josef im wahrsten Sinn wie eine „displaced person“. Unterschwellig scheinen die Brüder sich gegenseitig vorzuwerfen, dass der jeweils Andere es während des Krieges leichter hatte und sich mit Kritik besser zurückhalten sollte. Das Beharren, jeder hätte auf der Seite der Guten gestanden, scheint der falsche Weg zu sein. Auch Edith, die als Emissärin zu vermitteln versucht, hat gegen den tiefsitzenden Groll keine Chance.
Eine Rahmenhandlung deutet an, dass Josef in den 50ern nicht mehr in Deutschland lebt. In Rückblenden entfaltet Ulla Lenze auf zwei Zeitebenen die Geschichte der Brüder Klein, die vor 25 Jahren gemeinsam in die USA auswandern wollten. Ein Unfall beendet Carls Traum von der neuen Welt, bewahrt ihn jedoch in Deutschland auch vor dem Kriegsdienst. Josef schafft es allein auf dem Zwischendeck nach New York; er findet mit dem irischstämmigen Arthur einen Arbeitgeber und Mentor. In Arthurs Druckerei wurden Kunden bisher ohne Ansehen ihrer politischen Position beliefert, das ändert sich jedoch, als der Kriegseintritt der USA unmittelbar bevorsteht. Als Amateurfunker hat Josef Lauren kennengelernt, die unbedingt aus der Provinz nach New York will, um zu studieren. Im Kontakt mit Lauren wird deutlich, dass Joe selbst in der deutschen Community noch längst nicht alle Codes der Neuen Welt lesen gelernt hat. Als ein lukrativer Auftrag für einen erfahrenen Funker winkt, fällt Josef eine verhängnisvolle Entscheidung.
„Der Empfänger“ wirkt zunächst wie ein Konflikt zweier Brüder, die im Zweiten Weltkrieg auf gegnerischen Seiten standen und ihre Entfremdung nur schwer überwinden können. Josef kann Carl einfach nicht gestehen, warum er in den USA zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde – und Carl kann seinem Bruder deshalb nicht trauen.
Fazit
Anfangs schien mir der Plot mit seinen Schauplätzen in mehreren Ländern und mit mehreren Zeitebenen zu verschachtelt. Erst Josefs (verfahrene) Geschichte mit allen Details rechtfertigte schließlich diese Struktur. Stilistisch hat mich der Roman von Beginn an gepackt, der sich an die Biografie von Lenzes Großonkel anlehnt. Der Roman-Josef wirkt auf mich in aller Zerrissenheit höchst glaubwürdig, auch die Innensicht anderer Figuren vermittelt mir, was diese Personen ausmacht. Und schließlich kann Ulla Lenze - häufig in Nebensätzen - ganze atmosphärische Geschichten erzählen – aus Nachkriegsdeutschland, aus Costa Rica und aus einem oberen Stockwerk in Black Harlem, an dem die Bahn vorbeidröhnt.
Ausgaben von Der Empfänger
Besitzer des Buches 5
Update: 13. Februar 2025 um 08:51